Vor dem Hintergrund des soeben erschienenen neuen und dritten Releases "Hate The Living" der sträflich unterbewerteten Münsteraner Hardcore-Punk-Zombies, habe ich mich mit Alex (Gesang) und Flo (Gitarre) an den Aasee gesetzt und über die Band, den Core und Deutschland geredet.
Warum heißt ihr THE DEAD und welcher ist eurer Meinung nach der beste Zombie-Film?
Alex: Das war ein Zufall! Ich lief mit unserem Bassisten Christoph durch die Stadt und hatte einen Ohrwurm von DEAD FUCKING LAST, das ist eine Band, in der Eddie Rock von den BEASTIE BOYS früher mal gespielt hat. Ich habe den Refrain "We are the dead!" vor mich hin gesungen und Christoph meinte daraufhin, dass wir, falls wir mal eine Band gemeinsam machen, sie THE DEAD nennen würden, und so ist es auch passiert.
Flo: Ich persönlich finde "Wild Zero" sehr geil! Das ist ein japanischer Film, in dem auch die Band GUITAR WOLF mitspielt. Krank, aber geil. Sollte man sich auf jeden Fall angeschaut haben, wenn man auf solche Filme steht.
Ich habe das Gefühl, dass ihr in der deutschen Hardcore-Szene so eine Art Underdogs seid. Ich sehe euch relativ selten auf normalen kleinen Shows und ihr spielt auch mit den unterschiedlichsten Bands zusammen.
Woran liegt das?
Alex: Ich denke, es liegt zuerst daran, dass wir keinen klassischen Hardcore machen. Wir mixen ja viele Stile zusammen und da sind wir oft zu punkig für die toughen Hardcore-Kids, nicht hymnisch genug für die Newschool-Kids und zu hardcorig für die Punk-Leute. Wobei unser bestes Publikum eher so ein Punk-Crust-Metal-Publikum ist, die Kuttenträger. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber die scheinen da irgendwie offener zu sein.
Flo: Ich würde neben Punk und Hardcore noch Metal- und auch Rock'n'Roll-Einflüsse nennen. Es lässt sich schwer in eine Schublade stecken. Viele Leute wollen auf eine Metalcore-Show gehen und dann auch Metalcore hören Da können uns die Leute vielleicht oft nicht richtig einordnen.
Alex: Die andere Sache ist vielleicht, dass wir keine dieser Internet-Hype-Bands sind, die nach ihrem ersten Demo alle zutrashen und nach zwei Shows der neue Kult werden. Das mag daran liegen, dass wir alle schon ein wenig älter sind. Ich hätte da auch keinen Bock drauf.
Ihr kommt recht tough rüber, was meiner Meinung nach an Alex' Stimme und Bühnenpräsenz liegt. Ich finde, das steht ein wenig im Widerspruch zu den sensiblen Inhalten eurer Texte. Wurdet ihr schon öfters als Bollo-Band missverstanden?
Alex: Eigentlich nicht, dafür sind wir wohl einfach zu punkig. Ich kenne jedenfalls niemanden, der uns mag und sonst die Bollo-Schiene fährt. Das finde ich auch nicht schade. Ich mag das ganze Kickbox-Affentum nicht. Andersrum gibt es halt Leute, denen in erster Linie meine recht tiefe Stimme zu tough ist. Da kann ich aber auch ganz gut mit leben. Manche mögen es halt und manche nicht. Dafür gibt es ja auch verschiedene Musikarten.
In einigen eurer Songs gibt es recht klare Absagen an die "Szene". Könnt ihr vielleicht mal erläutern, wie ihr zu diesem Szene-Begriff steht?
Alex: Das ist ja eine ambivalente Sache. Wir bewegen uns darin, sind ein Bestandteil davon und es ist faszinierend, dass es so was gibt, andererseits gibt es auch Auswüchse, die total komisch sind, wie zum Beispiel dieser ganze Internet-Quatsch; Messageboards, Hypes, Dresscodes und cooles Getue. Die Hardcore/Punkszene hat super viel Potenzial, etwas zu ändern, wird aber von Jahr zu Jahr oberflächlicher, was sicherlich auch normal ist, da jede Subkultur ihre Tiefe verliert, wenn sie wächst. Die ganze Hardcore/Punk-Sache ist ja sehr modebewusst und stark nach außen getragen worden. Da gehen die Kraft und die Gefährlichkeit einer Subkultur schnell verloren. Im Endeffekt gibt es ja zwei Szenebereiche: einerseits diesen Disco-Hardcore-Metal-Bereich und dann noch den kleinen Teil, der in Jugendzentren, besetzten Häusern und Fanzines stattfindet. Das ist halt noch spannend. Meiner Meinung nach ist das getrennt.
Flo: Das Internet hat aber auch vieles leichter gemacht. Aber neben den wenigen Leuten, die viel selber machen und ihr Herzblut in die Sache reinstecken, gibt es auch viele Mitläufer. Das hat auch nicht mehr viel mit Punk oder Hardcore zu tun. Meiner Meinung nach widersprechen sich Punk und den ganzen Tag im Internet hängen. Da wissen einfach viele Leute nicht mehr, wovon sie reden.
Alex: Mich nerven diese ganzen Leute, die darüber nur ihre Profilneurosen ausleben und möglichst cool und hart rüber kommen wollen. "Jocks", die viel pumpen gehen und dann mit ihren engen Shirts rumposen gehen, drei bis fünf Jahre Straight Edge sind und den Riesenmacker raushängen lassen, aber dabei total oberflächlich sind. Es gibt da eigentlich spannende Menschen und man kann sich unterhalten, Ideen austauschen und was verändern, aber bei denen ist das Potenzial einfach weg. Schau dir die kleinen Mädchen mit ihren Kirschen- und Totenkopfsachen an. Das passt zur Beschreibung der Zombiefilme. Das Gros der Punk- und Hardcore-Szene verhalten sich so sinnentleert wie Zombies. Es ist ja nicht schlimm, wenn die Leute damit glücklich sind, aber ich finde es schade, dass es sich so weit vom ursprünglichen Potenzial wegentwickelt hat.
Was hat vor dem Hintergrund der Ausdifferenzierung der Szene euer Bandmotto "true as fuck" zu bedeuten?
Alex: Das ist eher selbstironisch gemeint, weil man schließlich nicht von vorneherein sagen kann, dass man einer Sache bis zum Lebensende treu sein wird, da man sich ja unbewusst weiterentwickelt. Wir machen halt das, was wir gerne mögen und lieben. Das ist auch, Bestandteil dieser Punk/Hardcore-Sache zu sein und Musik zu machen, die wir gut finden. Bei uns geht es doch auch viel um Selbstironie. Wir blödeln viel rum und gehen so auf die Bühne, wie wir sind.
Flo: Das Motto sagt auch aus: "Mach, was du willst, aber mach es vom Herzen aus!" Das ist das Wichtigste, sich nicht in fünf Jahren umzukrempeln, um Bestandteil von etwas zu sein, das man nicht im Inneren ist, sondern nur aus Coolnessgründen mitmacht.
Ihr habt auf euren Platten ernste Songs zu politischen und sozialen Themen und es gibt Songs, die, zumindest auf den ersten Blick, sinnlos und beinahe dadaistisch wirken. Ich denke da zum Beispiel an den älteren Song "The gym has been closed". Ist das ein gewisses selbstironisches Element?
Alex: Ja klar, da spielen wir gerne mit. Wobei "The gym has been closed" für uns einen Hintergrund hat. Er ist nach einem TERROR-Konzert entstanden, wo wir doch etwas schockiert waren, wie hart die Leute da abgegangen sind.
Flo: Ich war echt enttäuscht von dem Sänger Scott Vogel. Ich bin eigentlich ein Fan seiner früheren Band SLUGFEST und habe das Gefühl, dass er immer prolliger und asozialer wird. Der hat sich nach einem gemeinsamen Konzert verhalten wie so ein HipHop-Gangster. Das ging gar nicht.
Alex: Der Song handelt letztendlich davon, dass wir keinen Bock auf diese ganze Gewalt haben. Aber wir haben auch viele Quatsch-Songs, wo das Wort "Dadaismus" ganz gut passt. Ein Beispiel ist da "1, 2, fuck you!", der extra ziemlich sinnentleert ist, wie viele hymnische Songs. Warum soll man soll man in einer stupiden Aneinanderreihung sinnloser Wörter einen Text schreiben? Da kann man genauso gut "1, 2, fuck you!" singen.
Mir ist aufgefallen, dass ihr euch textlich mit Nationalstaaten und deren Identitäten auseinandergesetzt habt. Ich fand den Song "Ludwig van ... Applaud, my friends, the comedy is over" vom neuen Album interessant, weil er diese Kampagne "Du bist Deutschland!" aufgreift. Vor dem Hintergrund würde mich interessieren, wie ihr den neuen deutschen Patriotismus seit der Fußball-WM wahrnehmt.
Alex: Diese Kampagne ist ja relativ kurz gelaufen und mir ist wirklich schlecht geworden, als ich das gesehen habe. Ich denke, wir brauchen keinen Nationalstolz, da er, wie wir aus unserer Geschichte wissen, noch nie zu was Gutem geführt hat. Deshalb fand ich auch diesen neuen WM-Fähnchen-schwing-Nationalismus echt abstoßend. Dieser Stammtisch-Hurra-Patriotismus hat über die politischen Probleme im Land hinweg getäuscht und alle Parteien konnten froh sein, dass WM war und das die Leute Fahnen schwingend die Nationalhymne gesungen haben, weil sich dann keiner mehr Gedanken um die richtigen Probleme gemacht hat. Die WM an sich war ja durchaus begeisternd, weil sich das Team spielerisch so engagiert hat, aber dieses neue unverkrampfte Verhältnis zu Deutschlandflagge, Nationalhymne und dem positiven Bekenntnis, Deutscher zu sein, das finde ich bedenklich. Nach der WM war ich durch Zufall auf einer Party in einer üblen Kneipe in Münster, wo die nachts um zwei Uhr die Nationalhymne gespielt haben. Der Club war rappelvoll und alle haben mitgesungen. Ich stand da mit einem Freund und wir haben uns gefragt, ob die Leute noch ganz dicht sind. Das hätte es vor der WM sicher nicht gegeben. Da hat die WM das geschafft, was die "Du bist Deutschland!"-Kampagne nicht geschafft hat. Egal in welcher Nation, Nationalstolz ist immer destruktiv. Das sieht man zum Beispiel auch am Wiederaufflammen der Debatte um Kulturkreise, wo jetzt alle Angst haben, weil Indien und China den "Westen" wirtschaftlich bedrohen könnten. Da geht es um den "westlichen" Nationalstolz und da werden Ängste aufgebaut und gegeneinander agiert, anstatt dass man eine Gemeinsamkeit sucht. Eine traurige und bedenkliche Entwicklung.
Ihr habt immer ein wenig Schwierigkeiten, eure Platten an den Mann zu bringen. Habt ihr so hohe Ansprüche an Label und Vertrieb?
Alex: Bei vielen Bands ist es ja so, dass sie das entweder selber rausbringen oder irgendwelche Freunde. Wir sind irgendwie aus dem Alter raus, wo unsere Freunde unsere glühendsten Fans sind. Unsere ganzen Freunde kommen nur zu Konzerten oder kaufen die Platten, wenn sie es gut finden, da gibt es keine Höflichkeitslügen. Das größte Problem ist aber in Wirklichkeit, dass die Musik so gemischt ist, dass wir in keine Schublade passen, und das macht die Labelsuche schwer. Für uns war es ein Segen, dass uns Alfred mit Ratpack Records beziehungsweise Green Hell im Hintergrund und Timo mit Green Hell-Booking so gepusht haben. Leider macht Alfred mit Green Hell keinen Großhandel mehr und da ist es schwieriger, das Vinyl abzusetzen. Wir suchen auf jeden Fall noch ein Label fürs Vinyl.
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