Auweia, wenn schon mal zwei solch hochgradig verschnapselten Supernasen von Hobbyjournalisten versuchen, ein Interview mit einer sich auf Tour befindlichen Band zu arrangieren, dann muss dieses Unterfangen ja fast zwangsläufig und beinahe im totalen Chaos verenden! Wobei die Idee, den ursprünglichen Termin für einen Sonntagnachmittag um 14 Uhr (und obendrein noch Folgetag des Moloko Plus-Festivals) zu vereinbaren, in puncto niedlich-naiver Selbstüberschätzung unsererseits auch nur schwerlich zu toppen sein dürfte. Tourmanager Kai, der meine schwerzüngig dahergelallte Last-Minute-Absage zwar wohl mit leichtem Zähneknirschen zur Kenntnis nahm, war aber immer noch cool und freundlich genug, uns einen Alternativtermin am Abend des 03. Dezember, kurz bevor die „süßen Aussätzigen“ als Support für die ADICTS im Berliner Kesselhaus auftreten sollten, klar zu machen.
Dass wir es dann natürlich auch hier fertigbrachten, uns um eine halbe Stunde zu verspäten, setzte zwar der Peinlichkeit das Sahnehäubchen auf, aber trotzdem stand uns schließlich ein ausgesprochen entspannter und liebenswerter Steve E Nix, seines Zeichens Sänger, Gitarrist und Mastermind der Band, geduldig Rede und Antwort. Ach ja, wer es tatsächlich noch nicht mitgekriegt haben sollte: Die CUTE LEPERS aus Seattle, Nachfolgeband der famosen BRIEFS, sind die wohl mit Abstand brillanteste ’77-Punk-beeinflusste Mod-Revival-Kombo der Gegenwart und jede einzelne ihrer Veröffentlichungen unterliegt mal definitiv allerstrengster Kaufpflicht!
Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass das Jahr 2009 ein mehr als turbulentes für die CUTE LEPERS war: Zuerst wurde „Can’t Stand Modern Music“ von irgendeinem obskuren „Independent Music Award“ als bestes Punk-Album ’08 ausgezeichnet, dann verstarb euer Gitarrist Travis auf tragische Weise und jetzt seid ihr wieder auf Tour, mit einer brandheißen Scheibe im Gepäck, die allerorten begeisterte Kritiken einheimst. Wie sieht dein persönliches Resümee aus?
Nun, grundsätzlich entspricht es meiner Einstellung, mich immer genau auf das zu konzentrieren, was gerade vor mir liegt. Ich bin jetzt schon seit einer halben Ewigkeit Musiker und ich liebe einfach nur das, was ich tue – ich liebe Punkrock! Unser erster Gitarrist Zack verließ leider die Band, da er nach L.A. zog. Für eine ziemlich lange Zeit fehlte uns also ein fester zweiter Gitarrist, ich spielte sämtliche Gitarren auf der ersten Scheibe alleine ein und auf Tour engagierten wir einfach aushilfsweise ein paar Leute, bis schließlich Travis einstieg. Das war kurz vor unserer Europatour mit den BUZZCOCKS, die im Übrigen absolut großartig war! Die BUZZCOCKS spielten ausschließlich ihre ersten beiden Platten von vorne bis hinten durch und wir hatten einen unglaublichen Spaß miteinander. Hey, ich meine, das ist meine Band und zwar die Band, in der ich für den Rest meines Lebens spielen möchte, schließlich werde ich ja nun auch nicht mehr jünger und ich will einfach nur Musik machen, also scheiß drauf, ich ziehe einfach mein Ding durch. Aber natürlich will ich auch feste Mitglieder um mich herum haben, die ihren Teil dazu beisteuern. Na ja, nach der Tour mit den BUZZCOCKS ging es jedenfalls zurück in die USA, wo wir auch gleich wieder mit den QUEERS unterwegs waren und dort starb Travis plötzlich. So etwas Krasses ist mir noch nie widerfahren. Klar sind mir im Laufe der Jahre schon einige geliebte Menschen verstorben, aber ich musste noch nie erleben, dass ich eines Morgens aufwache und neben mir liegt mein Freund und ist tot.
Was für eine verdammte Schande, der Kerl war ja schließlich auch erst 24.
Ja und er hatte wirklich „the time of his life“ während der Tour und für uns alle war klar, dass er unser neues festes Bandmitglied sein würde. Das war das, was er für immer tun wollte, doch traurigerweise traf er diese furchtbar dumme Entscheidung und schluckte in Kombination mit Alkohol einige Pillen.
Auf der Internetseite des Useless-Fanzines las ich, dass du ja auch eine Drogenvergangenheit hinter dir hast. Wie denkst du heute darüber?
Ich habe jetzt seit zehn Jahren keine Drogen mehr angerührt, aber es stimmt, ich war ein Junkie und auch ständig im Knast wegen diesem Mist. Heute will ich aber nur noch Musik machen, was mir auch deutlich besser bekommt. Aber solange man mit Rock’n’Roll zu tun hat, muss man sich natürlich auch im Klaren darüber sein, dass man immer mit Typen zu tun haben wird, die saufen und Drogen einwerfen, doch ich würde niemals mit Leuten zusammenarbeiten, die ernsthaft süchtig sind. Bei Travis war es einfach ein Unfall, ich hätte ihn keinesfalls mitgenommen, wenn er ein Problem in der Hinsicht gehabt hätte. Generell versuche ich mich so gut es geht von Leuten, die mit Drogen zu tun haben, fernzuhalten, was aber nahezu ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Und was hat es mit diesen sonderbaren „Independent Music Award“ auf sich? Hat euch der in irgendeiner Art und Weise geholfen?
Nicht im Geringsten! Ich meine „best punk record“, „Independent Music Award“ ... Was zur Hölle soll das? Ein bedeutungsloser Titel, einfach nur bescheuert.
Also kann man davon ausgehen, dass die CUTE LEPERS alleine dir wohl noch nicht die Miete bezahlen?
Noch lange nicht. Wir versuchen halt soviel wie möglich zu touren, und wenn wir nach Hause kommen, suchen wir uns irgendwelche Idiotenjobs und sehen zu, dass wir so schnell wie möglich wieder abhauen können. Ein wenig Kohle verdiene ich noch mit den BRIEFS, da immer mal wieder ein paar der Songs zur Untermalung schrottiger Fernsehsendungen benutzt werden, aber das ist bei weitem nicht genug, um davon leben zu können.
Erzähl doch ein wenig über die Entstehung des neuen Albums. „Smart Accessories“ klingt ja meines Erachtens noch mal um einiges runder als das ohnehin schon tolle Debüt. Und vor allem scheint es, als hättet ihr nun auch endgültig euren eigenen Sound gefunden, der es euch auch leichter machen sollte, nicht mehr mit diesen ständigen BRIEFS-Vergleichen behelligt zu werden.
Dem würde ich zustimmen, ich finde auch, dass wir uns nun um einiges gefestigter anhören. Dieses Mal haben wir deutlich mehr Zeit darauf verwendet, die einzelnen Songs auszuarbeiten, und jedes Mitglied konnte sich viel stärker in den Schaffensprozess einbringen, während ich bei „Can’t Stand Modern Music“ sämtliche Stücke quasi schon fertig hatte, als ich sie den anderen vorsetzte und wir diese dann enorm zügig aufnahmen. Aber jetzt klingen wir wirklich wie eine Killerband, die sich extrem wohl dabei fühlt, zusammen zu spielen.
Einige Texte finde ich auf der neuen Platte durchaus interessant, beispielsweise „You don’t have to belong to the religious right“. Was war hierbei deine Intention?
Ich war eigentlich nie der Ansicht, dass meine Texte besonders anspruchsvoll wären, eine Menge davon sind eigentlich nur dämlich. Nun, der von dir angesprochene ist zwar einerseits auch ein wenig bescheuert, da die „Message“ dahinter für jeden vernünftigen Punkrocker nur allzu einleuchtend sein sollte, aber selbstverständlich richtet er sich auch eher an diese ganzen Kids in den USA, die von ihren fundamental-religiösen Eltern zu Demonstrationen gegen Abtreibungskliniken und dergleichen geschleift werden. Ich habe einfach Mitleid mit ihnen, wobei das aber natürlich nicht nur ein amerikanisches Problem ist. Man halte sich nur mal diesen ganzen Dreck vor Augen, den man über die katholischen Schulen in Irland rausgefunden hat: Absolut beschissen! Kinder verdienen nur das Beste und nicht etwa von Kruzifix tragenden Sadisten geprügelt, gefoltert und vergewaltigt zu werden!
Dem ist natürlich nichts hinzuzufügen. Ein anderer Song handelt schließlich von Bob Forrest, der in den Achtziger Jahren Sänger bei der Hardcore-Band THELONIOUS MONSTER war und sich mittlerweile bizarrerweise einen Namen als Drogenberater im amerikanischen Fernsehen gemacht hat ...
Ja, zu der Zeit als ich wirklich hart auf Drogen war, liebte ich THELONIOUS MONSTER, auch wenn die, glaube ich, kaum einer jemals kannte. Aber ich mochte schon immer Bobs Texte und hielt ihn für einen absolut liebenswerten „Fuck up“. Jahre später, als ich schließlich clean war, fragte ich mich, was wohl aus ihm geworden ist, und zack, da war er plötzlich wieder, als Coach in einer Reality-Soap, bei der C-Promis während ihres Entzugs begleitet werden, haha! Aber er ist immer noch genau derselbe schräge Vogel, mit seinem großen Hut, seiner dicken Brille und dieser lustigen Frisur. Das ist tatsächlich einer der bedeutsameren Songs, die ich geschrieben habe. Na ja, zumindest für mich ...
Und nicht zuletzt sind mir noch zwei Titel aufgefallen, die eine gewisse Verbundenheit zu Deutschland erkennen lassen: Zum einen „Berlin girls“ und zum anderen die Coverversion des UPRIGHT CITIZENS-Klassikers „Future dreams“, den ihr für die Compilation zum 25-jährigen Jubiläum von BYO-Records aufgenommen habt.
Die UPRIGHT CITIZENS waren eine meiner Lieblingsbands zu meiner Teenagerzeit, also lag es nahe, einen Song von ihnen zu covern, als wir von BYO gefragt wurden, ob wir denn nicht Lust hätten, etwas für ihren Geburtstags-Sampler einzuspielen. Und coolerweise kam deren Sänger und Gitarrist Anton tatsächlich nach einer Show auf uns zu und meinte, dass ihm unsere Version gefällt, was natürlich ein großartiges Kompliment ist. „Berlin girls“ wiederum handelt davon, wie schwer es speziell in dieser Stadt ist, seiner Freundin zu Hause treu zu bleiben, da es hier wirklich so unglaublich viele gut aussehende Mädels gibt.
Apropos gut aussehende Mädels: Wie ist das überhaupt so, mit euren beiden Background-Sängerinnen unterwegs zu sein? Wirkt sich das eher positiv auf das Verhalten von euch Kerlen aus oder müssen die trotzdem unter eurem ganzen Unfug und Gestank leiden?
Nun ja, in der Tat haben wir die beiden eigentlich schon eher auf unser Niveau hinuntergezogen, haha. Nicht nur, dass sie unsere widerlichen Witze und Fürze tolerieren, nein, Priscilla hat zum Beispiel sogar schon gelernt, während längerer Fahrten in eine Plastiktasche zu pinkeln, halt genau so wie wir Jungs in Flaschen zu urinieren pflegen. Wobei, das ist wohl eher nichts, womit man hausieren gehen sollte, aber ich finde das trotzdem ziemlich tough!
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