2012 erschien mit „Beat Stampede“ das Albumdebüt des britischen Duos COWBELL, bestehend aus Jack Sandham und Wednesday Lyle. COWBELL, 2009 gegründet, hatten zuvor schon drei Singles veröffentlicht. „Duo“ impliziert eine abgespeckte, rudimentäre Band, aber bei zwei Stimmen, Gitarre, Orgel und Schlagzeug merkt man davon nichts. Wie beim Debüt begeistert auch bei „Skeleton Soul“, eben auf Damaged Goods erschienen, der warme, analoge Sound, in dem sich die elf Garage-Stomper mit schwerer R&B-Schlagseite und souliger Tiefe präsentieren. Jack und Wednesday, gerade von einer US-Tour zurückgekehrt, beantworteten mein Fragen.
Bitte entschuldigt meine Direktheit, aber: Seid ihr nur im künstlerischen Bereich als Paar unterwegs ... oder auch privat?
Jack: Wir sind kein Paar. Tut mir leid, dass wir keine kuriose Geschwister- oder Ehe-Geschichte zu bieten haben.
Wednesday: Nein, nur sehr gute Kumpel. Ich weiß gar nicht, wie Duo-Paare es schaffen, ständig die ganze Zeit zusammen zu sein. Ich glaube nicht, dass ich das könnte.
Wie habt ihr euch kennen gelernt und wann kam der Punkt, an dem ihr festgestellt habt, dass zusammen Musikmachen tatsächlich funktionieren könnte?
Jack: Wir sind seit Jahren schon Freunde und teilen die Liebe zu Suff und Musik, aber keiner von uns hat jemals in Erwägung gezogen, dass es mal so ausgehen würde, dass wir zusammen Musik machen. Wednesday war keine Musikerin und hat erst damit angefangen, als ich sie dazu brachte. Es war zwei oder drei Uhr nachts im Proberaum von Freunden und alle anderen waren schon längst aus den Latschen gekippt. Sie hatte bei der Sache sofort ein gutes Gefühl und entschied sich dann, das durchzuziehen. Sie fragte mich, ob ich nicht vorbeikommen wollte, wenn sie übt, damit sie etwas hat, wozu sie spielen kann. Und ich hatte wirklich Spaß daran, zu versuchen, mit so einfachen Mitteln Songs zu machen. Ihre Beats waren zunächst ziemlich simpel und das hat gut mit dem zusammengepasst, was ich auf der Gitarre konnte. Sie hat außerdem gelernt, gleichzeitig zu singen. Das war sehr beeindruckend, weil das manchen Drummern sehr schwerfällt. Ich war vorher bei einer fünfköpfigen Beat-Combo und das bisschen, was ich auf der Gitarre konnte, hat dafür eigentlich keine Rolle gespielt, ich war ja der Leadsänger, also musste ich auf der Gitarre auch ein paar Tricks dazulernen.Wir spielten nach einem Monat unseren ersten Gig und haben kurz darauf unsere erste Session aufgenommen. Ich denke, wir haben uns mit der Zeit immer weiterentwickelt und das spiegelt sich vielleicht auch im Sound der neuen Platte wider. Wednesday hat heute einen viel größeren Tribal-Einschlag, viel Donner auf den Toms mit interessanten Percussion-Sounds und -Rhythmen. Ich haue heute öfter in die Tasten – Philicorda, Rhodes, Vox Jaguar, normales Klavier und eine Hammondorgel B3, die hört man alle auf der neuen LP – und mein Gitarrenstil und -sound hat sich auch ein wenig verändert. Er basiert weniger auf Akkorden-, sondern mehr auf Single-Notes und klingt ein bisschen mehr nach Rockabilly oder Psychobilly.
Ich vermute, dass es auch ein Leben vor und jenseits von COWBELL gibt ... Also was habt ihr vorher gemacht, musikalisch und ansonsten? Und was habt ihr für Jobs, die es euch erlauben, Urlaub zu nehmen und um die ganze Welt zu touren?
Wednesday: Ich habe nie in Bands gespielt. Ich war immer ein glühender Verehrer von Musik! Ich bin ständig zu Gigs gegangen und habe die Musik einfach geliebt, ich habe sie gesammelt und hier und da auch mal als DJ aufgelegt. Das lässt sich natürlich nicht mit dem vergleichen, was ich jetzt mache. Ich kann mir heute kein Leben mehr ohne Musikmachen vorstellen und weiß ehrlich nicht mehr, was ich davor gemacht habe. Arbeit ist zweitrangig. Ich brauche flexible Arbeitszeiten, Nine-to-five geht gar nicht.
Was ist euer gemeinsamer Nenner, wenn es um Musik geht?
Jack: Wir haben Glück, dass wir auf dasselbe Zeug abfahren und auch die gleichen Platten kennen, weil uns das von Anfang an dabei hilft, den Sound zu machen, den wir wollen. Unsere Geschmäcker treffen sich wahrscheinlich bei irgendwelcher seltsamen, funky New Orleans-R&B-Musik. Wir mögen auch beide Soul. Oft spiele ich Wednesday eine 7“ vor, die ich toll finde, und sie hat sie sich auch gerade besorgt.
Wednesday: Wir sind beide Musikfans. Wir sammeln Platten, wir lieben es, zu Konzerten zu gehen. Das scheint selbstverständlich zu sein, aber es gibt viele Musiker, die das eben nicht machen. Wir haben auch so ziemlich den selben Musikgeschmack. Klar, es gibt auch Sachen, bei denen wir uns nicht einig sind, aber im Großen und Ganzen hören wir denselben Kram.
Was mir besonders an COWBELL gefällt: Ihr habt großartige Songs, die wirklich herausstechen. So vielen Bands mangelt es an Hits, ihr habt sie. Was macht einen guten Song aus, der im Gedächtnis bleibt?
Jack: Vielen Dank. Wir gehen einfach dem nach, was sich für uns gut anfühlt. Unsere Songs haben meistens eine Strophe, einen Mittelteil und einen Refrain, eine ziemlich traditionelle Form also. Genauso wollen wir unsere Musik auch präsentieren, im Stil unserer Lieblingskünstler vermutlich.
Wednesday: Bei einem Song höre ich immer zuerst auf die Melodie und die zieht mich dann an, die Texte sind nur Beiwerk. Ich bin mit Pop und Soul aufgewachsen. Kurze, einfache Songs mit einer großartigen Melodie sind etwas, das ich immer schon geliebt habe. Ich glaube, das Beste, was ein moderner Song leisten kann, ist, so zu klingen, als würde er dir dein ganzes Leben lang erhalten bleiben.
So langweilig die Frage auch klingen mag: Warum nennt ihr euch „Kuhglocke“? Wer jemals Urlaub in den Alpen gemacht hat, weiß, wie grauenhaft es sein kann, morgens von bimmelnden Kuhglocken geweckt zu werden ...
Jack: Ja, das ist ein ziemlich beschissener Weckruf. Aber die Cowbell ist auch Musikinstrument, und obwohl es so ein abscheuliches Instrument ist, taucht es in einer Reihe von großartigen Songs auf, auch wenn es schwer ist, sie im Mix zu ignorieren, wenn man sie einmal herausgehört hat. Einige unserer liebsten Kuhglocken-Songs sind: „Down on the corner“ von CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL, „House of jealous lovers“ von THE RAPTURE und „Drive my car“ von den BEATLES.
Wednesday: Ich glaube, jeder ist in seinem Leben schon mal von einer Kuhglocke gefoltert worden. Vielleicht benutze ich deswegen auch keine. Als wir angefangen haben zusammen zu spielen, habe ich hin und wieder mal versucht, die Kuhglocke in ein paar Songs einzubringen und es gab sogar ein Stück, das wir auf unseren ersten Gigs gespielt haben, das wirklich sehr viel Kuhglocke enthielt – das hat aber nicht lange gehalten. Aber der Name der Band stand da schon fest und es gab kein Zurück mehr. Wir haben sogar mal darüber nachgedacht, ihn wieder zu ändern, aber aus einem unerfindlichen Grund schien er am besten zu uns zu passen.
Während andere Duos einen sehr limitierten Sound haben, habt ihr, für ein Zweiergespann, einen sehr dichten Sound. Was mögt ihr an dieser Besetzung, was sind die Vor- und Nachteile?
Jack: Wir kennen uns sehr gut und können daher auf der Bühne leicht eine Verbindung zueinander aufbauen. Manchmal spielst du an den verrücktesten Orten und da hilft das wirklich. Es fühlt sich oft so an, als wärest du Dr. Sam Beckett in der Fernsehserie „Zurück in die Vergangenheit“. Damit unsere Songs funktionieren, bin ich oft dazu gezwungen, auf den tiefen Saiten die Basslinie zu spielen, während ich singe und Wednesday singt und Schlagzeug spielt – das ist gar nicht so leicht. Wenn ich mir da Leadgitarristen in einer fünfköpfigen Band ansehe, werde ich manchmal neidisch darauf, wie die einfach entspannt auf der Bühne herumschlendern können und auch noch cool aussehen, während sie ab und zu ein Riff spielen.
Wednesday: Wir haben eigentlich nie festgelegt, als Duo Musik zu machen, aber da war irgendetwas an dem Sound, das wir beide mochten. Es schien einfach direkt zu funktionieren. Es ist oft eine Herausforderung und wir müssen viele Songs wieder aufgeben, weil sie eine ganze Band bräuchten. Es ist irgendwie einschränkend und befreiend zugleich, wir sind bei manchen Songs sehr eingeschränkt, aber wenn man in einer Band nur zu zweit ist, kann man ganz verschiedene Sachen machen, da braucht es keine Regeln zu geben.
Was sind eure Lieblingsduos der Rock’n’Roll-Geschichte? Meines ist/war Nancy Sinatra mit Lee Hazlewood ...
Jack: Poison Ivy und Lux Interior – streng genommen kein Duo, aber irgendwie immer der Kern der CRAMPS. Ivy und Lux sind das, was Rock’n’Roll sein sollte; gefährlich, sexy, beängstigend, ein bisschen dreckig, aber auch witzig. Ich habe sie das erste Mal gehört, als Wednesday mir „Human fly“ von „Gravest Hits“ vorgespielt hat. Für mich ist es schwer, Poison Ivy auf der Gitarre zu übertreffen. Auf jeden Fall meine liebste Frau im Rock’n’Roll-Bereich. Und dann noch SIMON & GARFUNKEL, sie sind kein Rock’n’Roll, aber ich liebe sie.
Wednesday: Da gibt es so viele! Johnny und June Cash, THE CARPENTERS, SAM & DAVE – das sind ein paar von meinen liebsten.
Zum Schluss: Bitte nennt drei Bands, die euch inspiriert oder beeinflusst haben.
Jack: THE DOORS – vor allem die Platte „Morrison Hotel“, die Tasteninstrumente spielen eher auf „Skeleton Soul“ eine Rolle. Wir haben außerdem versucht, diese psychedelische L.A.-Wüsten-Stimmung auf den Songs „Darkness in your heart“ und „She’s all over you“ einzufangen. Dr. John – wir stehen vor allem auf das Album „Gris Gris“ mit all diesen Voodoo-Gesängen und seltsamen Percussion-Einsätzen. Es hat so eine nervöse, aber auch verführerische Stimmung. Wir wollten, dass unser Album dieses Mal mehr von dieser Atmosphäre hat. Außerdem lieben wir beide die Platte „Desitively Bonnaroo“, auf dem seine Musik sehr funky klingt, mit THE METERS als Hintergrundband. Er spielt hier mit allen möglichen Variationen des New Orleans-Sounds und hat uns dadurch auch zu vielen anderen herausragenden Künstlern und Songs aus dieser Gegend geführt, wie zum Beispiel Allen Toussaint, der seine Finger auch in viel von dem Zeug hatte, das wir mögen. ZOMBIES – sie waren schon immer ein großer Einfluss für uns. Großartige Melodien, großartige Stimme und großartiger Klaviereinsatz. Unser Lieblingssong ist „Whenever you’re ready“.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #116 Oktober/November 2014 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #104 Oktober/November 2012 und Joachim Hiller
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