"Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom" - so Albert Einstein. Und hätte ich mich daran gehalten, so hätte ich wohl nie im Leben meinen bisherigen Geheimtip des Jahres entdeckt - die DAMN SEAGULLS. Denn hätte man mir ihr brillantes "Soul Politics"-Album quasi im Vorbeigehen vorgespielt, hätte ich nach den ersten Tönen des Openers in feinster Homer Simpson-Tradition "laaaaangweilig" gebrüllt. So aber sah ich mich geradezu genötigt, mich mit diesem Album auseinander zu setzen, eine der besseren Entscheidungen dieses Jahres. Denn, was diese Jungspunde auf ihrem zweiten Album an Melodien und Soul verarbeiten, weckte das unbändige Verlangen da mal persönlich nachzuhaken. Sänger und Gitarrist Lauri Eloranta stellte sich den Fragen.
Wie schaut es mit den Eckdaten der Band aus, wer, wie, wann, warum?
Wir haben im Alter von 13, 14 Jahren als Trio angefangen, natürlich gab es über die Jahre auch Umbesetzungen, sowohl Niko, Piano und Saxofon, als auch unser Basser Olli waren vorher jeweils unsere Fahrer. Grundsätzlich ist es aber so, dass wir das Glück hatten, immer Leute in die Band aufnehmen zu können, die uns schon vorher recht nahe standen, so haben wir immer noch den gleichen Spirit und dieselbe Verbundenheit oder Freundschaft in der Band wie vor zehn Jahren.
Wie kommt es eigentlich, dass ihr trotz eurer Jugend schon einen eher klassischen Rock Sound darbietet, der an MONEYBROTHER, THE HOLD STEADY oder Paul Westerberg erinnert?
Ich glaube immer noch daran, dass die Leute da draußen einfach ehrliche Musik brauchen, die sich eben nicht an die aktuellen Trends - oder noch Schlimmeres - anbiedert. Auch wenn sie es vielleicht gar nicht bewusst wahrnehmen. Aber du hast Recht, grundsätzlich haben wir mit den von dir genannten Namen schon etwas gemeinsam, besonders MONSTER, die frühere Band von MONEYBROTHER hat uns schwer beeindruckt, und ihn selbst mögen wir natürlich auch. Aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich bisher noch nichts von Paul Westerberg kenne ...
Und was würdest du selber als musikalische und textliche Einflüsse bezeichnen?
Musikalisch muss ich zugeben, dass da wohl die E STREET BAND, THE CLASH und die AFGHAN WIGS an erster Stelle stehen. Auf unseren früheren Werken kann man auch noch RANCID und ROCKET FROM THE CRYPT heraushören. Generell gilt, dass wir uns viele verschiedene Arten von Musik anhören und als Band auch gerne neues wagen und ausprobieren. Auf die Lyrics bezogen kann ich das gar nicht so genau sagen, aber ich schätze Bruce Springsteen, Tim Armstrong und Greg Dulli als Texter sehr.
Ein Detail interessiert mich allerdings: "Quality people" hat mich vom Text her direkt fasziniert, es geht darum, das man halt eben nicht wie all diese anderen Typen sein will, die mit ihrer Frau oder ihrer Karriere angeben. Ist dieser Text für dich etwas Besonderes?
Nicht direkt, aber seit wir diese Nummer komponierten, war irgendwie klar, dass das Ganze ein wenig sarkastisch, wenn nicht sogar "naiv" rüberkommen sollte. Also habe ich ein paar Zeilen eingebaut, die es ein wenig auflockern, dass das Ganze nicht nur in Schwarz/Weiß dargestellt wird. Und weißt du was? Das regt manche Menschen ganz schön auf, weil sie nicht wissen, ob man das jetzt todernst meint oder nicht. Und ganz ehrlich: Ich weiß es auch nicht hundertprozentig und will das wahrscheinlich auch gar nicht. Ich denke nicht allzu viel über das nach, was ich schreiben möchte, sondern lass es irgendwie aus mir rauskommen und schau dann hinterher, ob und was für eine Bedeutung dahinter steckt.
Eine eher unorthodoxe Arbeitsweise ...
Klar, aber mir sind der Ausdruck und mein Gefühl oftmals wichtiger als der Inhalt. Und ich bin der festen Ansicht, dass das bei den Hörern einen viel größeren Bezug herstellt.
Auf diese Ansicht scheint auch ein Zitat aus eurer Bio zuzutreffen: "They are punk enough not to get stuck just playing punk."
Wie definierst du selbst denn Punk?
Für mich drehte sich Punk immer darum, sein eigenes Leben zu führen und zu verbessern. Als ich das erste Mal GREEN DAY, RANCID oder meinetwegen auch NIRVANA gehört habe, hat das mein Leben verändert. Denn nach dem ganzen METALLICA-Kram oder irgendwelchen anderen technisch hervorragenden Gitarristen machte mir das sofort klar: "Hey, genau das kann ich auch!" Und ich bin der Ansicht, dass wir genau mit diesem Spirit weitermachen. Wir sind ganz bestimmt nicht die besten Musiker, aber gemeinsam sind wir in der Lage, etwas ganz Besonderes zu erschaffen.
Wenn man sich euren Erfolg in Finnland ansieht, scheint da was Wahres dran zu sein...
Eine Woche in den Charts macht noch lange keinen Rockstar aus dir! Wir haben zehn Jahre gelebt, gelernt und an uns gearbeitet. Von daher war das nur einer von vielen Schritten, aber ein verdammt schöner. Wir sind eher für die Politik der kleinen Schritte, ich behaupte sogar, dass, wenn du irgendeine Abkürzung nehmen würdest, du vieles, was wichtig ist, einfach nicht mitkriegst. Und umso tiefer und härter fällst du dann.
Eine letzte Frage: Wer säuft mehr, die Finnen oder die Schweden?
Um diese Frage zu beantworten muss man nicht unbedingt Einstein heißen - die Finnen natürlich!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #78 Juni/Juli 2008 und Tom Küppers
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