CHAOSTAGE

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Versuch eines Rückblicks - Teil 4: 1996 bis 2022

Im vierten und letzten Teil beginnen wir mit den Chaostagen 1996 in Bremen und berichten dann über die Folgejahre mit dem Schwerpunkt auf Hannover, wobei auch einige für die lokale Punk-Szene wichtige Ereignisse in den Bericht mit einfließen.

Chaostage in Bremen 1996

Nachdem klar wurde, dass in Hannover auf Grund des Verbots der Chaostage und des zu erwartenden Bullenaufgebots kein Punk-Treffen zugelassen würde, wurde im Juli Bremen als Ausweichort angekündigt. Doch auch die Polizei in Bremen bereitete sich darauf vor. Dafür wurde am 1. August eine Allgemeinverfügung von der Polizeiführung erlassen, die alle Ausweich- und Ersatzveranstaltungen für die Chaostage in Hannover verbot und auswärtigen Punks den Aufenthalt in der Stadt bis zum 5. August untersagte. Ab dem 2. August befand sich Bremen im Belagerungszustand. Es wurden Platzverweise gegenüber Punks ausgesprochen – oder Leuten, die nach Meinung der Bullen so aussahen. Am Bahnhof wurde ein größerer Bereich mit mobilen Metallzäunen zu einem Freiluftkäfig umgebaut. Frisch am Bahnhof Eingetroffene wurden dort genauso zwischenverwahrt wie diejenigen, die in der Stadt festgenommen wurden und zurückgeschickt werden sollten. Auf den Straßen wurde quer durch das Stadtgebiet, vor allem im Ostertor- und Steintorviertel, Jagd auf Punks gemacht.
In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1996 wurden an der Sielwall-Kreuzung gegen zwei Uhr circa 100 Menschen eingekesselt, in Gewahrsam genommen und zur provisorisch eingerichteten Gefangenensammelstelle in einer ehemaligen Kaserne gebracht. In vier Garagen wurden insgesamt 315 Menschen eingesperrt, 116 von ihnen waren unter 18. Die Garagen hatten keinerlei Einrichtung und den Gefangenen wurde pro Garage unter Missachtung einfachster hygienischer Regeln eine Plastikwanne voll Wasser nebst Pappbechern in die Gemeinschaftszelle gestellt. Toiletten gab es auch nicht – wer Glück hatte, wurde nach langem Klopfen von Polizeibeamten zu mobilen Toiletten auf das Kasernengelände geführt. Ein VW-Bulli mit Hannoveraner Kennzeichen, den als Punks verkleidete Cops genutzt hatten, wurde am Sielwalleck enttarnt. Das Polizeiprotokoll vermerkte: „sämtliche Scheiben eingeschlagen, Dellen in der Karosserie, Reifen zerstochen ...“

Hannover nach den Chaostagen
1996

Auch in den folgenden Jahren war die Hannoveraner Polizei um das erste Augustwochenende herum in höchster Alarmbereitschaft, vor allem in der Nordstadt rund um die Lutherkirche. Ein massives Bullenaufgebot sollte mögliche Chaostage im Keim ersticken, was dazu führte, dass die Nordstadt-Punks erfinderisch wurden, wenn es zum Beispiel darum ging, Geburtstage, die in diese Zeit fielen, ausgiebigst und natürlich an der Lutherkirche zu feiern. Und jedes Jahr feierte sich die Polizeiführung selbst, dass sie wieder mal „Chaostage“, zu denen niemand aufgerufen hatte – außer sie selbst –, verhindert hätten. In der Nordstadt wurde der Punktreff auf den Treppen der Lutherkirche immer mehr zum Ärgernis für die Stadt. So wurde nach Alternativen gesucht, um die Punks von dort fernzuhalten. 1996 bot die Stadt zusammen mit der Diakonie und der Bahn AG den Punks an, ein altes Bahnwärterhäuschen an der Kopernikusstraße zwischen zwei Eisenbahnbrücken in Eigenregie und -arbeit zu renovieren und es als Treffpunkt zu nutzen. Der „Lutherkirchenverein“, der von den Punks eigentlich mit dem Ziel „Wohnraum für alle“ gegründet worden war, erhielt von der Bahn einen unbefristeten Mietvertrag. Zusammen mit zwei Sozialarbeiter:innen der Diakonie wurde das Haus renoviert und wird bis heute als Treffpunkt für Partys und Gigs genutzt.

1997
Unbeeindruckt davon, dass sich die Hannoveraner Bullen schon 1996 hundertfach ins Unrecht gesetzt hatten, um die Chaostage zu verhindern, begann auch in diesem Jahr die Polizeiführung mit dem großen Säbelrasseln, als im Internet zu Chaostagen in Hannover aufgerufen wurde. Polizeipräsident Klosa drohte mit 5.000 Cops und einem erneuten Versammlungsverbot, denn wie er in der Neuen Presse vom 22.07.1997 sagte: „Außerdem geht es nicht an, dass Punks Freizeit- und Lebensgewohnheiten von Polizisten bestimmen“. Dafür fuhr er aber schon eine Woche früher in der City und vor allem in der Nordstadt ein großes Bullenaufgebot auf. Die ersten Kontrollen an der Lutherkirche erfolgten mit der Ansage: „Wenn ihr keinen Dreck und Lärm macht, lassen wir euch in Ruhe!“ Am Mittwoch gab es in der Neuen Presse den ersten Stimmungsbericht aus der Nordstadt. Und wie ein Nordstadtbewohner es treffend formulierte: „Die [Punks] lachen sich doch alle schlapp über die viele Polizei.“ Eine Geburtstagsfeier im Punk-Haus in der Kopernikusstraße am Donnerstagabend bekam zwar Besuch von den Cops, das war es aber schon. Erst am Samstag wurde es ungemütlicher. Statt der angedrohten 5.000 Bullen waren es aber nur 1.500, die die angeblichen Chaostage verhindern sollten.
Nachdem die Hannoveraner Cops von der Einsatzhundertschaft aus Braunschweig abgelöst worden waren, gab es massive Polizeikontrollen für alle, die im „punktypischen Outfit“ in die Nordstadt wollten. An der Lutherkirche wurde es dann ebenfalls unangenehmer für die überwiegend einheimischen etwa vierzig Punks. Der Kirchenvorplatz wurde von Wannen umstellt und der Einsatzleiter kam an die Lutherkirche und drohte uns mit Maßnahmen, weil wir gegen die Abfallverordnung der Stadt verstoßen würden. Das konnte dann geregelt werden, aber bei der kleinsten Kabbelei der Hunde rückten Bulleneinheiten an. Wenigstens wurden wir auf dem Weg zum nahegelegenen Kiosk nicht auch noch jedes Mal kontrolliert. In der Nacht wollten die Bullen die am Hauptbahnhof abhängenden Punks noch in die Nordstadt eskortieren, doch das konnte durch Mitglieder des „Bürgerstammtisch Chaostage“ nach langen Verhandlungen verhindert werden, so dass es zu keiner Eskalation der Situation kam. Die Presse schrieb am Montag von „Friedenstagen“. Die Bilanz: 136 Personalien-Feststellungen, 29 Platzverweise, neun Ingewahrsamnahmen und ein Stadtverbot.

1998
Im Laufe des Jahres verlegte sich der Punktreff in der City vom Hauptbahnhof in die Georgstraße, sehr zum Unmut von Geschäftsinhabern und Shoppingwütigen. Die Presse stieß ins gleiche Horn, und die Bullen verteilten gerne Platzverweise, um dann lautstark zu verkünden, sie hätten „Punk-Treffen“ verhindert. Am 23. Juli ging das aber nicht, als sich rund 200 Punks in der City am Kröpke versammelten. Die Anarchistische Pogo Partei Deutschland machte im Rahmen des Bundestagswahlkampfs Station in Hannover und so mussten Bullen und empörte Bürger das lautstarke und bunte Spektakel über sich ergehen lassen. Als Retourkutsche stürmten die Bullen dann am Abend mal eben das Punk-Haus in der Kopernikusstraße, um die dort stattfindende Party aufzulösen. Eine Woche vor dem ersten Augustwochenende gab es die schon gewohnte massive Polizeipräsenz vor dem Hauptbahnhof und in der Nordstadt. So wurde am Freitag der zu feiernde Geburtstag in den Welfengarten direkt an die Universität verlegt, einfach um dem nervigen Stress mit den Cops aus dem Wege zu gehen. Die dort stattfindende Party blieb zumindest für einige Zeit von den Bullen unbehelligt, bis die dann von allen Seiten durch den Welfengarten mit ihren Wannen anbrausten. Nach den üblichen Personalien-Kontrollen wurde dann weiter gefeiert. Am Samstagnachmittag wurde das geplante Treffen im Welfengarten direkt von den Bullen verhindert, in dem alle Punks, die nicht in der Nordstadt wohnten, direkt Stadtteilverbot erhielten. An der Lutherkirche ließen sie uns dann nur deshalb in Ruhe, weil wir alle unsere Kinder dabeihatten. So tobte um die anwesenden Nordstadt-Punks ein lauter und aufgekratzter Haufen Kids, die beim Bierholen auch gerne mit an den Kiosk gingen, weil es da für sie eigentlich immer Eis gab. Außerdem ließen uns so auch die Bullen – natürlich ab 18 Uhr wieder die Braunschweiger – ungehindert passieren. In der Innenstadt kassierten an diesem Wochenende rund 170 Punks Platzverweise.

1999
Die wiederum von der Polizeiführung ausgerufenen „Chaostage“ fielen in diesem Jahr im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Am ersten Augustwochenende gab es heftigen Dauerregen und in den Bullenwannen, die rund um die Lutherkirche postiert waren, saßen sich die Besatzungen den Hintern platt, während wir privat eine gute Party feierten.

Ein neues Jahrtausend! Chaostage 2000
Die EXPO, die in diesem Jahr in Hannover stattfand, warf ihre düsteren Schatten weit voraus. Schon vor dem eigentlichen Beginn der EXPO am 1. Juni wurde die Hannoveraner Innenstadt dank des niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes von unliebsamen Menschen „gesäubert“ – Obdachlose, Punks und andere wurden von Bullen und Ordnungsamt aus der City verdrängt. Die Bullen waren nervös, Flugblätter riefen zu vier Wochen Chaostage auf mit dem Höhepunkt vom 4. bis 6. August. Das Prestigeprojekt des damaligen Bundeskanzlers Schröder sollte ohne Probleme über die Bühne gehen.
Schon die letzte große Demo gegen die EXPO am 31. Mai, dem Tag vor der Eröffnung, lief im Bullenspalier. Ab dem 1. Juni waren die Cops in der City überall präsent und griffen sofort ein. Doch nicht mit uns! Weil die Bullen einem Punk auf der letzten Anti-EXPO-Demo unter fadenscheinigen Gründen eine Spielzeugpolizeikelle abgenommen hatten, wurde kurzerhand eine Spaß-Demo von der Nordstadt über die Innenstadt weiter zum berüchtigten Polizeipräsidium in der Herschelstraße durchgeführt. Auf dem Weg dorthin verteilten wir Flugblätter: „Skandal! Polizei nimmt Punks ihr Spielzeug weg!“ In einer Unterführung kesselten uns bayrische Bullen für gut eine Stunde ein. Erst dann durften wir weiter zum Polizeipräsidium, um dort lautstark die Herausgabe der Spielzeugkelle zu fordern: „Eins, zwei, drei – gebt die Kelle frei“. Auch die APPD schlug zu. Die Sektion Niedersachsen hatte einen „Verein zur Verhinderung von Chaostagen“ gegründet und meldete im Vorfeld diverse Aktionen an. Auf der Kundgebung gegen die Chaostage am 8. Juli in der City sagte Karl Nagel zu den anwesenden Punks, dass „die Hannoveraner Polizei uns gezielt den Chaoten ausliefert“. In Bezug auf die vermeintliche Unwissenheit des Polizeipräsidenten Klosa beklagte er unter lautem Gelächter und Buhrufen immer wieder: „Wenn das der Klosa wüsste ...“ So waren die Shoppingwütigen und Touris sichtlich irritiert über den gutgelaunten Haufen Punks, der umgeben von Bullen immer wieder lauthals Parolen wie „Sicherheit und Ordnung“ skandierte. Die Gedenkfeier der APPD für den 1995 geplünderten Penny-Markt in der Nordstadt verlief dann nicht ganz so glimpflich und endete mit Personalien-Kontrollen der Anwesenden.
Am Freitag, 4. August wurden im Stadtteil Linden circa zwanzig Punks von einem Großaufgebot der Bullen stundenlang eingekesselt, bis der „Einsatz“ dank der lautstarken Solidarität der Anwohner:innen mit den Punks abgebrochen wurde. Am Hauptbahnhof ließen die Bullen dafür dann zehn Naziglatzen trotz Hitlergrüßen unbehelligt, während sie sich auf alle stürzten, die bunte Haare hatten. Am Abend blieb es rund um die Lutherkirche für die zahlreichen Punks, auch aus anderen Städten, trotz massivem Bullenaufgebot relativ friedlich. Erst spät in der Nacht wurden einzelne Punks weggehaftet.
Am Samstag, 5. August fand in der City eine Kundgebung mit mehreren hundert Menschen, darunter auch viele Punks, gegen die NPD statt. Nach dem Ende kontrollierten die Bullen aus Gründen der „Gefahrenabwehr“ vor allem die bunthaarigen Teilnehmer:innen. Am Nachmittag versammelten sich mehrere hundert Punks auf dem Sprengelgelände, um mit Punkrock und noch mehr Bier friedlich zu feiern. Ein friedliches Punktreffen hätte natürlich nicht ins Bild gepasst und so riegelten die Bullen das Areal weiträumig ab und bereiteten am frühen Abend der Party ohne jeden Anlass ein jähes Ende. Die erst während der Räumung errichtete Barrikade wurde schnell gestürmt. Über 250 Punks wurden eingeknastet und gleichzeitig die besetzen Häuser auf dem Sprengelgelände, die mit den Chaostagen nichts zu tun hatten, gestürmt. Auch am Sonntag blieb die Nordstadt von Bullen besetzt.

Chaostage 2001
Dieses Jahr sollte Dortmund der Austragungsort sein. Doch auch hier wurde das Treffen durch die Bullen verhindert. In Hannover blieben City und Nordstadt nicht vom Belagerungszustand durch Bullen verschont. Spontan wurde wieder ein Geburtstag zum Feiern genutzt, und zwar auf dem Bürgersteig in unserer Straße, auf der sich im Umkreis von rund fünfzig Metern vier Punk-WGs befanden. Also wurden Stühle aus den Wohnungen und die Boxen aus den Fenster geholt, um auch mit Musikuntermalung zu feiern. Verstärkt durch drei Punks, die in Dortmund dem Kessel entkommen waren, ging das auch eine Zeitlang gut, bis zwei Zivi-Bullen auftauchten, die äußerst aggressiv drauf waren und sofort Verstärkung anforderten. Nach der Personalien-Kontrolle verlangten die Zivi-Bullen vehement von den dazu gekommenen Einsatz-Cops, dass wir alle in Gewahrsam genommen werden sollten, diese blieben aber gelassen und ermahnten uns nur wegen der Lautstärke.

Chaostage 2005
Zum zehnjährigen Jubiläum der 1995er Chaostage wurde erneut für den 5. bis 7. August zu Chaostagen in Hannover aufgerufen. Bis zu 500 Punks trafen sich in der Stadt. Die Bullen begannen schon in der Woche vorher mit Personenkontrollen. Die Punks blieben dieses Mal zunächst in der Innenstadt. Die Bullen nahmen bereits am Freitag knapp neunzig Punks in Gewahrsam, unter anderem in der Nordstadt. Im Laufe des Samstagnachmittags zogen die Punks, angestiftet von zwei Zivi-Bullen im „Hooligan“-Outfit von der Innenstadt in die Nordstadt. Dort stachelten die Zivi-Bullen die Punks an, Scheiben der Universität einzuschmeißen. Das war der Anlass, den Großteil der anwesenden Punks einzukesseln und wegzuknasten. Ich war bei der Enttarnung der beiden Zivi-Bullen durch einen Hannoveraner Punk außerhalb des Kessels anwesend. Nachdem die beiden Zivi-Bullen sich umgesehen hatten, ob keiner der Kollegen zusah, gingen sie mit langen Stabtaschenlampen auf uns beide los. Nur das beherzte Eingreifen einer Anwohnerin, gegenüber der sich die Zivi-Bullen daraufhin als „Polizisten“ zu erkennen gaben, verhinderte Schlimmeres. Die Zivi-Bullen wurden schließlich von dem Einsatzleiter, bei dem sich die Anwohnerin daraufhin beschwert hatte, per Funk zurückgepfiffen. Die Frage bleibt, wie viele Provokationen während der vorangegangenen Chaostage auch von Zivi-Bullen ausgegangen sind.

Chaostage 2006
Dem Aufruf für diese Chaostage, die vom 4. bis 6. August stattfanden, folgten circa 300 bis 450 Punks. Viele trugen „neutrale“ Kleidung, um so die Bullen zu täuschen. Etwa 1.000 Bullen waren im Einsatz und erteilten allen größeren Gruppen einen Platzverweis für die Innenstadt.

Chaostage, der Film 2008
In diesem Jahr erschien die Verfilmung des Buchs „Chaostage“ von Moses Arndt unter dem Titel „Chaostage – We Are Punks!“ Der Film wurde am 3. Oktober 2008 in einem Kino in Hannover-Linden uraufgeführt. Passend dazu fand schon mittags ein Konzert mit TOXOPLASMA und PESTPOCKEN im Punk-Haus in der Kopernikusstraße statt. Mehrere hundert angereiste Punks konnte nicht in die Kopernikus, da der Raum zu klein war. Es kam zu Auseinandersetzungen mit den Bullen, bei denen 74 Punks festgenommen wurden. Es gab 22 Verletzte, darunter vier Bullen. Die abendliche Filmpremiere verlief ruhig.

Die folgenden Jahre in Hannover
Die Versuche, die Chaostage in Hannover in den Jahren 2010 und 2015 aufleben zu lassen, stießen auf wenig Resonanz. Nur wenige und vor allem einheimische Punks folgten den Aufrufen. Was bleibt? Gerade die Chaostage 1995 werden auch heute noch in der lokalen Presse als „Traumatisches Erlebnis für die Hannoveraner Polizei“ bezeichnet. Die in den Neunziger Jahren einsetzende Gentrifizierung der alternativen Stadtteile in Hannover wurde zumindest in der Nordstadt durch die Chaostage für mehrere Jahre erfolgreich verhindert – leider ist das inzwischen nicht mehr so. Und was ein Aufruf zu Chaostagen immer noch bewirken kann, wurde 2022 auf Sylt deutlich.

Chaostage auf Sylt 2022
„Die Geister, die ich rief“ – besser kann mensch es nicht formulieren. Als die Pläne für das 9-Euro-Ticket der Bahn bekannt wurden, sagte der Geschäftsführer von Sylt Marketing, in einem Interview, dass die Infrastruktur der Insel nicht auf ein erhöhtes Aufkommen an Reisenden, wie es durch die Einführung des 9-Euro-Tickets zu erwarten sei, gerüstet sei. Schnell wurde das im Internet aufgegriffen und angekündigt, die Promi-Insel in Massen zu besuchen. Und bald wurde auch zu Chaostagen aufgerufen, dieses Mal gleich für drei Monate. Die ersten Punks kamen am 1. Juni an und bevölkerten den Innenstadtbereich von Westerland. Ihr Bier ließen sie sich teilweise via Amazon direkt auf die Insel liefern. Am 16. Juli fand eine Demo unter dem Motto „Sylt entern! Make The Rich Pay“ von Westerland nach Kampen statt. Am Abend gab es dann ein Konzert mit MÜLHEIM ASOZIAL. Anfang August wurde ein Protestcamp der Punks im Rathauspark angemeldet mit dem Ziel, die Vermögensverteilung und die Privilegien der Wohlhabenden infrage zu stellen. Das Camp bestand bis Ende September. Der Bürgermeister von Sylt sagte später in einem Interview, dass die Punks dem Image von Sylt nachhaltig geschadet hätten.