Cover-Ikonen: NOMEANSNO

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0 + 2 = 1 (Alternative Tentacles, 1991)

Der Legende nach wurde das Parents Music Resource Center gegründet, nachdem Al Gores Ehefrau Tipper ihre elfjährige Tochter den Text des Prince-Songs „Darling Nikki“ mitschmettern gehört hatte. Inhalt: Masturbation. Nachdem das PMRC zunächst eine Liste aus 15 anstößigen Songs zusammengestellt hatte (unter anderem von Sheena Easton, Cyndi Lauper und Madonna), konnte es 1985 schließlich eine Maßnahme durchsetzen, die US-amerikanische Labels dazu anhielt, auf freiwilliger Basis einen Sticker mit der Aufschrift „Parental Advisory“ auf für Kinder und Jugendliche ungeeigneten Platten anzubringen.
Der Schuss ging bekanntlich ziemlich nach hinten los. Denn Labels verwendeten den Aufkleber als eine Art Kaufargument auf handverlesenen Platten für ein tendenziell eher rebellisches Publikum, während sich diverse Bands und Labels einen Spaß daraus machten, ihn zu parodieren. Auch Jello Biafras Label Alternative Tentacles, das den Vertrieb für das NOMEANSNO-eigene Label Wrong übernahm, hatte eine Verballhornung auf diesem Album am Start: „WARNING!!! PARENTAL ADVISORY – EXPLICIT OPINIONS – If you want your kids to grow up as stupid, bigoted and conservative as people who wish to censor records with stickers! DESTROY THIS RECORD BEFORE IT DESTROYS YOU.“
NOMEANSNO selbst dürfte das reichlich egal gewesen sein, in Interviews haben die Kanadier schließlich regelmäßig darauf hingewiesen, dass ihre Platten grundsätzlich unpolitisch seien. Man lässt aber gerne reichlich Interpretationsspielraum in jede Richtung zu. So auch bei der Wahl des zeitlosen, kryptischen Frontcovers, einer Fotomontage von David Bruce, auf der ein kopfloser Schatten nach dem Knauf einer weißen Tür in einer gelben Steinwand greift. „The valley of the blind“? „Joyful reunion“? „Ghosts“? „The night nothing became everything“? Das Spielchen ließe sich noch fortführen, denn irgendwie lässt sich zwischen diesem Bild und nahezu allen auf der Platte enthaltenen Titeln eine Verbindung herstellen. Kunststück, ist ja auch ein Stück weit Bandprogramm. Aufgenommen hatte man jedenfalls deutlich zu viel, fast genug für ein Doppelalbum. Von den ursprünglich 19 Songs schafften es lediglich elf auf das Album, das damit von der (Fast)Doppel-LP auf Standardplattenlänge geschrumpft war. Vermutlich ein Grund für die Wahl des Albumtitels. Die Überbleibsel wurden überwiegend für Nachfolge-Alben komplett überarbeitet, diverse Outtakes und Demos aus dieser Zeit haben NOMEANSNO aber 2010 auch zu einer freien Download-Compilation namens „0 + 2 = 1 1/2“ zusammengewürfelt. Musikalisch bleibt überwiegend alles wie gehabt: Heftig wummernder Bass, noise-punkig krachende Gitarren, infernalische Drumgewitter, durchbrochen von ruhigeren Passagen und diversen experimentellen Hirnverdrehern. Das Cover: Ein Negativ des Originals.