DAN ANDRIANO

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Die Solo-Falle

Wer A sagt, muss auch B sagen. Im Falle von Dan Andriano und seinem neuen Werk „Dear Darkness“ bedeutet das, dass er nicht nur nach seinen Vorstellungen eine Platte produzieren darf, sondern auch allein die Promo dafür stemmen muss, bevor es demnächst wieder mit ALKALINE TRIO ins Studio geht.
Je nach Persönlichkeit können die Fragen, ob es Freude bereitet ein Solo-Album aufzunehmen und ein Solo-Künstler zu sein, zu grundverschiedenen Ergebnissen führen. Wenn man sich wie Andriano normalerweise in einem Bandkontext bewegt, kann das eine befreiend sein, während das andere Angst bereitet. Zum Beispiel nimmt einem niemand die lästige Sache mit den Interviews ab. „Dieser Solo-Scheiß ist echt für die Tonne“, amüsiert sich Andriano, der augenscheinlich mit seiner Rolle ringt. „Ich mag es, Solo-Platten zu machen. Aber wenn die Veröffentlichung dann ansteht und die Tour bald losgeht, überkommen mich Angstzustände. ALKALINE TRIO kann man jetzt auch nicht als gut geölte Maschine bezeichnen, aber wir wissen nach gut zwanzig Jahren, wie das Ding zu bedienen ist. Jetzt gebe ich Interviews, bereite eine Tour vor – es lastet viel auf meinen Schultern. Aber es ist eben auch aufregend, deswegen bleibe ich aktiv. Trotzdem macht es mich oft fertig.“

Auf „Dear Darkness“ adressiert Andriano die Dunkelheit, aber an sich nur, um sich von ihr zu verabschieden – man hat sich auseinandergelebt. „Warum habe ich mich nicht um mehr positive Energie bemüht? Stattdessen habe ich jahrelang nach der dunklen, negativen Seite gesucht und die ist wirklich nicht schwer zu finden. Es dauert nicht lange, bis man depressiv und ausgebrannt ist, wenn man sich in ihr verliert“, sinniert Andriano. Als von Grund auf fröhlich würde er die Platte aber nicht bezeichnen. „Sie ist hoffnungsvoll. Bei vielen Songs bilden die Sorgen den Grundstein, um mir nahestehende Menschen wie auch um mich selbst, aber von dort aus reite ich eben nicht auf der Welle der Traurigkeit, sondern suche nach dem Ausweg.“

Wird ein eher hoffnungsvoller und glücklicherer Bassist denn nicht das morbide Image von ALKALINE TRIO stören? „Klar kann man uns als düster bezeichnen – das ist unsere Art mit den Dingen umzugehen – aber wir befassen uns mit den Dingen auf eine kathartische Art und Weise. Wir lassen alles raus und dann gehen wir auf Tour und haben Spaß“, rückt Andriano das Bild seiner Band zurecht. Nach kurzem Überlegen muss er aber doch relativieren: „Natürlich bin ich mir des Zwiespalts bewusst: Als Amerikaner kann man nie behaupten, alle Sorgen für immer hinter sich gelassen zu haben, das wäre lächerlich. Mir geht es um persönliche Entscheidungen und darum, wie man sich selbst entwickelt.“