DAVID CHAPET

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Metal in Havanna

Über Kuba erfährt man hierzulande vor allem etwas durch Fans des Landes, durch Hasser von Ché Guevara, Fidel Castro & Co. oder durch Klischees aus Reiseprospekten: Rum, Strand, Salsa. Ist man selbst vor Ort, merkt man wieder einmal, wie wenig solche Bilder und Vorurteile mit der Wirklichkeit übereinstimmen – und dass es auch auf der Karibikinsel Musik jenseits von BUENA VISTA SOCIAL CLUB gibt. Im Maxim Rock, dem einzigen Club für härtere Töne in Havanna, erzählte uns David Chapet etwas über Metal und Hardcore auf Kuba und über sein Label Brutal Beatdown Records.

David, wie bist du in Havanna gelandet? Du bist ja kein gebürtiger Kubaner.


Nein, ich bin Franzose und 1996 hierher gekommen. Ich habe damals mit einem französischen Künstler zusammengearbeitet, einem Maler. Wir haben hier Ausstellungen gemacht und eine Doku für einen französischen Fernsehsender gedreht. Ja, und danach bin ich hier hängengeblieben.

Und betreibst jetzt ein Label ...

Ja, Brutal Beatdown Records, und ich organisiere das Brutal Fest, das erste internationale Metal-Festival hier auf Kuba. Mir geht es darum zu zeigen, dass es in Kuba nicht nur Salsa und Rum gibt, sondern eben auch eine große Metal-Szene und ein bisschen Hardcore. Als ich das Label 2007 gründete, sprach niemand von der kubanischen Szene. Ich habe damals CDs von einem französischen Mailorder gekauft und da gab es CDs von Bands aus Australien, Japan, Frankreich, Deutschland, Argentinien – von überall. Aber ich habe keine einzige Band aus Kuba gefunden! Und ich dachte mir: Warum? Es gibt hier so viele Bands und niemand kümmert sich um die, niemand interessiert sich für die. Also habe ich das Label gegründet und begonnen, CDs zu produzieren. Angefangen hab ich mit einer Compilation von zehn kubanischen Metal-Bands. 2010 habe ich das Album von COMBAT NOISE produziert und seither gibt es jedes Jahr zwei oder drei Platten auf Brutal Beatdown.

Wie funktioniert das organisatorisch? Es ist ja hier recht teuer, CDs zu produzieren ...

Wir machen das auch mehr als Promo-CDs. Also die Compilation und das erste Album von COMBAT NOISE waren nur für Promotionszwecke. Aber das war recht erfolgreich. Seit diese beiden CDs rausgekommen sind, wird auch außerhalb von Kuba mehr über kubanischen Metal gesprochen. Das ist für alle Beteiligten gut. Beim ersten Brutal Fest haben wir die Compilation vorgestellt, alle zehn auf der CD vertretenen Bands haben damals gespielt, somit waren alle auftretenden Bands aus Kuba. 2010 haben wir dann sechs Bands aus Frankreich und der Schweiz eingeladen, 2011 kamen sieben Bands aus Frankreich, der Schweiz und England, und 2012 war es noch größer; neben den genannten Ländern waren auch Belgien, die USA und Puerto Rico mit Bands vertreten. Das Festival wächst also jedes Jahr und wird größer und größer. Und es kommen auch immer öfter Anfragen von Bands, die gerne in Kuba auftreten wollen.

Wie sieht die Zukunft des Brutal Fests aus?

2013 würde ich gerne zwei Veranstaltungen machen: eine Sommer- und eine Winter-Ausgabe des Festivals, damit ich alle Bands unterbringen kann, die hier spielen wollen. Mehr als acht kann ich nämlich nicht pro Festival spielen lassen, weil das Ganze ja eher eine Tour ist. Nach dem Festival in Havanna fahren wir noch rum und machen vier oder fünf Konzerte in anderen Städten. Und dafür haben wir nur einen Tourbus, deshalb können nicht mehr Bands dabeisein. Der Austausch zwischen ausländischen und kubanischen Bands ist sehr interessant, aber durchaus für beide Seiten. Ich muss sagen, ich bin sehr stolz auf das Brutal Fest. Es ist einfach das erste internationale Hardcore- und Metal-Fest auf Kuba. Natürlich kamen auch vorher schon Bands, um hier zu spielen. Das Ziel ist, ein international beachtetes Festival zu werden, und da sind wir auf dem besten Weg. 2013 werden voraussichtlich Bands aus Kolumbien, Finnland und Dänemark kommen.

Wie wird das alles finanziert?

Wir bemühen uns um Sponsoren, anders wäre das nicht möglich. Unter anderem unterstützen uns die französische Botschaft, ein Reiseunternehmen oder das Rum-Unternehmen Havana Club. Aber auch die kubanische Regierung übernimmt einen großen Teil der Kosten, etwa für die Location und den Tourbus. Mit diesen Sponsoren schaffen wir das. Na ja, und die Bands müssen die Anreise selbst bezahlen, aber wir handeln sehr gute Preise für sie aus.

Dass es auch Unterstützung von der kubanischen Regierung gibt, könnte Menschen aus Europa etwas erstaunen. Erzähl doch mal ein bisschen über diese Kooperation. Das betrifft ja auch den Club, in dem wir uns gerade befinden, das Maxim Rock.

Das Maxim Rock gibt es seit 2007, die ersten Gigs fanden im August 2008 statt. Die dahinter stehende Cuban Rock Agency fungiert als eine Art Künstleragentur, die derzeit ungefähr 15 Bands in ihrem Katalog hat. Ziel ist es, kubanischen Metal und Rock zu promoten, zuerst natürlich auf Kuba selbst, aber wenn möglich auch außerhalb. Und es geht darum, Bands einzuladen. Seit wir die Cuban Rock Agency gegründet haben, haben ungefähr dreißig verschiedene Bands hier gespielt, die Hälfte davon beim Brutal Fest.

Die Cuban Rock Agency ist eine staatliche Einrichtung?

Ja, die Cuban Rock Agency ist eine offizielle Institution, die zum Kubanischen Musikinstitut gehört, das wiederum beim Kulturministerium angesiedelt ist. Aber alle Leute, die im Maxim Rock mitarbeiten, kommen aus dem Underground. Alle haben in Bands gespielt, selbst Konzerte organisiert, Musik produziert und so weiter. Also kann man sagen, es ist eine staatliche Einrichtung, die aber von Privatleuten betrieben wird. Alle hier sind Metalheads!

Könnt ihr da machen, was ihr wollt, oder reden euch eure Geldgeber rein?

Wir können machen, was wir wollen. Es ist hier eigentlich genauso, wie das in anderen Ländern auch abläuft. Leute kommen her, um sich Konzerte anzusehen, es geht nicht um Politik oder so was, und deshalb können wir tun, was wir wollen. Für uns ist es okay, wie es läuft, für die Bands und für die Leute, die herkommen, ist es auch okay. Und was den Wachmann unten beim Eingang betrifft: es ist in Kuba üblich, überall Sicherheitsleute rumstehen zu haben.

Wie oft gibt es hier Konzerte?

Jede Woche von Donnerstag bis Sonntag wird hier Livemusik gespielt, Freitag und Samstag sind die Hardcore- und Metal-Abende. An den anderen Tagen spielen Rock- oder Progressive-Bands. Es ist nach wie vor der einzige Club in Havanna, wo man solche Konzerte hören kann. Sonst gibt’s überall nur Salsa oder Reggeaton und solche Sachen.

Und im restlichen Kuba?

Es gibt schon überall was, aber vor allem kleine Festivals in den Sommermonaten. Konzertlocations oder Clubs wie diesen hier gibt es kaum. Rockmusik wird immer noch von vielen als böse Musik gesehen, aber das gibt es ja überall auf der Welt. Es ist eben Underground-Musik für Leute aus dem Underground!