Ihr kennt das: Konzert! Aber wohin mit der Jacke und dem ganzen Scheiß, also einfach Rucksack vollstopfen, auf den Rücken damit, total praktisch. Und ja, dann im engen Club die Leute hinter sich in den Wahnsinn treiben ...
Dafür
Sind Rucksäcke auf Konzerten ein Ärgernis? Schon alleine die Frage lässt mich nur Mitleid für den Fragenden empfinden. Gibt es eine Obergrenze für eingenommenes Raumvolumen pro Besucher*in auf Konzerten? Was kommt als Nächstes? Keine Fetten mehr auf Shows? Keine Springerstiefel mehr, damit deine Zehen nicht so weh tun, wenn dir jemand auf deine Vans Slip-Ons tritt? Wer Rucksäcke als Anlass für eine Beschwerde nimmt, der gibt zusammen mit seiner Jacke auch noch das letzte bisschen Würde an der Garderobe ab. Dann kauf dir doch direkt ein Sitzplatzticket für FEINE SAHNE FISCHFILET in der Westfalenhalle! Punk-Konzerte gleich Business Class mit Ohrensessel? Außerdem: Nicht jeder kann oder will mit dem Auto zum Konzert kommen oder wahlweise drinnen wie ein Elch schwitzen oder sich draußen kaputt frieren. Rucksäcke sind Grundausstattung ÖPNV-nutzender Menschen und Basislager für im Rudel ausgehende Jungpunks. Und besser, deren Jacken liegen im Rucksack als verstreut vor und auf der Bühne. Und wer ohne saturierten Mittelschichtsjob kauft schon teures Wasser im Club? Also Reservefläschchen! Ein Rucksack als Pufferzone und Haltegriff beim Pogen ist auch praktisch. Und ich werde lieber an ein trockenes Stück Stoff als an einen verschwitzten nackten Oberkörper gedrückt. Aber immer die zwei goldenen Regeln befolgen: In einen Konzertrucksack gehört kein Glas (zu gefährlich!) und kein Vinyl (denk mal nach!). Wer sich seinen letzten Tropfen selbstempfundener Rebellion beim Streamen von Punk- und Hardcore-Konzerten aus den Achtzigern auf YouTube und dem Abstauben seiner Plattensammlung aus den Geheimratsecken herauspresst, soll entweder zu Hause bleiben oder seinen altersentsprechenden Platz im Konzertraum finden – hinten oder seitlich, weg vom Getümmel. Da stehe ich in letzter Zeit auch öfter. Damit die Rucksackjungspunde mir nichts von meinem teuren Wasser verschütten.
Daniel Schubert
Dagegen
Es ist schon mysteriös, denn was braucht man, um ein Konzert einigermaßen heil zu überstehen? Hat man keine schlimmen gesundheitlichen Einschränkungen, die eine sperriges Atemgerät oder Spritzen erfordern, und keinen ausschließlich zu Fuß zurücklegbaren mehrstündigen Heimweg und somit keinen Bedarf an Wechselklamotten, wäre das eigentlich überschaubar. Schlüssel, Geld, Eintrittskarte und Handy. Surprise, – passt dann alles in die Hosentaschen oder von mir aus auch in einen Brustbeutel, wenn es unbedingt sein muss. Der Rucksack ist dein Freund, wenn es um Wanderungen oder Kurztrips geht. Abgesehen davon fällt mir kein Outfit ein, das durch einen Rucksack erst verschönert oder gar komplettiert wird. Sind das etwa die Nachwirkungen eurer Helikoptereltern, die euch für eine halbe Stunde auf dem Spielplatz drei Laugenstangen und einen Liter Wasser mitgegeben haben? Ist das die Angst vor der zweifelsohne anstehenden Zombie-Apokalypse? Es ist zumindest ein Grund, warum Einlasskontrollen länger dauern als nötig. Macht bestimmt auch tierisch Bock, sich als Zuständiger durch den ganz unnötigen Nippes zu wühlen. Leider scheint es auch ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass Leute mit Rucksäcken meistens über sehr eingeschränktes Körpergefühl verfügen. Oder wie ist es sonst zu erklären, dass die Reißverschlüsse deines Multifunktionsrucksacks durch mein Gesicht ratschen und mir den vollen Becher aus der Hand fegen, während du enthusiastisch dem Aufruf „Jump, motherfuckers!“ der Band folgst? Dem möchte ich gerne „Ich stehe direkt hinter dir, Motherfucker“ hinzufügen. Wenn du dich also nicht gerade auf einem Roadtrip befindest und nur zufällig zum Konzert gekommen bist, lass doch bitte dein Marschgepäck daheim. Außerdem trägt man Rucksäcke nicht mit beiden, sondern lässig mit einem Gurt. Liebe Grüße aus der guten, alten Zeit, in der man dafür verprügelt worden wäre.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #149 April/Mai 2020 und Nadine Schmidt