CUBA MISSOURI

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Der Erfolg westfälischer Bescheidenheit

Ein Montagabend im Hamburger Kultclub Molotow. Es ist voll, richtig voll. Als Support für die Deutschlandshows von TWO GALLANTS aus San Francisco spielen CUBA MISSOURI, die Jahre zuvor noch leere Jugendzentrenräume beschallten, vor nun mehr und mehr Leuten. Und mit "This Year's Lucky Charms?, dem aktuellen Longplayer der Band, gelingt es den aus Osnabrück und Münster stammenden Musikern, große Namen der musikbeschreibenden Zunft auf sich aufmerksam zu machen. "Indierock zwischen Geräuschgewitter, Klangcollagen und Dreiminutenpop. Oder andersrum" etabliert sich als Lieblingszitat aus dem Presseinfo.


Wir sitzen im Backstageraum. Klein, nicht mal 15 Quadratmeter, rote 70er-Jahre-Tapete, die Tür zum Venue quietscht. Auf einem Tisch liegen Süßigkeiten. Ein Kasten Bier wird wohlwollend mehr und mehr geleert. Mir gegenüber die gesamte Band. Schlagzeuger Roland und Sänger und Gitarrist Ingo sind die Gesprächsführer. Normalerweise. Heute schaltet sich auch Bassist Georg immer wieder ein, während der "Neue", Stephan Lindner, schweigt und zuhörend nickt, lächelt und Ruhe ausstrahlt.

Goldene Zeiten scheinen nur noch ein paar Konzerte entfernt. Schlagzeuger Roland Peiler bringt nicht nur sich selbst wieder auf den Boden: "Erfolg bedeutet für mich nicht einfach nur, in großen Musikmagazinen gefeaturet zu werden. Es kann genauso gut sein, dass du in einem Dreivierteljahr wieder in kleinen, halbleeren Jugendzentren spielst. Ich finde, das geht nur Stück für Stück. Du kannst ja jetzt nicht vom Erfolg reden, bevor die Platte überhaupt herausgekommen ist. Dann hast du erst ein kleines Label ohne Vertrieb, jetzt haben wir eins mit Vertrieb, die sind total engagiert, aber es ist nicht so, dass sich auf einmal alles ändert. Es geht immer ein bisschen weiter, denn wir haben immer auch was dafür getan." Westfälische Bescheidenheit versus unrealistischer Höhenflug.

"Wie viele Bands gibt's es, die ein Label mit Vertrieb hatten, im Molotow gespielt haben und aus denen doch nichts geworden ist? Wenn du Erfolg so definierst, dass wir jetzt eine Veröffentlichung haben, dann stimmt das schon. Erfolg definiert jeder anders. Wir haben ja noch keine einzige Platte verkauft. Wir spielen jetzt vier, fünf Clubgigs, vielleicht ist danach die Luft raus und da passiert gar nichts mehr. Für uns ist es ein Erfolg, dass wir jetzt eine Agentur haben und jemanden, der sich um uns kümmert. Es ist ein Erfolg, dass Jörg von Make My Day Records angerufen und gesagt hat, ich will mehr hören, ab da hat sich natürlich was geändert."

Der auf der Bühne eher zurückhaltend und schüchtern wirkende Sänger und Gitarrist Ingo Drescher meldet sich zu Wort: "Mit Make My Day fand sich ein engagiertes Label, so engagiert, dass der Labelchef bei den vier Supportshows mit am Start ist." Mercher, Kindermädchen, Roadie und Sprücheklopfer in einer Person. Er hat die Schlüsselrolle inne, beim geschäftlichen Aspekt, der Promotion und den Kontakten. Der Buddy-Holly-Brille tragende Anfangdreißiger organisiert, telefoniert, kassiert, gibt aus und setzt auf die westfälischen Provinzburschen, nicht ohne diese auch in seinen Bann zu ziehen. Deren Bandname CUBA MISSOURI wird schon in vielen Artikeln der Musikpresse mit dem Kleinstadt- und Dorfcharakter von Münster und Osnabrück verbunden. Aber wie kann das sein? So klein sind Münster und selbst Osnabrück doch gar nicht?!

"Ich finde das sehr überraschend, dass es so gedeutet wird, als ob Münster dieses Kaff wäre", meint Roland. "So ist es natürlich nicht. Münster ist kein Zweitausend-Seelen-Ort. Wir kommen selber alle vom Land. Wir sind quasi dahin gezogen. Wenn man das so deutet, dass CUBA MISSOURI für ?in the middle of nowhere' steht , dann bezieht sich das nicht auf Münster oder Osnabrück, sondern auf eben diese kleinen Städte, aus denen wir stammen. Das wird oft fehlinterpretiert."

CUBA MISSOURI selbst sind jedenfalls gewachsen, auch an Musikern. Gitarrist und additional Pianospieler Stephan Lindner ist zwar auf dem Longplayer noch nicht erwähnt, wird aber zum festen Bestandteil der Band gezählt. "Er ist sehr fest integriert, immer dabei live und bei jeder Probe am Start", meint Schlagzeuger Roland, Bassist Georg Holtz ergänzt: "Wir hatten jemanden gut brauchen können, weil wir bei der Platte genug Sachen gemacht haben, die wir so nicht hätten umsetzen können. Da passt es sehr gut, jemanden zu haben, der halt alles Mögliche spielen kann, der sich reindenken kann in die Songs."

CUBA MISSOURI stehen auf der Bühne eher in introvertierter Zurückhaltung, jedoch nicht ohne energetische Ausbrecher. Keine große Kommunikation mit dem Publikum, ein "Wir sind CUBA MISSOURI aus Münster", dann zwischen den Songs ein kurzes "Danke", ausgetauscht durch ein "Vielen Dank" und eine freundliche, kurz gehaltene Verabschiedung reduzieren die Show auf musikalische Inhalte. Nach einer guten halben Stunde als Support ist der Auftritt vorbei. Bassist Georg fasst noch mal zusammen. "Die Strategie ist halt: spielen, spielen, spielen. Damit wir eben auch die Leute erreichen und nicht nur die Magazine. Wir hören aber auch nicht auf, wenn keine Leute da sein sollten."

Nils Robin Kruska