Das Ox-Sportstudio

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Pingpong oder Tischtennis, das ist hier die Frage

Der eine oder andere Leser wird sich noch dunkel daran erinnern, wie er zu Schulzeiten – dem Gruppenzwang folgend – in den Hofpausen mit einem Dutzend anderer Schüler immer rund herum um eine Steinplatte gelaufen ist und mit der bloßen Hand versucht hat, diese kleine Zelluloidkugel zurückzuschlagen. Dass Tischtennis aber viel mehr zu bieten hat, erzählt uns Marco Fragner im Interview, während im Hintergrund „The Ping Pong EP“ von SNFU läuft.

Marco, seit wann spielst du Tischtennis und wie bist du dazu gekommen?


Einen Tischtennisschläger hatte ich mit zehn zum ersten Mal in der Hand. Damals kam ich aufs Gymnasium und dort stand ein Tischtennistisch in einem der Aufenthaltsräume. Meine SchulkollegInnen und ich spielten so oft, wie es nur ging. In jeder Pause, auch wenn diese nur fünf Minuten lang war. Manchmal waren wir über zwanzig Kinder und machten einen Rundlauf, was natürlich großen Spaß gemacht hat. Das Ziel war damals, den Ball irgendwie über das Netz zu bekommen, ohne einen Fehler zu machen. Ein paar Monate später haben meine Freunde mit dem Training im Verein begonnen. Nicht lange danach tauchte auch ich dort auf. Ich hatte mitbekommen, wie schnell meine Freunde besser wurden, und ich wollte ihnen um nichts nachstehen. Durch das regelmäßige Training merkte ich bald, dass Tischtennis viel mehr ist, als nur den Ball auf die Platte zu bekommen. Bald stellten sich Erfolge ein, die Grundschlagarten wie Unterschnitt, Topspin oder Block konnte ich in mein recht dürftiges Schlagarsenal integrieren und sie wurden stetig verbessert. Mit der Zeit wurde ich in die Nachwuchsmannschaft aufgenommen und wir bestritten viele Spiele gegen Gleichaltrige. Einige davon spielen heute noch und man kennt und begegnet sich nicht selten bei Turnieren oder Meisterschaftsspielen.

Was macht für dich den besonderen Reiz dieser Sportart aus?

Das Faszinierende an diesem Sport ist für mich nicht unbedingt die Geschwindigkeit, sondern vielmehr die schier unerschöpflichen Möglichkeiten, dem Ball Rotation mitzugeben und die Bälle auf der gegnerischen Tischhälfte so zu platzieren, dass mein Gegenüber Schwierigkeiten hat, den Ball im Spiel zu halten. Tischtennis ist zwar der schnellste Rückschlagsport der Welt [„Badminton ist deutlich schneller“; der neunmalkluge Tipper] und einen schnellen, platzierten Topspin spielen zu können, ist mit Sicherheit kein Nachteil, aber dafür muss man zuerst die Rotation des Balles lesen können, was für mich die mit Abstand größte Herausforderung darstellt. Für Leute, die Tischtennis „nur“ aus dem Fernsehen kennen oder im Urlaub auf einer Steinplatte den Ball über Netz schlagen, scheint es oft so, als ob die Geschwindigkeit der ausschlaggebende Faktor sei. Je schneller und härter der Ball geschlagen wird, desto besser. Ich sehe das etwas anders. Da die Reaktionszeit im Tischtennis nur ein sehr kleines Zeitfenster bietet, ist es für den oder die Gegner nur sehr schwer zu erkennen, mit welcher Rotation der gerade gespielte Ball auf ihn beziehungsweise sie zukommt. Gleichzeitig muss dann dieser Ball ebenso gut wieder zurückgespielt werden, ohne einen Fehler zu machen oder den Gegner in eine gute Ausgangslage für den Punktgewinn zu bringen. Dafür ist eine ausgeprägte Augen-Hand-Koordination von großem Vorteil. Viele der Schläge sehen im ersten Moment von der Bewegung her ziemlich gleich aus. Aber eine minimale Veränderung des Balltreffpunktes oder des Winkels vom Handgelenk können dem Ball eine ganz unterschiedliche Rotation verleihen. Wenn man da nicht ganz genau aufpasst, landet der Ball irgendwo.

Kam für dich nie eine Mannschaftssportart in Betracht?

Im Laufe der Jahre konnte ich mehrere Mannschaftssportarten wie zum Beispiel Fußball oder Basketball ausprobieren. Vor allem in der Schule waren diese Sportarten sehr populär und ich finde sie nach wie vor sehr attraktiv. Auch im Berufsleben halte ich mich für einen ausgesprochenen Teamplayer. Jedoch kann ich in einem Einzelsport alles mit mir selbst ausmachen – es hängt auch gleichzeitig alles an mir. Ich treffe schnell Entscheidungen, von denen abhängt, wie der nächste Ball höchstwahrscheinlich wieder zurückkommt. Auch kann ich durch gute Schläge – oder auch Fehler – schneller lernen oder den Spielzug umstellen, ohne mehrere Personen dafür zu informieren. Es ist wahrscheinlich um einiges leichter, einen Fehler bei jemand anderem zu suchen, als bei sich selbst. Das fällt bei einer Einzelsportart eher weg. Vor allem beim Tischtennis kommt es hauptsächlich auf den Kopf an. Wenn ich mich gut konzentrieren kann und fokussiert bleibe, läuft vieles von selbst. Sobald ich aber anfange, mich durch Kleinigkeiten ablenken zu lassen, wird es komplizierter. In einem Mannschaftssport kann schon mal ein Spieler einen schlechten Tag erwischen oder für eine Weile unkonzentriert sein, ohne dass es gravierende Auswirkungen hat. Ein weiterer Punkt, den ich an einer Einzelsportart und im Speziellen an Tischtennis sehr schätze, ist die Tatsache, dass ich ohne großen Aufwand im Training exakte Spielzüge ausprobieren kann, welche in Wettkämpfen genauso passieren werden.

Welche Bands laufen auf deiner Anlage, wenn du dich für Wettkämpfe oder Turniere motivieren willst, und welche hörst du zur Zeit am liebsten?

Es gibt keine Bands, die ich mir speziell vor einem Wettkampf oder einem Turnier anhöre. Was mir im Moment gefällt, wird aufgedreht. Oft geht mir dann eines der zuletzt gehörten Lieder auch während der Matches nicht mehr aus dem Kopf. Das ist für mich nicht wirklich störend – ganz im Gegenteil. Es hilft mir dann, mich zu fokussieren und mich von der Umgebung nicht ablenken zu lassen. Es pusht mich auch kein schneller Song stärker als ein ruhiger oder langsamer. Aktuell laufen GRAY MATTER „Food for thought“, BAD AMERICAN „American dream“, BIKINI KILL „Revolution girl style now“, BIG UPS „18 hours of static“, JUCIFER „If thine enemy hunger“, STRANGE WILDS „Subjective concepts“, Argyle Goolsby „Saturnalia of the accursed“ und viele mehr. Derzeit überkommt mich aber immer öfter die Sammelleidenschaft und es kann gut vorkommen, dass ich zu viele LPs kaufe, ohne die Zeit zu haben, diese richtig durchzuhören.

Siehst du im Sport im Allgemeinen und bei euch im Speziellen eine gute Möglichkeit, Flüchtlingen und Asylbewerbern den Start in unserer Gesellschaft zu erleichtern?

Ich bin generell der Meinung, dass Sport eine gute Plattform darstellen kann, Menschen zusammenzubringen. Ob jung, alt, mit Beeinträchtigung, AsylbewerberInnen, Flüchtlinge ... Das spielt für mich keine Rolle. Wichtig ist es, dass sich Menschen ohne Vorurteile aufeinander einlassen können. Im Fall von Flüchtlingen und AsylbewerberInnen sehe ich schon großes Potenzial, dass der Sport ein gutes Sprungbrett in die Gesellschaft sein kann. Aber gleichzeitig und gleichwertig es ist auch umgekehrt eine Chance für die bestehende Gesellschaft, sich Neuem und Unbekanntem zu öffnen. Ein gegenseitig aufeinander zukommendes und verständnisvolles, respektierendes Miteinander kann jedem Menschen nur von Vorteil sein. Ich sehe es in unserem Verein. Der Sport an sich ist vordergründig der Grund, warum wir uns mehrmals die Woche treffen. Aber vor allem die Gespräche, das miteinander Lachen, über Alltägliches quatschen und nach dem Training noch zusammensitzen – das ist, wenn ich ehrlich bin, eigentlich das Wichtigste. In unseren Verein sind bis jetzt keine Flüchtlinge gekommen. Wir würden sie aber mit Sicherheit mit der gleichen Art empfangen, wie wir es mit anderen Leuten tun, die neu zu uns kommen. Da kann Tischtennis ein gute Verbindung herstellen. Damit man mit dem Spiel starten kann, braucht es nicht viel – es ist nicht wirklich kompliziert zu erklären, es gibt nur ein paar Regeln und man braucht nicht mal einen Schläger oder Ball, da wir immer ein paar davon auf Reserve in unserem Spind haben. Ohne dass man es merkt, kommuniziert man miteinander, und wenn es mit Händen und Füßen ist, ganz egal, man lacht, es wird erklärt, man macht weitere Termine fürs Training aus. Kurz gesagt, man lernt sich gegenseitig kennen und schätzen.