Bei Walter Schreifels denkt man an GORILLA BISCUITS, YOUTH OF TODAY, QUICKSAND, CIV, WALKING CONCERT und diverse andere Bands, in denen der 1969 geboren New Yorker Gitarrist und Sänger seit Mitte der Achtziger aktiv ist. Seine neueste Band hört auf den Namen DEAD HEAVENS und war Grund für dieses Interview.
Walter, wie lange existieren DEAD HEAVENS schon als Band und was habt ihr bisher gemacht?
DEAD HEAVENS entwickelte sich vor ungefähr einem Jahr aus der Band für meine Soloauftritte heraus, als ich in Deutschland MADSEN supportete. In der Backingband dieser Tour hatten alle unheimlich viel Spaß. Also machten wir nach der Tour einfach weiter, rekrutierten wenig später noch ein Mitglied und schlugen musikalisch eine neue Richtung ein. Richtig offiziell wurde es dann diesen Januar, als wir einen Residency-Deal bekamen und mehrere Abende in einer Bar in Brooklyn spielten. Momentan versuchen wir gerade, die typischen Bandsachen auf die Reihe zu bekommen: Website und so Geschichten eben. Außerdem haben wir im Januar auch unsere erste 7“ rausgebracht. Eine zweite wird bald folgen, wahrscheinlich im Juni oder später diesen Sommer. Die Sache mit DEAD HEAVENS nimmt also langsam Form an.
Wer spielt alles bei DEAD HEAVENS mit?
Der Drummer ist Drew Thomas, den ich schon seit der Highschool kenne und der auch schon bei YOUTH OF TODAY, INTO ANOTHER und CRIPPLED YOUTH gespielt hat. Drew ist ein echt toller Mensch und ein hervorragender Schlagzeuger, der Rockmusik einfach kapiert hat. Der Bassist heißt Nathan Aguilar von der Band CULTS. Ich habe ihn auf dem Reading Festival kennen gelernt und ihn später mit auf Tour genommen, als ich für MADSEN eröffnet habe. Im Grunde waren wir drei am Anfang der Kern von DEAD HEAVENS. Der zweite Gitarrist ist Paul Kostabi. Der Mann ist nicht nur ein großartiger Maler sondern auch eines der Gründungsmitglieder von WHITE ZOMBIE und ganz nebenbei auch ein begnadeter Leadgitarrist.
Du bist ja ein viel beschäftigter Mann und dauernd mit alten und neuen Bands unterwegs. Wie sieht es mit DEAD HEAVENS aus – ist das eine richtige Band oder eher ein Projekt?
Ich sehe DEAD HEAVENS definitiv als Band. Ich meine, wir sind vier Typen, die alle zusammen an den Songs arbeiten, und wenn ich ehrlich bin, fühlt sich DEAD HEAVENS sehr viel mehr wie eine Band an als viele Sachen, die ich in letzter Zeit gemacht habe. Wir proben regelmäßig, sind alle mit Herzblut bei der Sache und haben mittlerweile auch genug Material, um ein Album zu machen. Das soll dann auch in der zweiten Jahreshälfte 2015 rauskommen, aber vorher werden wir noch die eine oder andere 7“ veröffentlichen, um die Band und den Sound noch ein wenig weiterzuentwickeln. Ich denke, dass eine 7“ heutzutage eine sehr coole Möglichkeit ist, um Musik zu veröffentlichen. Mit einer 7“ kann man wunderbar seine Band vorstellen. Außerdem ist es so eine Art Entwicklungsschritt für die Band, an dem sie wachsen und sich aufbauen kann. Zudem ist eine 7“ für mich persönlich ein ganz besonderes Format, denn damit bin ich aufgewachsen und habe viele neue Bands kennen gelernt.
War es eine bewusste Entscheidung, mit DEAD HEAVENS in diese musikalische Richtung zu gehen oder ist es einfach so während der Proben entstanden?
Tatsächlich wollte ich ohnehin in diese Richtung gehen und auch für mein Soloprojekt hatte ich einen härteren Sound angedacht. Allerdings war da die Sache mit dem Namen: Wenn du einen richtigen Namen für deine Band hast, gibt das den Hörern mehr Raum, etwas hineinzuinterpretieren und sich ein Bild zu machen – ganz im Gegensatz zu einer Band, die nach dem Namen eines Solokünstlers benannt ist. Die Gedanken und Erwartungen der Hörer werden von Anfang an in eine bestimmte Richtung gelenkt. Das ist natürlich eine coole Sache, und es gibt auch viele Solokünstler, die ich sehr mag, aber ich wollte die Sache breiter anlegen und nicht durch den Namen limitieren. Eine Hardrock-Band mit dem Namen DEAD HEAVENS ist einfach das, was ich mir unter einer coolen Band vorstelle – WALTER SCHREIFELS AND THE DEAD HEAVENS hingegen geht nun wirklich nicht. Das passt ja noch nicht mal auf ein T-Shirt.
Gut, aber am Ende bist es doch sehr wahrscheinlich du, der den Großteil der Songs schreibt, oder?
Richtig, aber die Songs arrangieren tun wir alle zusammen. Hin und wieder schreiben die anderen auch einzelne Parts. Ich denke, dass das Bandgefüge jetzt mehr und mehr zusammenwächst und ich nicht mehr alles allein schreiben werde. Irgendwann komme ich hoffentlich nur noch mit einem einzelnen Riff an, und wir starten einfach damit, so dass der Prozess des Songwritings für mich leichter wird.
Ich könnte mir vorstellen, dass viele Leute überrascht sind, wenn sie mitbekommen, dass du eine neue Band hast, und dann so ein Retro-Hardrock-Ding serviert bekommen. Schließlich wird dein Name ja sehr stark mit einem bestimmten Sound assoziiert ...
Ich denke, die Leute haben sich im Laufe der Jahre daran gewöhnt, dass ich immer mal wieder mit was Neuem und Andersartigen um die Ecke komme. Ehrlich gesagt finde ich das ziemlich cool, denn ich will mich ja nicht langweilen, sondern mich weiterentwickeln und auch die Zuhörer überraschen. Bisher waren die Reaktionen auf DEAD HEAVENS allesamt sehr gut. Wir haben ja gerade diese Residency-Shows und noch einen anderen Gig in Brooklyn gespielt, und die Leute waren durchweg begeistert. Das gibt mir viel Zuversicht für die Zukunft. Ich meine, ich spiele gern so heavy Zeug und ich denke, dass die Leute, die meine bisherigen Bands mochten, ganz besonders auf die härteren Nummern meines Outputs stehen. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass DEAD HEAVENS keinesfalls einen typischen Hardrock-Sound fahren. Wir verfolgen da einen etwas anderen Ansatz und vereinen verschiedene Einflüsse. Ich bin ziemlich gespannt, wie sich das Ganze weiterentwickelt.
Denkst du manchmal darüber nach, dass du schon sehr lange diesen Lifestyle lebst – mit Bands, Proben, Touren und so weiter –, den viele Leute irgendwann hinter sich gelassen haben?
Ja, schon. Allerdings denke ich, dass ich momentan ein ganz gutes Alter für diese Sachen habe. Mittlerweile habe ich nämlich viel Erfahrung angehäuft und ein gewisses Grundverständnis von dem ganzen Musikding erlangt, dass dir in einem jüngeren Alter noch fehlt. Gleichzeitig bin ich immer noch neugierig, heiß auf neue Sachen und will mich entwickeln. Das ist mein Job: Ich mache Musik, und da verändert sich immer etwas und ständig geht es in eine andere Richtung. Ich bin sehr glücklich über diese beiden Aspekte – die Erfahrung einerseits, die Neugier andererseits. Klar ist es cool, jung zu sein und als Teenager oder Mittzwanziger in irgendwelchen Bands zu spielen, aber ich habe mit den Jahren so verdammt viele Erfahrungen gesammelt und Wissen angehäuft, dass es echt verrückt ist. Das hilft natürlich immens, um schwierige Momente durchzustehen und sich auf die guten Seiten der Sache zu konzentrieren. Ich liebe es einfach, Musik zu machen, und empfinde es als großes Glück, das schon so verdammt lang tun zu können.
Hattest du im Laufe der Jahre jemals Motivationsprobleme, wenn es darum geht, neue Musik zu schreiben oder Arbeit und Zeit in neue Bands und Projekte zu stecken?
Nicht so sehr Motivationsprobleme ... Ich glaube, ich denke jetzt mehr über meine Entscheidungen nach und wäge länger ab, was ich mache und was nicht. Ich bin wählerischer geworden, denn ich will meine Zeit nicht verschwenden. Es muss schon etwas sein, was mich wirklich interessiert und auf ganzer Linie kickt. DEAD HEAVENS sind für mich so eine Sache. Das besitzt einen gewissen Wert im Kontext meines Lebens und dafür gebe ich gern meine Zeit her. Es müssen Projekte sein, bei denen ich mein Bestes geben kann, andernfalls ist es mir die Sache nicht wert. Kann sein, dass man mehr rumdaddelt, wenn man jünger ist. Ich habe da eher eine geschäftsmäßige Attitude: Ich bin hier, um zu arbeiten, und will die Sachen auf die Reihe kriegen und es natürlich nebenbei auch genießen.
Wie sehen deine Pläne für dieses Jahr aus? Kommt da neben DEAD HEAVENS noch was anderes?
2015 werde ich mich hauptsächlich auf DEAD HEAVENS konzentrieren und auch ein paar Sachen mit VANISHING LIFE machen. Allerdings leben die Mitglieder von VANISHING LIFE in unterschiedlichen Städten, so dass es ein bisschen schwierig ist, oft zusammen zu kommen. Bei DEAD HEAVENS kommen alle aus New York, und so werden wir auch so oft es geht zusammen spielen. Das sind die Pläne ... Musik ... eine Menge Musik.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #120 Juni/Juli 2015 und Daniel von der Ohe
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