CIRCLE OF ANIMALS

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Der kalte Sound der Avantgarde

Wer sich für die Geschichte des amerikanischen Industrials interessiert, wird nicht an Wax Trax! Records vorbeikommen. Das Label, welches ursprünglich ein Musikladen in Denver war, avancierte in den 80er Jahren zum Zentrum der Industrial-Szene Chicagos und Amerikas. Dabei zeigen die ersten Veröffentlichungen (STRIKE UNDERs einzige EP und die erste Single der Drag Queen Divine), dass sich das Label aus einer kleinen Gruppe Außenseiterbands zusammensetzte. Mit der Veröffentlichung der ersten 12“-Single von MINISTRY – die damals noch Synthie-Pop spielten – und der ersten EP von FRONT 242, die zu den ersten EBM-Platten gezählt wird, bahnte sich das Label von Jim Nash und Dannie Flesher einen Weg, der immer populärer wurde und später internationalen Bands wie COIL, LAIBACH oder PANKOW die Möglichkeit gab, ihre Platten zu veröffentlichen. Nach Jim Nashs Tod im Jahr 1995 löste sich das Label Stück für Stück auf und ist heute so gut wie vergessen. Daran wollen CIRCLE OF ANIMALS etwas ändern. Das Projekt, zu dem MINSK-Keyboarder Sanford Parker und Bruce Lamont von YAKUZA gehören, lebt von der Arbeit mit verschiedenen Schlagzeugern, die versuchen, die Erinnerung an Wax Trax! Records wieder zu beleben.

„Der Industrial aus Chicago zeichnete sich in der Verwendung mehrerer elektronischer Instrumente, wie E-Drums, Keyboards und Synthesizer aus, die viele Wax Trax!-Bands nutzten, damit einen eigenen Sound schufen und einen Einfluss auf die ganze Welt ausübten“, so Bruce Lamont am Telefon, als er die Besonderheit des Labels erklärt und sich so als Fan zu erkennen gibt. „Selbst Jahre nach der Labelauflösung findet man bei Industrial-Bands Einflüsse, die nach Wax Trax! Records klingen.“

Um die Erinnerung an das Label zu bewahren, kamen Sanford Parker und Bruce Lamont zusammen und gründeten eine Art Studioprojekt. Sanford, der schon seit der Highschool als Produzent tätig ist und mit der Industrial-Szene groß wurde, erzählte Bruce von seinen Live-Drumtracks, die er mit verschiedenen Schlagzeugern aufgenommen hat. „Wir hatten die Idee, die Drumtracks als eine Art organisches Kunstobjekt zu nutzen. Sanford arbeitete mit vielen Bands zusammen und hat einige Schlagzeuger gebeten, jeweils einen Track für ihn einzuspielen, den er als eine Art Maschine ansah. Eine Maschine, die einen bestimmten Takt hat und für die wir einen Song geschrieben haben, wobei ich den Gesang übernahm.“

Mit dieser Verarbeitung eines Rohstücks zum Kunstobjekt orientieren sich die beiden Musiker an der Industrial-Avantgarde, die sich in den 70er Jahren aus der Wiener Aktionskunst bildete und später den Weg für Industrial Records ebnete, das als eines der ersten Genrelabels angesehen wird. Unter der Verwendung rhythmischer und disharmonischer Maschinenklänge wurde damals Musik geschrieben, die provozieren sollte, wovon bei den Wax Trax!-Bands allerdings kaum noch etwas zu spüren war, da diese bereits zu einer späteren Welle gezählt wurden. Geblieben ist jedoch der kalte Sound der Avantgarde, den auch CIRCLE OF ANIMALS mit den unterschiedlichen Schlagzeugern eingefangen haben.

Nach dem ersten Studiotag erstellten sich Sanford und Bruce eine Wunschliste mit befreundeten Schlagzeugern, mit denen sie zusammenarbeiten wollten. „Dave Witte von MUNICIPAL WASTE und Steve Shelley von SONIC YOUTH kamen zu uns in die Stadt, um jeweils einen Song aufzunehmen. Auch James von YAKUZA, der aus Chicago kommt, hat ein Stück für uns eingespielt. Dabei wurde uns immer mehr bewusst, dass es hier nicht um einen Song geht, sondern um die Menschen, die mit ihrem Talent ein eigenes Kunstwerk darstellen.“ Damit hielten sich die beiden einen Spielraum offen, so dass jeder Song von einem eigenen Thema geprägt ist, wobei auf das Drumming zu achten ist, das ein Spektrum von monoton bis experimentell umfasst. Dabei beziehen sich die Musiker nicht auf bestimmte Wax Trax!-Bands, sondern gehen einem Gefühl nach, das während der Aufnahme des jeweiligen Songs entstanden ist. Obwohl auch ein Saxophon und eine Mundharmonika verwendet werden, bleibt das Gefühl der Kälte in jedem Song erhalten. Zugegeben, die Musik bietet aus heutiger Betrachtung nichts Neues, dessen sind sich die Musiker bewusst, aber hier geht es nicht um eine musikalische Neu-, sondern um die Regenerierung eines Genres.

Bei einem Projekt, das bisher nur im Studio existiert und auf die Mitarbeit anderer Musiker angewiesen ist, stellt sich die Frage, was CIRCLE OF ANIMALS in der Zukunft planen. „Wir sammeln weitere Drumtracks, damit wir an einer neuen Platte arbeiten können. Zudem proben wir gerade mit unterschiedlichen Musikern, um ein Konzert auf die Beine zu stellen. Wo und wann kann ich aber jetzt noch nicht sagen“, so Bruce, der genau weiß, dass Sanford als Produzent und Musiker stark ausgelastet ist. „Vielleicht finden wir mal ein Zeitfenster, dann werden wir auch definitiv ein paar Konzerte geben. Ich hoffe, dass wir als Erstes nach Europa kommen können, bevor wir in Amerika auf Tour gehen.“