Der engagierte Musikhörer wartet immer auf sowas: Eine durchweg unbekannte Band zu hören und entdecken! So ging es mir mit DEFIANCE, OHIO. Deren aktuelle Scheibe "The Great Depression", auf No Idea erschienen, habe ich bis zum dritten Song gehört, danach habe ich die Band zwecks Interview angeschrieben. Während ihrer Deutschlandtour im September haben die Jungens und Mädels meine Fragen beantwortet. Leset und entdecket.
Es hat recht lange gedauert, meine E-Mail zu beantworten. Macht ihr nach wie vor alles selber? Habt ihr mit der neuen Platte so viel mehr um die Ohren?
Ryan: Ja, das hängt damit zusammen, dass wir immer noch alles selber machen und dann irgendwann nicht mehr hinterherkommen. Und seitdem unsere neue Scheibe raus ist, haben wir auch viel mehr zu tun, versuchen aber alle Mails selber zu beantworten, auch wenn es dann mal ein paar Wochen dauert.
Laut eurer Homepage hat alles mit einem Konzert in eurer Küche angefangen.
Geoff: Wir haben damals schon recht viel geprobt, irgendjemand hat dann gefragt, ob wir nicht mal für ein paar Freunde spielen könnten. Also haben wir dann eines Abends für fünfzehn Freunde in einem Haus gespielt, das später als "The Kitchen" bekannt wurde. Nach dem Konzert kamen übrigens ein paar weitere Freunde aus einer anderen Stadt von einem Konzert zurück. Für die haben wir dann noch einmal von vorn gespielt.
Seid ihr Hippies?
Will: No dude, we're punks!
Sherri: Shaka - gnar!
Geoff: Wir mögen schon alle sehr gern Dinge wie Wandern, Zelten und in der Natur sein. Aber bin ich deswegen ein Hippie?
Ryan: Hippies sind Kapitalisten. Das sind die übelsten Kapitalisten überhaupt: "Hey Mann, ich habe dieses Halsband hier gemacht! Es kostet 25 Dollar!"
War es der Mangel an Geld, der euch bei der Auswahl eurer Instrumente so innovativ gemacht hat?
Ryan: Ich habe mich entschlossen. den Kontrabass zu spielen, weil ich ihn einfach öfter spielen wollte, um ihn besser zu lernen.
Geoff: Ich hatte damals keine eigene elektrische Gitarre, aber ich hatte die Akustikgitarre meines Bruders. Also bestand die Band am Anfang aus einem Kontrabass, einer Akustikgitarre und dem Schlagzeug. Will ist damals viel gereist und hat auf seinen Reisen immer Mundharmonika gespielt, so kam dann Will später zu uns. BZ kam eines Tages mit ihrer Violine zu einer Probe und es hat einfach super gepasst. Sherri, die wir damals über Freunde kennen gelernt hatten, spielte dann Cello. Später hat sie dann ihr Banjo gekauft und spielt dieses nun.
Stellt euch einmal vor, ihr hättet 24 Stunden mit George Bush oder Condoleezza Rice. Was würdet ihr mit denen anstellen?
Ryan: Ich würde keine Zeit mit diesen Leuten verbringen wollen. Ich hätte einfach nichts mit denen zu bereden, da ist einfach keine gemeinsame Gesprächsgrundlage.
Geoff: Ja, ich glaube ich würde die Zeit auch lieber mit meiner Familie verbringen. Oder mit Menschen, die eine total andere politische oder ethnische Ansicht haben als ich. Mit denen kann man sich wenigstens austauschen oder Ansichten äußern. Bush scheint mir dafür einfach nicht geeignet zu sein.
Sherri: Das ist einfach heftig. Da ist einfach nichts, was man machen kann, um Bush mal vor Augen zu halten, was er in der Welt angestellt hat. Ich finde es ziemlich frustrierend, dass da einfach keinerlei Chance für eine Diskussion ist. Der Typ ist einfach total abgeschottet und so scheiße arrogant!
Will: Stell dir einfach mal die Art von Leben vor, die er hat. Du hast einfach keinen Bezug zu normalen Menschen oder irgendetwas, das echt ist.
Es gibt viele, die euch schon als die Nachfolger zu AGAINST ME! auf No Idea ansehen.
Ryan: Das macht mich eher traurig, mit AGAINST ME! verglichen zu werden. AGAINST ME! ist eine Rockband und irgendwie hat das ziemlich wenig damit zu tun, was ich und meine Freunde machen!
Geoff: Was meinst du denn mit "Rockband"? Ich meine, unter Rockband kann man einmal das musikalische und einmal die ethnische Seite sehen. Und ich mag die Band auch nicht wirklich.
Ryan: Ja, ich meine, dass AGAINST ME! sich wie eine Rockband aufführt. Das hat nichts mit deren Musik zu tun.
Ihr habt auf eurer Europatour einen Abstecher nach Island gemacht. Was verschlägt euch denn dahin?
Ryan: Birkir, der Sänger von I ADAPT hatte uns angesprochen. Es stellte sich heraus, dass wohl ziemlich viele Leute aus Reykjavik unsere Songs aus dem Internet heruntergeladen hatten. Und nachdem sich dann über das Internet weitere Bekanntschaften zwischen uns und Menschen aus Island entwickelten, war es für uns eine reizvolle Herausforderung, einmal da zu spielen. Die Menschen dort sind wirklich sehr nett und wir sind einfach glücklich, dass es uns möglich war, da spielen zu können.
Wie schaut es denn so auf euren Konzerten aus? Die Fotos auf eurer Homepage lassen da ja eine Menge Spaß vermuten.
Will: BZ hat einmal in Florida vor einer Menschenmenge besoffen Boogie getanzt.
Ryan: Da passiert überhaupt nichts Lustiges. Wir sind wirklich sehr ernste Menschen.
Sherri: Letztes Jahr in Frankreich waren wir auf dem Weg zu einem Konzert in Portiers. Wir haben in England die Fähre genommen und mussten dann noch den ganzen Tag mit dem Auto fahren. Irgendwann hatten wir keine Ahnung mehr, wo wir waren, als auf einmal dieser Franzose auftaucht und uns sagt, wir sollen ihm einfach folgen. Und dann haben wir eine super Show gespielt, wahrscheinlich unser komplettes Set, und die Leute haben alle gefeiert und mitgesungen, obwohl die meisten nicht mal unsere Songs kannten.
Beschreibt einem Unwissenden doch mal eure Musik.
Ryan: Ich beschreibe die Musik immer anhand der Instrumente, die man einsetzt: wir sind eine Punkband mit Kontrabass, Akustikgitarre, Schlagzeug, Violine, Banjo und Cello.
BZ: Wir sind eine ziemlich stürmische Band.
Will: ... durch Bier angeheizt ...
Theo: Vielseitig und sexy.
Will: Ja, "sexy", das trifft es sehr gut!
Was ist der Hintergrund zu dem Song "Susquehanna"?
Geoff: Der Susquehanna ist ein Fluss in Pennsylvania in der Nähe meiner Heimatstadt. Jedes Mal, wenn ich meine Eltern besuchen fahre, ist es einfach traurig, wie sich manche Dinge ändern. Dinge und Orte, die mir und meinem Bruder wichtig waren, als wir aufwuchsen, existieren mittlerweile nicht mehr. Ich bin eigentlich sehr angetan von großen Städten und dem Leben in diesen Städten. Aber es ist sehr traurig, dass Menschen in solch großen Städten räumlich sehr nahe beieinander leben, deren Leben aber trotzdem voneinander total abgeschottet sind. Und mit einem Fluss ist es anders. Wenn an einer Stelle eines Flusses etwas passiert, hat das Auswirkungen auf den Rest des Flusses. Menschen denken an so etwas leider nicht und machen sich viel zu wenige Gedanken über ihr Handeln.
Was sind eure persönlichen Lieblingsbands, mit denen ihr am liebsten zusammen spielt?
Geoff: THE GOOD GOOD. Aber es hat mich auch sehr gefreut, mit dieser polnischen Band namens KLINIKA zusammen zu spielen. Außerdem spiele ich gern mit härteren Bands zusammen. Das liegt einfach daran, dass in den Staaten diese Bands meistens nicht mit uns zusammen spielen. Aber ich glaube, die Antwort auf diese Frage könnte täglich variieren.
Ryan: THIS BIKE IS A PIPEBOMB. Die Band unseres Freundes Pascal aus Paris namens LES LOUISE MITCHELLS. Außerdem fallen mir noch zwei Bands aus Minneapolis ein: HARLEQUIN und GANGLION.
Sherri: THE CARRIE-NATIONS, THE GOOD GOOD. Bands, die meinen Arsch zum Wackeln bringen!
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