Obwohl sich die DEECRACKS aus Österreich (ehemals als THE CRETINS bekannt) mit ihrem RAMONES-Core in einem Genre mit sehr eng gesteckten Grenzen bewegen, sind ihre Kompositionen, ihre Dynamik und ihre Herangehensweise dennoch so einzigartig, dass ihre Musik sie um die halbe Welt, durch Westeuropa, Japan, Russland, Nord- und Mittelamerika, geführt hat. Textlich scheinen den DEECRACKS dabei eher die klinischen Themen zu liegen, wie „Adderall“, „Ritalin for lunch“, „Charité forever“ oder sogar „I need a nurse“ (von den CRETINS) beweisen.
Welche Bedeutung haben Krankenhäuser für die DEECRACKS?
Matt: Wir haben auf der „Beyond Medication“-Platte den Song „Down, out and low“, den ich nach einer Tour in einem Krankenhaus geschrieben habe. Ich konnte nicht schlafen und bin die ganze Nacht im AKH Wien herumgelatscht. Da war um zwei oder drei Uhr früh niemand auf den Gängen und mir lief dann so ein Mädel über den Weg, die wohl dasselbe Problem hatte. Und da dachte ich nur: „Down, out and low!“ Wenn ich also schon ins Krankenhaus muss, schreibe ich auch ein Lied darüber. „Charité forever“ hat auch einen persönlichen Hintergrund. Wie lange habe ich da gesessen? Vier, fünf Stunden?
Mikey: Uns hat es zu lange gedauert. Wir haben die Show mit einem Gastsänger dann ohne dich gespielt, haha.
Matt: Ja. Ich habe mir dann die Leute angeschaut und hatte dann irgendwie die Melodie dafür im Kopf. Für ein Krankenhaus war das schon ziemlich dreckig. Das ist eben so dieses Berliner Ding, dieses Punkrock-Ding.
Bei unserem letzten Interview, das wir sehr früh in eurer Karriere geführt haben, hatten wir über eure erste USA-Tournee gesprochen. Inzwischen habt ihr bereits ...
Matt: Wir haben inzwischen vier USA-Tourneen absolviert.
Genau, und Einreiseverbot, nachdem ihr die Grenzer angelogen habt.
Matt: Gut, dreieinhalb USA-Tourneen. Oder dreieinviertel. Als Band werden wir wohl nicht mehr einreisen können, jedenfalls nicht unter diesem Namen. Als Privatpersonen geht das schon.
Paul: Oder über die mexikanische Grenze!
Matt: Wie El Chapo mit einem unterirdischen Motorrad!
Mikey: Du siehst, wir haben diverse Ideen und arbeiten daran. Nur wird es schwierig für uns, jetzt, da wir vorbestraft sind.
Hattet ihr bei diesen ganzen Touren je das Gefühl, auf Unverständnis zu stoßen?
Mikey: Ja, durchaus. Wenn man den ganzen Planeten bereist, ist das immer wieder mal so, dass jemand nicht mit einem umgehen kann. Eine Band, die so klingt wie wir – oder generell Punkrock an sich – ist etwa in China nicht so gängig. Da kommen die Leute und wissen überhaupt nicht, wie sie damit umgehen sollen. Eigentlich sind es eher zugereiste Leute aus dem Westen, die die Szene da vorantreiben.
Paul: Mitunter fühle ich mich aber auch in Österreich unverstanden.
Matt: Genau, man muss gar nicht so weit fahren. Uns passiert es sogar in Wien, dass die Leute nicht wissen, was sie mit uns anfangen sollen. Oder Leute, die uns nie gehört haben, bezeichnen uns als RAMONES-Coverband. In China sind wir angestarrt worden wie Außerirdische. Da haben wir gedacht: Das kann ja nicht nur sein, weil wir aus Europa kommen! Die Leute haben schon Vorbehalte gegenüber den USA und Europa. Ich glaube, in China kämpfen die sehr mit dem Konflikt zwischen Tradition und Moderne. In Asien haben wir ja den direkten Vergleich, wir waren auch in Japan auf Tour und haben am Anfang geglaubt, das würde sehr ähnlich werden. Es war aber ein Unterschied wie Tag und Nacht.
Habt ihr mehr von China gesehen als ein normaler Tourist?
Mikey: Ich schätze mal schon, wir waren ja mit Leuten unterwegs, die da leben. Und die haben uns natürlich gezeigt, wo sie hingehen, wo du als Tourist eben erst mal nicht hingehst. Außerdem haben die für uns Essen bestellt, das wir gewiss nicht selbst bestellen würden, haha. Die chinesische Mauer haben wir uns natürlich schon gegönnt oder sind auch mal in Hongkong rumlaufen.
War bei jedem Konzert einer dabei, der mitgeschrieben hat?
Matt: Nein, nicht immer. Du kannst jetzt aber nicht in Peking auf der Straße herumrennen und „Free Tibet!“ schreien. Ein rumänischer Englischlehrer aus Nanchiang sagte, man könne in China ein gutes Leben haben, wenn man einfach das Maul hält. Wir haben aber auch andere Geschichten gehört. Wenn jemand stirbt, geht das ganze Geld an den Staat, denn so etwas wie ein Erbe gibt es in China nicht. Und manchmal glauben die Leute zu wissen, dass manche eines unnatürlichen Todes sterben, falls sie zu reich werden.
Kannst du mal diese Liste mit euren Bassisten kontrollieren?
Mikey: Hm, mal sehen: Paul Coyote, Zhong, okay, Phil und Apey sind eine Person, Lucy Spazzy von den SPAZZYS, Eric Mahnke von den JETTY BOYS, Bjarke Knudsen von den 20BELOWS, Hank von den MUGWUMPS, Marco Perdacher und Manu sind ehemalige CRETINS, vergessen hast du Joe Atom von den ATOMS.
Paul, du sagtest, du hättest siebzig Auftritte mit den DEECRACKS gespielt. Das hört sich erst mal nach viel an, nicht aber für die DEECRACKS.
Paul: Mittlerweile sind es 84. Ich habe 2011 die England/Benelux-Tour mitgespielt und ab 2014 sind es kontinuierlich immer mehr Shows geworden. In China war ich nicht dabei, weil Zhong die Tour mitorganisiert hatte.
Gibt es die RATCLIFFS noch, deren „Let’s take a walk“ DEECRACKS gecovert haben?
Paul: Ja, es ist vielleicht ein bisschen auf Projektstatus zurückgestuft, auch wenn im März nach ein paar Singles das erste Album mit zwölf Songs seit unserer Gründung im Jahre 2004 erschienen ist. Und ob man von einem Cover sprechen kann, wenn der Originalsänger das Lied interpretiert, ist fraglich.
Mikey: Du hast es mit uns auch häufiger gespielt als mit den RATCLIFFS.
Wie muss ich mir den Ramones Casa Club in Mexiko vorstellen?
Matt: In Lateinamerika waren die RAMONES ja riesig. Und bei den Shows waren immer Leute mit Lederjacken und so einem Blödsinn. Wir haben außerhalb von Mexiko-Stadt dort gespielt, das war so in der Art vom Ramones Museum in Berlin. Die haben das außerhalb der Stadt selbst irgendwie zusammengezimmert.
Mikey: Arturo Vega hatte das Eingangsschild gemacht.
Matt: Eine andere Show in Mexiko-Stadt war in so einem ganz kleinen Raum und die Leute haben uns vom Balkon aus durch die Fenster beobachtet.
Paul: Da gab es aber kein Geländer oder so was. Die standen dann direkt am Abgrund.
Mikey: Auf dem Dach des Nachbarhauses haben auch Menschen gestanden.
Matt: Da waren auch extrem politische Bands mit dabei und dann waren da Bands, die RAMONES-Core gemacht haben, es war aber alles dasselbe Ding. Die Leute waren extrem herzlich bei jeder Show. Mexiko hat aber auch etwas kantigere Seiten.
Russland und China nicht?
Matt: In Russland habe ich nie Probleme gehabt, in China auch nicht. In Mexiko waren wir eigentlich das erste Mal in unserer Tourkarriere mit Waffen konfrontiert.
Mikey: Wo man sich echt sagen muss: Okay, da halte ich mich jetzt heraus.
Was bedeutet es euch, mit C.J. Ramone auf Tour gewesen zu sein?
Paul: Ich kann sagen, es ist komplett surreal, wenn man ein Konzert spielt und dann backstage geht und da steht C.J. Ramone und fragt dich: „How was it out there?“ Das war schon ein Moment, in dem ich nur gedacht habe: Wow!
Mikey: Es ist immer wieder verrückt, wenn man darüber nachdenkt. Wir haben diese Band gegründet aus diesem romantischen Gedanken heraus, und dann ist man unterwegs und lernt die Leute kennen, deren Musik man schon so lange kennt, die man so zelebriert, und ist gleich per du. Man hat die gleiche Mission und fühlt sich gleich so familiär mit diesen Leuten, deren Poster man an der Wand hängen hatte.
Matt: Das Coole an C.J. ist, dass man da neben ihm sitzt und darüber quatscht, was er für Hühner in seinem Garten hat. Ich habe in Stuttgart noch zu C.J. gesagt, dass er der einzige Typ ist, den ich kenne, der jemals in einer „Die Simpsons“-Episode vorkam. Der ist noch ein wenig so wie wir. Wenn der seine Storys von den RAMONES-Touren erzählt, merkt man, dass er da total stolz darauf ist und selbst gar nicht fassen kann, dass er da dabei gewesen war.
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