Das Friseur-Duo THE CUTTHROAT BROTHERS, bestehend aus Jason Cutthroat (voc, gt) und Donny Paycheck (dr), veröffentlichte Ende 2021 das neue Album „Devil in Berlin“ – sicher ein Zufall, dass ihr Label in dieser Stadt ansässig ist. Verstärkung holten sich die beiden für den Nachfolger zu „Taste For Evil“ (2019) in persona von Mike Watt, der aufgrund seiner Bands MINUTEMEN und fIREHOSE und zahlreicher anderer Engagements wie bei THE STOOGES eine Legende an diesem Instrument ist. Wir wollten wissen, wie es ist, mit so einer Legende zu arbeiten.
Welche Mike Watt-Songs feiert ihr und warum?
Jason: „Paranoid chant“ von MINUTEMEN, das ist auf der „Paranoid Time“-EP von 1980. Diese EP ist so verdammt gut! Mehr Bands sollten sich daran orientieren und sieben Songs in sieben Minuten aufnehmen, haha. „Paranoid chant“ ist als Song einfach perfekt. Das Erste, was du hörst, ist, wie Brother Watt mit Vollgas loslegt, der Sound ist rauh und aggressiv und D. Boon schreit: „I try to work but I keep thinking of World War 3!“ Du weißt, dass sie nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt sind wie andere Bands im Jahr 1980, ganz und gar nicht. Der Bass-Sound und die Art, wie Brother Watt mit dem Schlagzeug zusammenspielt, das ist beeindruckend. Ich bin so glücklich, jetzt Mike Watt und Donny Paycheck auf unseren Alben zu haben, das haut mich jedes Mal um. Beim Hören der alten MINUTEMEN-EP fällt auch auf, dass Mike Watts Spiel im Laufe der Zeit kein Stück an Härte verloren hat. Er ist eher noch aggressiver und brummiger als je zuvor und das gefällt mir. Noch ein Watt-Favorit von mir ist „Sometimes“ von der 1987er fIREHOSE-LP „If’n“. Achte auf den Drum-and-Bass-Breakdown in diesem Track an, wie catchy der ist. Das ist auch das erste Stück mit Brother Watt, das ich je gehört habe. Die Scheibe habe ich damals geklaut in der Mall bei mir um die Ecke. Ich war auch mal wegen Ladendiebstahl im Knast, aber das ist eine andere Geschichte. Ich bin froh, dass es bei diesem Album geblieben ist. Ich hätte mir sicher nicht vorstellen können, dass ich später einmal selbst mit Mike Watt Musik machen würde, bitte kneif mich mal jemand. Verglichen mit den ersten MINUTEMEN-Aufnahmen kann man auf „If’n“ tatsächlich bereits eine größere Raffinesse heraushören. Ich habe eine Schwäche für großartige Hooks, ob textlich oder musikalisch, und Watts Bass macht diesen Track zum absoluten Ohrwurm.
Wie ist es, mit Mike aufzunehmen?
Jason: Es gibt eine Nummer, „Wild western“, die es fast nicht auf das Album geschafft hätte, aber dank Brother Watt jetzt eines meiner Lieblingsstücke ist. Irgendetwas hatte nicht gestimmt, nachdem Donny und ich die Basic Tracks dafür gemacht hatten. Als Bruder Watt mit seinen Parts an der Reihe war, sagten wir: „Lass ‚Wild western‘ aus, der wird nicht auf das Album kommen.“ Und er meinte: „Mir ist klar, dass ihr nicht um dem Bass für ‚Wild western‘ gebeten habt, aber ich mochte das Stück einfach so sehr. Es hat mich ein bisschen an HAWKWIND erinnert, als Lemmy da noch spielte ... ich habe ihn ein paar Mal getroffen und er war einfach der Beste, ein super netter Typ.“ Donny und mir fielen die Kinnladen runter – und natürlich hat Brother Watts Beitrag alles miteinander verbunden, was nicht zusammenpasste, und jetzt liebe ich dieses Lied.
Donny: Mit Mike an „Devil In Berlin“ zu arbeiten, fühlte sich für mich an wie Weihnachten. Jeder neue Basstrack, den er uns schickte, gab den Songs eine Richtung, die nur er sich so hatte vorstellen und umsetzen können. Die Basslinien auf „Devil In Berlin“ sind eine Meisterleistung in Sachen Jazz/Punk/Alternative. „Been away“ hat einen unglaublichen Pop/Punk/Rockabilly-Vibe, der den Song musikalisch vorantreibt, und in „Love drugs etc.“ spielt er buchstäblich ein Bass-Solo. Immer wenn ich diese Tracks höre, muss ich von Ohr zu Ohr grinsen.
Wann habt ihr Mike das erste Mal getroffen?
Donny: Ich habe Mike zum ersten Mal in L.A. getroffen, zusammen mit Pete Weiss von THELONIOUS MONSTER, damals A&R bei Epitaph. 1996 kamen sie zu einer Show meiner früheren Band ZEKE irgendwo auf dem Hollywood Boulevard. Nach dem Auftritt hing ich mit Mike und Pete ab und unterhielt mich ausgelassen über Musik und übers Saufen. Am nächsten Tag rief Pete mich an und fragte, ob wir uns das Epitaph-Büro ansehen wollten. Er betonte: „Wir wollen euch nicht unter Vertrag nehmen, wir wollen euch nur herumführen.“ Also gingen wir zu Epitaph, um uns mit ihm zu treffen. Er stellte uns Brett Gurewitz vor, der uns seinen 69er Camaro zeigte, und sagte, wir sollten doch einen Song darüber schreiben. Das diente später übrigens als Inspiration für „Twisted“. Pete erzählte mir, dass Mike ihm gesagt hatte, er solle uns unter Vertrag nehmen.
Wie kam Mike dazu, auf eurer Platte Bass zu spielen?
Donny: 2018 hat Mike in seinem Podcast „Watt from Pedro“ ein Interview mit uns über die Debüt-LP geführt und bemerkt, dass wir keinen Bassisten haben, und hinterher hat er uns gefragt, warum das so ist. Während wir nach einer Erklärung suchten, fragte Jason direkt: „Bietest du dich an?“ Ohne weiter darüber nachzudenken, sagte er „Ja“ und wir sahen uns an, als ob er das nicht gesagt hätte. Ich dachte auch eigentlich, dass er nur nett sein wollte und sowieso nichts daraus wird. Aber er und J. blieben in Kontakt. Als wir unsere Aufnahmen für „Taste For Evil“ beendet hatten, schickten wir die Tracks an Mike. Dann passierte etwas, womit keiner gerechnet hat. Er ergänzte die Bass-Spuren und schickte uns die fertigen Tracks, aber sie landeten im Spam-Ordner. Wir hatten keine Ahnung, dass er sie uns gemailt hatte, und weil wir ihn nicht weiter bedrängen wollten, veröffentlichten wir die Platte ohne Bass. Als wir es bemerkten, dass die Tracks im Spam gelandet waren, war es zu spät. Zuerst hatten wir die Idee, einige der Songs auf einer limitierten 10“ rauszubringen, aber es erschien uns als Verschwendung, den Leuten den Rest vorzuenthalten, also veröffentlichten wir „The King Is Dead“ letztes Jahr zum Record Store Day mit einem tollen Raymond Pettibon-Cover.
Gibt es Zukunftspläne?
Donny: Im Moment sind wir gerade dabei, eine weitere Platte mit Mike aufzunehmen, und es ist wieder wie Weihnachten.
Jason: Ja, es wird immer besser und macht jedes Mal mehr Spaß. Er ist eine verdammte Legende und der netteste Typ überhaupt.
Noch eine Watt-Story zum Schluss?
Jason: Brother Watt verblüfft uns immer wieder mit seinen unglaublichen Geschichten. Als wir ihn zum zweiten Mal für seinen Podcast getroffen haben, hat er uns die Story erzählt, wie er zu den STOOGES gekommen ist. Er wurde gebeten, für den Film „Velvet Goldmine“ in einer Punkrock-Supergruppe zu spielen mit Thurston Moore und Steve Shelley von SONIC YOUTH, Ron Asheton von THE STOOGES, Mark Arm von MUDHONEY und Don Fleming. Als die STOOGES später beschlossen, wieder zusammenzukommen, holte Ron Asheton Mike Watt in die Band. Sie fragten: „Willst du eine Show spielen?“ ... Die Show war das Coachella. Ein Festival mit wie vielen zehntausend Zuschauern bei deinem ersten Auftritt mit einer Band?! Anscheinend hatte Watt die Grippe oder so was und es gab noch eine Vitaminspritze in den Po, kurz bevor THE STOOGES die Bühne enterten und mit „TV eye“ loslegten. So jedenfalls hat er es uns erzählt, wenn ich mich recht erinnere. Ich meine, wem ist so was schon passiert?! Nur Mike Watt!
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