Die erste EP der aus den vormals bei GREEN RIVER und den MELVINS aktiven Mark Arm, Steve Turner, Matt Lukin und dem Drummer Dan Peters (der später kurz auch bei NIRVANA trommelte) zusammengesetzten Seattle-Band MUDHONEY dürfte vielen vermutlich in der späteren Version inklusive der frühen Singles aus dem Jahr 1990 bekannt sein. Auf dem 6-Track-Original fehlen allerdings Klassiker wie „Touch me, I’m sick“. Produziert von Toningenieur Jack Endino, liefert diese EP eine der Blaupausen für ein Musikgenre, das 1991 wie eine Bombe im Mainstream explodieren sollte. Optisch ist das Frontcover schnörkellos schwarzweiß, ergänzt um leicht verzogene und geagete Siebziger-Jahre-Schriftzüge bei Albumtitel und Bandnamen, von Sub Pop-Fotograf Charles Peterson in Szene gesetzt: Keine Gesichter, lange Haare, alte Jeans, einfarbige Longsleeves/T-Shirts, Perlenkette, Lederarmbändchen – so zeigt das Cover Frontmann Mark Arm (links) und Gitarrist Steve Turner (rechts) in Aktion an ihren gammeligen Fender-Instrumenten. Eigentlich nichts wirklich Einzigartiges, eher Petersons Markenzeichen, das er auf einen Großteil der von ihm mit gestalteten Sub Pop-Veröffentlichungen in den Spätachtzigern und frühen Neunzigern gleichermaßen anwendet, hier vielleicht mit einer leichten Betonung des Equipments (sonst fokussiert er meist die Gesichter der Musiker).
Auf dem Label der A- und B-Seite der Platte zu sehen, passend zum Albumtitel, sind die beiden namensgebenden Effektpedale Univox Super-Fuzz (inzwischen zu Mondpreisen von mehreren hundert Euro gehandelt) und Electro-Harmonix Big Muff. Punk, Garage und Metal treffen auf klassischen Rock mit gelegentlich eingestreutem Folk-Einschlag (ja, steinigt mich ruhig) und verdammt viel – wer hätte das erwartet – Fuzz, ein dunkles Grollen, das sich ganz tief in die Gehörgänge fräst. Den letzten Titel „In’n’out of grace“ garniert dann noch ein Zitat aus dem Roger Corman-Film „The Wild Angels“ – einem Hells-Angels-Outlaw-Biker-Streifen aus dem Jahr 1966 mit Peter Fonda und Nancy Sinatra in den Hauptrollen: „We wanna be free! We wanna be free to do what we wanna do. We wanna be free to ride. We wanna be free to ride our machines without being hassled by the man! And we wanna get loaded.“ Get loaded (und laut brizzelnde Gitarren), alles klar, die Essenz des Grunge auf den Punkt gebracht. Und wer sich immer schon gefragt hat, ob das ikonische Eingangsriff von „Smells like teen spirit“ tatsächlich beim BOSTON-Hit „More than a feeling“ abgekupfert wurde, sollte sich dringend „In’n’out of grace“ anhören. Wer will, kann sich dann auch gleich das gerade frisch remasterte „Every Good Boy Deserves Fudge“ daneben in den Plattenschrank stellen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #159 Dezember 2021 /Januar 2022 2021 und Anke Kalau