Mit ihrer EP auf SFT Records haben die Bostoner CIVIL DEFENSE eine richtig kickende Scheibe am Start, die in bester Boston-Hardcore-Tradition steht. Bestehend aus Leuten, die zuvor bei INTENT TO INJURE, ROSWELL, CORRIN und BEYOND THE EMBRACE spielten, ballert die Sechs-Mann-Combo heftigsten Old School-Sound in die Gegend, ohne jeden metallischen New School-Mist, sondern einfach nur straighte, simple Granaten, die fast alle unter der Zwei-Minuten-Grenze bleiben. Ein Grund, der Band mal ein paar Fragen zu stellen.
Zunächst die Basics bitte, wann, wie, wer und warum?
Josh: CIVIL DEFENSE, das sind ich und Rahji als Sänger, Chris und George an der Gitarre, Adam am Bass und Kevin am Schlagzeug. Die Gründung war 1998. Was uns zunächst zusammengebracht hat, war die Tatsache, dass eine Menge Mist in der Hardcore-Szene vor sich ging, und es einen Mangel an Bands gab, die guten und aufrichtigen Hardcore spielten. Wir füllten diese Leere. Genau von diesem Thema handeln die Songs auf unserer ersten Veröffentlichung. Damals waren die Zeiten noch harmloser, und die kommende LP wird sich mit absolut anderen Themen auseinandersetzen. Und um den zweiten Teil deiner Frage zu beantworten, Hardcore liegt mir einfach im Blut. Es ist eine Art Therapie, ich muss in einer Hardcore-Band spielen, selbst wenn ich es nicht will.“
Adam: „Ich spiele Bass und bin seit 2001 dabei, habe nur eine Show der Jungs verpasst und kenne sie schon seit Jahren.
Wieso seid ihr eigentlich zu sechst, und was habt ihr davor gemacht?
Josh: Da wir zwei Sänger haben, sind sechs Mitglieder nichts Ungewöhnliches. Wir haben zwei Gitarristen für die bloße Power. Ich war bei INTENT TO INJURE. Ich nahm dann eine Auszeit wegen der Schule und so.
Adam: Ich spielte meine erste Show vor zehn Jahren mit PREFACE in New Bradford, MA. Ab dann war ich in Bands wie VOICES FORMING WEAPONS mit George und Kevin, wo auch CIVIL DEFENSE-Mitglieder dabei waren.
George: Mir geht es genauso wie Josh, ich muss in einer Hardcore-Band sein, um normal zu bleiben. EMISSION, ROSWELL, INTENT TO INJURE, BEFORE I BREAK, VOICES FORMING WEAPONS, BLOWN AWAY waren Bands, bei denen ich spielte, und gegenwärtig bin ich in einer Rockband, die SAYONARA heißt.
Ihr habt die Band nach einem Song von den F.U.‘S benannt. Wo habt ihr zuerst was von ihnen gehört, und wie ist euer persönlicher Kontakt zu ihnen?
Josh: Rahji kam mit dem Namen an und kann wohl mehr dazu sagen, aber ich höre Hardcore seit Mitte der 80er. Ich habe die letzte Show der FU‘S gesehen und auch die STRAW DOGS, aber ich kenne die Jungs nicht persönlich, so alt bin ich dann doch nicht.
Rahji: Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wieso ich CIVIL DEFENSE als Namen so gut fand. Er stammt definitiv von dem Song der F.U.‘S, sie sind die größten, wenn es um Hardcore geht. Ich denke, sie haben über den wirklichen ‚Zivilschutz‘ gesungen, und ich mochte einfach diese Doppeldeutigkeit. Für die Menschen war die Zivilverteidigung ein Weg, sich gegen die äußere Bedrohung zu schützen. Ich denke, so sah ich Hardcore damals in Boston, mit dieser äußeren Bedrohung – einige Kids gehörten nicht auf diese Shows und waren nur da, um Scheiße zu machen.
Wie sieht es denn heute in Boston mit dem Hardcore aus? Die „glorreichen Tage“ sind ja wohl vorbei.
Josh: Die Szene bewegt sich in Wellen, aber sie existiert immer. Heute spielt sich aber alles mehr im Underground ab als noch vor ein paar Jahren. Aber für mich sind ‚die glorreichen Tage‘ ein relativer Ausdruck. Natürlich waren dies für mich die späten 80er. Ich war jung und spielte bei INTENT TO INJURE, es gab viele Bands und Shows, und ich und meine Freunde hatten die beste Zeit unseres Lebens. Diese Tage gehören jetzt anderen.
Adam: Für mich sind das die heutigen Tage! Hardcore entwickelt sich konstant weiter, obwohl ich gerne auf das zurückblicke, was ich damals erlebt habe. Die Wahnsinnsgeschichten von Shows und Bands, die ich nie gesehen habe. Ich bin froh, im Moment hier zu sein, denn das Schöne an der Punk/Hardcore-Szene ist, dass jeder was verändern kann.
Chris: Ich kann mit diesen ‚glorreichen Tagen‘ nichts anfangen. Irgendwann fingen Punk und Hardcore an, nostalgisch zu werden und wurden zu einem weiteren ‚Classic Rock‘-Klischee, und an so etwas habe ich kein Interesse. Das Leben spielt jetzt und nicht in der Zukunft oder der Vergangenheit.
Es gibt viele Definitionen von Hardcore, was sowohl die Musik als auch die Einstellung angeht. Wie ist eure Definition?
Josh: Ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass Hardcore definierbar ist. Es ist etwas, was du kennst und wahr nimmst. Namen wie Metalcore und Emocore tauchen auf, weil dies eben kein purer Hardcore ist, und die Leute haben das erkannt. Es ist einfach etwas anderes.
Adam: Hardcore beinhaltet so viel. Für mich persönlich ist es mehr eine Einstellung oder ein Ideal als eine bestimmte Musikrichtung, weil es soviel Unterkategorien gibt. Es gibt Bands, die gut kopieren oder mit dem Style mithalten können, aber wenn sie es nicht im Herzen haben, würde ich es nicht als Hardcore ansehen.
Chris: Ich habe bereits erwähnt, was für mich echter Hardcore ist und was nicht. Ich habe eine harte Meinung dazu, aber das ist so eine Sache, die jeder für sich selbst definieren muss. Für mich ist es eine Lebensart, die ich bei allem habe, was ich tue. Man kann es nicht definieren, es ist das, was man lebt, und was man macht.
Musikalisch erinnert ihr mich an die klassischen Boston-Bands. Zufall oder Absicht?
Josh: Ich denke, es ist Schicksal. Das ist der Shit, den wir lieben, und den wir schreiben.
Chris: Ich liebe SSD, DYS, GANG GREEN oder SLAPSHOT, aber ich denke nicht, dass wir irgendwen nachmachen.
Rahji: Ich denke da wie Chris. Ich hoffe, wir tun etwas, das ursprünglich ist. Es ist Hardcore, aber ich versuche, nicht zu klingen wie jemand anders. In diesem System hat es schon alles gegeben, und wenn wir Musik machen, dann kommt dabei das heraus, was wir als Fans mitbekommen haben. Ich bin froh, dass du den Eindruck hast, dass wir klassische Boston-Musik machen, denn viele vergleichen uns mit der NYHC-Szene, was mich sehr überrascht.
Die Lyrics beinhalten alle viel Wut, obwohl ihr alle schon ein wenig älter seid. Ich dachte, man wird ruhiger im Alter.
Josh: Der letzte ITI-Song heißt ‚Back Burners‘, da geht es um genau diesen Punkt .‘Du dachtest, wir verloren unsere Wut, aber sie konnte nie verschwinden, sie ist in dir eingeschlossen‘. Die Welt wird nicht besser, und es gibt eine Menge, was mich nervt. Viele werden apathisch im Alter, aber das wird mir nicht passieren.
Was macht ihr, wenn ihr nicht in der Band seid?
Josh: Außerhalb von CIVIL DEFENSE baue ich Motorräder, und Chopper sind der Punkrock unter den Motorrädern. Ich treffe dabei viele Leute, die drauf stehen und ebenfalls schon ewig Hardcore hören. Ich habe auch einen Job als Anthropologe und leite ein Hip-Hop-Label namens Brick Records, und ich habe noch zwei Projekte, BASH BROTHERS und JOE JESUS & THE ROAD RAGE.
Adam: Neben CIVIL DEFENSE bin ich noch in einer Punk/Hardcore- Band namens SO AUTOMATIC und der Heavy Metal-Band BEYOND THE EMBRACE auf Metal Blade Records. Ich mache meinen Hochschulabschluss in Kunstgeschichte. Ich vermeide es, für ‚the man‘ zu arbeiten, und ich mache mein eigenes Ding, streiche Häuser, Gelegenheitsjobs etc.
George: Ich spiele in der Band SAYONARA, und betreibe eine sehr kleine Webdesign/Posting Company unter www.morenoise.com/sayonara.
Chris: Ich spiele mit Adam bei SO AUTOMATIC, mache billige Filme, gehe jetzt noch mal zur Schule, gehe mit meinem Hund spazieren und gehe schwimmen, so oft ich kann.
Rahji: Ich arbeite für ‚the man‘, gehe zur Kunsthochschule und mache tonnenweise anderen Kram. Die Site www.rahji.com fasst zusammen, was ich alles so treibe.
Was habt ihr für Pläne? Ein richtiges Album? Eure EP ist zwar sehr heftig, aber auch sehr kurz. Wie sieht‘s aus mit einer Deutschlandtour?
Josh: Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Wir arbeiten an einem Longplayer. Wir wollen nächsten Sommer auch durch Europa touren. Die EP war nur ein kleiner Vorgeschmack für die Leute, um sie darauf einzustimmen, was noch kommt.
George: Wir würden gerne durch Europa touren. Da wir zur Zeit alle mitschreiben, dürfte die LP dann, wenn das Interview erscheint, fertig sein.
Noch was?
Adam: Danke für das Interview und an alle, die uns supporten. Bitte belästigt Striving for Togetherness, damit wir so schnell wie möglich auf Europatour kommen können. Man sieht sich!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #53 Dezember 2003/Januar/Februar 2004 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Joachim Hiller