Natürlich kann man THE BUTCHER SISTERS unterstellen, stumpf oder schlicht zu sein. Stücke wie „Der Nudelsong“, „Bierdurst“ oder „Freitag“ sind auf den ersten Blick vielleicht keine philosophischen Großwerke. Doch im Gespräch mit Stroppo und Alex, den beiden Sängern der Band, wird klar, dass doch viel mehr Gedanken hinter der Band stecken, als man von ihnen erwarten würde.
Euer neuer Release heißt „Das weiße Album“ und das ist schon eine Ansage. Wir haben das weiße Album von den BEATLES das blaue von WEEZER, das schwarze von METALLICA ...
Alex: Die kenne ich gar nicht.
Stroppo: Ich glaube, es ging einfach darum, dass wir das Ganze so einfach wie möglich halten wollten. Und weiß ist quasi leer. Gefühlsleer, kalt.
Alex: Ich habe gerade gegooglet. Das weiße Album von den BEATLES ist offenbar gut gelaufen, ist auch ein gutes Album anscheinend. Habe ich gerade gelesen. Was natürlich auch bei uns zutrifft.
Ihr seid die neuen BEATLES?
Alex: Ja, quasi.
Muss man manchmal mit Szenekonventionen brechen, um weiterzukommen? Viele nehmen sich ja sehr ernst, aber so Bands wie ihr oder ELECTRIC CALLBOY kommen dann mit einer gewissen Selbstironie und das spricht sehr viele Leute an.
Stroppo: Ohne Irritation geht es nicht. Ich will irritieren, ich will auch irritiert werden. Ich bin für brechen und verzerren. Das ist das, was mich glücklich macht, das will ich auch zurückgeben. Wenn man nur das macht, was es schon gibt, ist das ja auch vielleicht ganz nett. Aber mir würde das nicht reichen. Ich will unbedingt Dinge falsch machen und so weit verzerren, dass Leute davon irritiert sind und zum Denken angeregt werden. Ehrlich, ich denke auf jeden Fall, Konventionen sind dafür da, mehrmals zerbrochen zu werden.
Alex: Ich sehne mich nach Einfachheit, wenn es um Musik geht. Wenn ich jetzt Musik höre und ich gehe meinen Release Radar durch, dann habe ich das zehntausendste Lied darüber, wie schlecht irgendwie alles ist. Weißt du, was ich meine? Und ich glaube, diese Einfachheit ist gerade nach den Corona-Jahren etwas, das wir uns alle irgendwie tief im Inneren wünschen. Und deshalb war das auch nötig.
Einfachheit wird auch oft mit dumm oder schlecht gleichgesetzt. Wenn du jetzt jemanden fragst, was ist denn einfache Musik für dich, dann wird die Person wahrscheinlich sagen, Schlager oder so Ballermann-Kram, also irgendwas, das auch eine KI machen könnte. War es da für euch leicht zu sagen, wir machen jetzt einfache Musik, oder gibt man sich auch ein Stückweit eine Blöße dadurch, dass man so was eben mag?
Alex: Also ich glaube, die Musik war noch nie wirklich einfach, aber vielleicht einfach zugänglich. Vielleicht sollte man es so sagen.
Stroppo: Nicht tiefsinnig, wie man es vielleicht gewohnt ist.
Alex: Aber trotzdem immer noch mit einem musikalischen Anspruch. Der sollte auf jeden Fall da sein.Wir werden wahrscheinlich, wobei ich niemals nie sage, aber wir werden niemals so einen Four-Chord-Song machen wahrscheinlich.
Stroppo: Ja, warte mal, chill.
Alex: Ich wollte gerade sagen, eigentlich wäre es nötig.
Stroppo: Ein Lehrer auf der Uni hat mal gesagt, man darf erst reduzierte Soli spielen, wenige Noten spielen, wenn man alles kann. Wenn man noch nichts gelernt hat, dann sollte man Gas geben. Aber wenn man alle Töne kann, dann darf man wenig davon spielen. Und weil wir von TBS die Besten sind und alles können, no flex, aber wir sind über dreißig und wir unser Leben lang nichts anderes außer Musik gemacht haben, um uns auszudrücken und Spaß zu haben, da wird man irgendwann gut oder versiert oder virtuos. Und irgendwann haben wir entschieden, wir haben jetzt keinen Bock mehr, uns den Arsch aufzureißen. Wir wollen Spaß haben und wollen das selber mögen. Und wir sind halt lustig und schlicht. Und deswegen haben wir das angepasst. Und seitdem geht es uns sehr gut damit. Das dürfen Leute haten und dumm finden, aber genau das ist ja auch der Sinn dahinter. Ich bin ein Riesenfreund von großer Reibung. Wenn es allen gefällt, dann machst du was falsch. Ich will, dass uns die andere Hälfte gottlos liebt, weil sie versteht, wie wir das machen. Weil es einfach und schlicht und lustig ist, Leute, die nicht so viel darüber nachdenken. Und ich will, dass uns die andere Hälfte komplett hasst. Das ist toll, das erzeugt den größten Effekt. Das ist doch prima, wenn da was passiert.
Alex: Ja, da kann ich zustimmen.
Aber wie ist es, innerhalb der eigenen Fanbase zu polarisieren? Ihr habt euch ja auch von eurem ersten Album distanziert, habt gesagt, das sehen wir jetzt anders, was wir da gemacht haben, was wir da gesagt haben. Wenn man sich da jetzt die Kommentare anschaut, das waren ja schon auch Leute, die euch geliebt haben und jetzt sagen, das finde ich aber mega scheiße, was ihr macht.
Stroppo: Wir machen uns immer über alles lustig, wir sind lustige Typen. Und wir haben uns damals über Beatdown, kennst du ja, diese Genre, lustig gemacht, oder über HipHop und alles, was früher noch so im Trend war. Diese ganze diskriminierende Scheiße und dieser Witz, dieser Humor. Wir haben uns über die Szene, über diese Brutalität und dieses Übertriebene lustig gemacht und das parodiert. Haben auf stabile Gangsteratzen gemacht, die Stress suchen. Das waren wir nie, aber wir fanden die Szene halt so lustig, dass wir es nachgemacht haben. Wir haben das aber wohl so gut imitiert, dass wir auch die richtigen Fans davon angezogen haben. Die Beatdown-Fans, die sich dann auf dem Konzert die Zähne aus der Fresse geschlagen haben. Nicht jedes Mal, aber es war einfach so der Vibe, wir wurden als Beatdown-Band identifiziert. Wir sind aber liebe, lustige Jungs. Der Spaß wurde falsch verstanden. Beziehungsweise wir haben den Witz so gut erzählt, dass man nicht gecheckt hat, dass es ein Joke ist. Und wir haben gemerkt, wir wollen Spaß haben und eben keine Asis. Und das finde ich lustig, die meisten Leute, die dann kommentieren, die sich darüber beschweren, dass das Album weg ist, mit dem wir uns nicht mehr identifizieren wollen, sind meistens die, die uns Pussys nennen oder schwul oder verweichlicht. Das sind genau die Leute, von denen wir uns fernhalten wollten, indem wir nicht mehr solche Musik machen. Deswegen haben wir auch mittlerweile nicht mehr so Bock, das Album noch mal neu aufzunehmen, weil wir merken, wir würden es dann quasi für viele, sagen wir mal, falsche Leute wieder zurückbringen. Wir wollen das nicht mehr haben. Klar, Humor ist ein breites Thema. Du kannst über alles lachen, nur nicht mit jedem, hat der Rapper Maxim mal gesagt. Aber wir sind das nicht mehr und wir haben auch keinen Grund mehr, das zurückzubringen, weil es keinen Sinn macht. Wir waren das nie, wir haben es parodiert und das wurde falsch verstanden von den falschen Leuten.
Alex: Man muss auch überlegen, es war eine andere Zeit. Gerade Anfang der 2010er Jahre hat noch ein ganz anderer Zeitgeist geherrscht. Da war Kollegah groß, da wurde gerade Haftbefehl richtig groß, gerade wenn es um so Deutschrap-Sachen ging. Da war es auch völlig normal, dass Texte geschrieben wurden, die aus heutiger Sicht, die auch meiner Einstellung heutzutage komplett widersprechen, die einfach kacke sind. Wir haben es halt adaptiert, aber wir haben es, wie Stroppo auch gerade gesagt hat, einfach zu gut gemacht und dadurch einfach ein falsches Publikum angezogen. Das war das Problem.
Stroppo: Wir haben das so imitiert, auch textlich, dass Leute denken könnten, jawoll, das sind richtige Beatdown-Atzen. Die sind gewaltbereit. Nein, das waren Jokes.
Alex: Ich frage mich teilweise, wie das wirklich funktioniert hat. Ganz am Anfang, wo wir noch nicht dieses Adidas-Image hatten, da hat unser alter Shouter auf einem Foto ein S. Oliver-Shirt an. Er sieht so überhaupt nicht böse aus und trotzdem hast du diese Ochsen vor der Bühne, die sich dann die Zähne ausschlagen. Also es war ein komischer Anblick teilweise.
Stroppo: Wir wollen Spaß haben. Und die Musik sehr schlicht. Dann kommen Leute aufs Konzert, die alle Spaß haben und hüpfen und ihr Leben genießen.
Alex: Ja, darum geht es. Wir wollen Spaß, die Leute wollen Spaß, alle haben Spaß, wunderbar.
In dem Zusammenhang muss ich natürlich auch an diese ELECTRIC CALLBOY-Geschichte denken, die ihren Namen geändert haben und jetzt auch kritischer mit ihrer Vergangenheit umgehen. Da habe ich auch mit den Jungs darüber gesprochen, ein längeres Interview geführt. Und was sich für mich so ein bisschen herauskristallisiert hat, ist auch, dass du dir die Band zurückholst. Das ist für die, glaube ich, extrem befreiend gewesen, ihren Namen zu ändern und damit einen Teil der Leute freundlich zum Ausgang zu bitten.
Stroppo: Ich kann den Groll verstehen. Ich kann es voll verstehen, wenn einem etwas weggenommen wird und so was. Aber das ist wie mit dem Gendern oder dergleichen. Ich finde nicht, dass man es machen muss. Aber etwas gegen eine gute Sache zu haben, ist ein Problem. Dieses Dagegensein, kein Verständnis dafür haben, dass auch Menschen sich weiterentwickeln. Wir haben auch einzusehen, dass wir uns entwickelt haben. Das ist auch ein wichtiger Punkt. Früher habe ich viel weniger nachgedacht. Das war ein ganz anderer Zeitgeist. Mein Lieblingswort war „Du Hurensohn“. Weil das so ein schön knackiges, cooles Wort ist. Früher war das noch cool, aber dann ging es los, dass man sich, zum Glück, Gedanken gemacht hat, wie Dinge ankommen. Der Zeitgeist ändert sich. Hater würden sagen, die „Woke-Bubble“ war das und so, aber ich finde es stark, dass man sich endlich mal bewusst macht, was diese ganze Diskriminierung auslöst und was das bedeutet, dass die Sprache Menschen und auch einfach alles verändert. Und ich bin da mit eingestiegen. Ich finde es schön, dass nicht mehr so gottlos beleidigt wird. Privat, let’s go. Meine Freundin und ich, das ist ekelhaft, wenn unsere WhatsApp-Chats geleakt werden, bin ich am Arsch, haha! Aber das ist Spaß. Das ist Spaß, das ist Grenzüberschreitung. Wir kitzeln daran, was Verbotenes zu sagen. Aber in der Öffentlichkeit, finde ich, muss das nicht mehr sein. Es gibt immer mehr Leute, die unter so einer Scheiße leiden, wenn wir so Scheißtexte raushauen, die den Spaß nicht verstehen. Die dann wegen uns gemobbt werden, weil Leute sagen: „TBS, die Männer, die wissen es läuft.“ Ich will da nichts supporten und ich finde es gut, dass Humor auch gewaltfrei und ohne Diskriminierung funktionieren darf.
Alex: Ich kann Hörer verstehen, die das schade finden. Aber seit zwanzig Jahren finde ich es schade, dass LINKIN PARK keinen NuMetal mehr machen. Aber das ist die Entscheidung der Band und zweitens ist es keine politische Meinung. Sobald es einem selber klar wird, dass man vielleicht einen Fehler gemacht hat, und man ist so aufrichtig und sagt, okay, das war jetzt blöd, das hat die falschen Leute angesprochen, wir wollten das nicht, wir wollten das niemals so nach außen tragen, und als logische Folgerung, als Konsequenz nehmen wir das halt raus.
© by Fuze - Ausgabe #109 Dezember 2024 /Januar 2025 2024 und Dennis Müller