DEADLINE

Foto

Englisch-französische Freundschaft

Seit 2001 haben DEADLINE aus London einen weiten Weg zurückgelegt und sich von einer ganz okaynen zu einer außergewöhnlichen Band entwickelt, deren kreatives Zentrum die mittlerweile als Ehepaar durchs Leben gehenden Liz Rose (Gesang) und Hervé Laurent (Bass) sind. Auf dem fünften Album „Bring The House Down“, das dieser Tage auf People Like You erscheint, präsentieren sich DEADLINE noch melodiöser, abwechslungsreicher und poppiger als auf den Vorgängern „Take a Good Look“ (2006) und „We’re Taking Over“ (2008), lassen aber dennoch keinen Zweifel daran, dass sie tief in Oi! und Punkrock verwurzelt sind. Liz und Hervé antworteten auf meine Fragen.

In der Dankesliste eures neuen Albums grüßt ihr André und Tobbe von eurem Label. Wir wissen jedoch alle, dass Andrés Trennung von People Like You nicht gerade freundschaftlich abgelaufen ist. Wie schwer ist es für eine Band, in so einer Situation die richtigen Entscheidungen zu treffen?

Hervé: Es ist immer schwer, Entscheidungen zu treffen, und du weißt nie, ob es richtig war, bis die Zeit zeigt, dass du richtig gelegen hast ... oder eben falsch. Seit wir „Getting Serious“ auf People Like You rausgebracht haben, waren André und Tobbe für uns da. Wir haben das Für und Wider gegeneinander abgewägt, haben abgestimmt und beschlossen, bei People Like You zu bleiben. Aber ich froh sagen zu können, zwischen uns und André ist alles in Ordnung, und ich wünsche ihm für sein neues Label I Hate People ehrlich alles Gute.

Einerseits ist euer neues Album poppiger und eingängiger als alles, was ihr vorher gemacht habt, anderseits basiert euer Sound immer noch auf der guten alten COCK SPARRER-Tradition. Schlagen zwei Herzen in eurer Brust?

Hervé: Wahrscheinlich sogar mehr als zwei ... zumindest seit „Getting Serious“, denn da habe ich aufgehört, mich mit Liz über Songwriting und die Produktion zu streiten. Mir ist klar geworden, dass es schon okay ist, ein paar mehr Melodien und poppigere Töne in unseren Stil zu mischen. Es hat hervorragend funktioniert. Wir sind immer noch dieselbe Band, nur eben reifer und mit besseren Songs. Wenn wir live spielen, haben wir immer noch einen härteren Sound, und das wird auch immer so sein. Auf der Bühne lassen wir uns mitreißen, da geben wir immer 110%. Was wir auf den Alben machen, ließe sich live sowieso nur reproduzieren mit noch drei Background-Sängerinnen. Aber wer weiß, vielleicht probieren wir das ja eines Tages mal.

Liz: Mittlerweile überlegen wir wirklich nicht mehr zweimal, ob wir die verschiedensten Einflüsse auf unseren Alben zuzulassen. Wenn ein Song mit einer Akustikgitarre besser funktioniert, dann machen wir ihn eben so. Wenn ein Song hart und schnell funktioniert, dann wird er auch so gespielt. Das Einzige, was wir uns selbst auferlegen, ist einen catchy Singalong-Song zu schreiben, der hängen bleibt. So wie das wohl die meisten Bands machen, die wir bewundern, etwa COCK SPARRER und viele andere.

Irgendwie habe ich den Eindruck, dass das neue Album catchy und „soft“ genug ist, um euch auch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen – ohne, dass man euch vorwerfen könnte, zu seicht zu sein. Ist/war es eine bewusste Entscheidung von euch oder ist das nur mein persönlicher Eindruck?

Hervé: Na ja, mit jedem Album haben wir immer versucht, neue Fans hinzu zugewinnen, ohne unsere alten Fans zu verlieren, also ist das wahrscheinlich irgendwo immer in unseren Hinterköpfen, wenn auch unbewusst. Aber in erster Linie schreiben wir ein neues Album für uns selbst und wir möchten nicht dasselbe Album zweimal aufnehmen. Wir machen ja keine Platte, weil wir Verpflichtungen unserem Label gegenüber hätten oder weil wir denken, wir werden reich und berühmt. Wir machen ein Album, wenn wir 12 oder 14 Songs haben, die wir alle mögen, und die wir gerne mal vernünftig aufgenommen hören würden. Dieses Mal hat es alles etwas länger gedauert als üblich, aber wir wollten auch wirklich ein Album, auf das wir in Zukunft noch stolz sein können, und ich denke, das haben wir auch geschafft.

„Recorded in France“ steht auf der Platte, ihr habt also auf der anderen Seite des Kanals aufgenommen. Was ist nur aus der liebenswerten Feindschaft zwischen den Briten und den Franzosen geworden?

Hervé: Wir haben das Kriegsbeil begraben, seit Liz mich geheiratet hat.

Liz: Wenn du dich einmal an den stinkenden Käse gewöhnt hast, ist es gar keine üble Gegend, im Ernst. Unser französischer Gitarrist Benoît hatte vorgeschlagen, dort aufzunehmen, weil er das Studio schon kannte. Er erzählte mir, sie hätten dort die besten Mikrofone und meine Stimme würde sich bestimmt großartig anhören. Also haben wir es gemacht. Benoît hat das Album auch gemixt und ich finde wirklich, es klingt richtig geil! Ich bin total zufrieden.

Mit „These boots ...“ covert ihr den alten Lee Hazlewood/Nancy Sinatra-Klassiker, der in zweierlei Hinsicht gut zu euch passt. Erstens zu der Tradition, Doc Marten’s zu tragen, und zweitens hat er diesen „Eine starke Frau zieht ihr Ding durch“-Touch.

Liz: Also ich dachte mehr an meine kniehohen Absatzstiefel. Pfennigabsätze sind einfach besser, um jemandem ordentlich Schmerzen zuzufügen. Der Text des Liedes ist echt cool, ich wollte irgendwie einen Song mit so einem Thema schreiben, und das war jetzt die faule Variante. Ich finde, der Song klingt super, vor allem stehe ich auf den Gitarrensound von Benoît.

Welche anderen Songs, von denen ihr ausgeht, ihr würdet sie hinbekommen, würdet ihr gerne eines Tages noch covern? Und an welchen habt ihr euch schon versucht, nur um zu merken, dass es nicht hinhaut?

Liz: Ich denke, ein Cover sollte immer mindestens so gut wie das Original sein oder einfach völlig anders. Wir spielen „Sheena is a punk rocker“ von den RAMONES in einer anderen Tonart und auch schneller, so dass es funktioniert. Aber generell finde ich es schwer, einen guten Coversong zu machen.

Hervé: Als wir angefangen haben, so 2002/03, hatten wir das REZILLOS-Cover „Top of the pops“ in unserem Live-Set. Das war auch gut und deswegen dachten wir, wir könnten es auch aufnehmen. Aber aus irgendeinem Grund hat es sich nicht gut angehört. Liz hat jede Note getroffen, aber die Produktion war ziemlich blass im Vergleich zum Original, also haben wir es gelassen und die Aufnahme nicht mal mehr gemixt. Manche Klassiker lässt man am besten einfach in Ruhe. Ich würde gerne ja irgendwann noch „Young until I die“ von 7 SECONDS machen, aber da muss ich Liz erst noch überzeugen. Wir haben ja gerade erst beschlossen, keine Cover mehr live zu spielen.

Der Titeltrack „Bring the house down“ ist eine Ode daran, das Leben zu genießen und einfach Spaß zu haben. Ist es nichtsdestotrotz auch ein politischer Song in Zeiten, in denen viele Menschen unter der Wirtschaftskrise leiden und einfach mal für eine Weile der ganze Scheiße entfliehen müssen?

Liz: Also es ist hauptsächlich ein Party-Song, in dem es darum geht, die Arbeit und den Stress in deinem Leben mal für eine Weile zu vergessen und einfach mal Dinge zu tun, auf die du Lust hast. Wie die meisten Menschen mag ich es auch, tanzen zu gehen und mich zu betrinken. Der reinste Eskapismus. Aber wenn du darin etwas Politisches und eine Reflexion auf die moderne Gesellschaft siehst, habe ich auch nichts dagegen.

Ich bin mir nicht ganz sicher, inwieweit ihr diese Diskussion verfolgt, die in Deutschland derzeit in Blogs und Fanzines ziemlich aufgeheizt und aggressiv geführt wird. Es geht da um die so genannte „Grauzone“, von der teilweise behauptet wird, dass sich einige Streetpunk/Oi!- oder Skinhead-Bands darin bewegen. Es geht um die mangelnde Distanz zu rassistischen oder zumindest zweifelhaften Skinheads, ob man bereit ist, auf Festivals mit gewissen anderen Bands zu spielen, ob man hinnimmt, dass dein Saufkumpan ein Nazi ist oder der wiederum der Saufkumpan eines Nazis ... Wie seht ihr das Ganze?

Hervé: Hat uns da schon mal jemand drauf angesprochen? Ja, ich glaube, in der Vergangenheit ein paar Mal. Ich vertrete nur in begrenztem Maße eine politische Meinung, aber wenn man mich fragt, teile ich die auch mit. Ich glaube einfach daran, das Richtige zu tun. Ein Rassist, Nazi oder religiöser Extremist zu sein, geht gegen alles, von dem ich denke, dass es „das Richtige“ ist. Obwohl wir keine politische Band sind, weiß ich, dass wir alle die gleichen Ansichten teilen und bestimmt nicht in irgendwelchen „Grauzonen“ unterwegs sind. Wir und die Agenturen, mit denen wir in Deutschland zusammenarbeiten, schauen immer ganz genau hin, wo wir spielen, und ich bin mir sicher, dass in diesen Clubs keine Nazi-Sympathisanten willkommen sind. Wir wissen, dass wir das Richtige tun, und sehen, dass die Leute zu unseren Shows kommen, um einfach Spaß zu haben. Eine DEADLINE-Show ist immer eine große Party, und wenn du dir anguckst, was für ein gemischtes Publikum zu uns kommt, dann sind Ausdrücke wie „Nazi“ oder „zweifelhafte Skinheads“ definitiv fehl am Platz. Und wenn du mich fragst, wie ist die Situation in England? Keine Ahnung. England hatte immer schon dieses „Leben und leben lassen“-Denken, und Punkrock, Streetpunk und Oi! sterben hier einen langsamen Tod und jede Art von Diskussion über so etwas stirbt mit ihnen.