In Sachen 77er-Punk-Konzerte ist Düsseldorf sicherlich eine der aktivsten Städte hierzulande. Etwas mau sieht es hingegen mit entsprechenden Bands aus der Rheinmetropole aus. Eine Ausnahme stellen THE BULLOCKS dar, die vor kurzem mit „Ready Steady Cash“ ein prima kickendes Punkrockalbum vorgelegt haben. Mit Micha, dem Schlagzeuger der nach eigenen Angaben „zweitältesten Punkband Düsseldorfs“, sprach ich allerdings nicht nur über ihre Heimatstadt.
Ihr seid im Dezember mal wieder mit PETER & THE TEST TUBE BABIES unterwegs gewesen. Wie ist die Tour für euch gelaufen?
„Mal wieder ist gut. Ich glaube, mittlerweile ist es auch für uns so etwas wie eine lieb gewonnene Tradition geworden, mit den Engländern zu Weihnachten auf Tour zu gehen. Macht eigentlich jedes Mal großen Spaß, weil wir uns untereinander gut verstehen und alles sehr entspannt und locker abläuft. Seltsamerweise kommt zu den Konzerten auch immer ein Haufen Leute, obwohl Peter seit Jahren kein neues Album rausgebracht hat. Von daher macht‘s schon Bock, zwischendurch in größeren Hallen zu spielen. Außerdem sind die Touren professionell durchorganisiert. Du musst dich um nix kümmern, vom Schlafen übers Essen bis zu jedem anderen Kleinscheiß. Die Konzerte selber waren für uns auch gut. Wie oft passiert es dir, dass du bei solchen Konzerten mit schlechtem Sound und zu wenig Licht abgezockt wirst, und was es da sonst noch alles für blöde Tricks gibt. Das haben wir mit Peter noch nie erlebt. An dieser Stelle einen schönen Gruß an Henry, unseren albanischen Veranstaltungsgott. Der Typ macht sonst nur ganz fürchterliche Metal-Bands. Die Peter-Touren macht er schon seit Jahren, und es sind die einzigen Punk-Konzerte, die er bucht. Obwohl die Engländer und wir mit Sicherheit unproblematischer sind, als die ganzen Langhaarigen. Uns reichen abends ein paar Kisten Bier und wir sind zufrieden.“
Die Engländer sollen ja ganz schön was an Alk wegziehen, hört man ...
„Du hast eigentlich jeden Tag denselben Ablauf. Irgendwann gegen Mittag kommen wir an der Halle an. Bis zum Abend schlägst du die Zeit tot, und dann fängst du auch schon an zu trinken – das ergibt sich dann schon fast zwangsläufig. Was mir immer etwas gestunken hat, ist, dass du nach den Gigs nicht noch irgendwo feiern gehen kannst, wie man es eigentlich sonst immer macht, wenn du bei Leuten privat pennst, sondern wir immer so zwei, drei Stunden nach dem Gig weitergefahren sind. Die Engländer sind auch nie in irgendwelche Kneipen mitgekommen, sondern wollten immer nur im Bus sitzen bleiben und da trinken. Im Bus gibt‘s eine kleine gemütliche Ecke mit Polstergarnitur, wo wir dann halt jeden Abend immer noch bis fünf oder sechs Uhr zusammengesessen und gefeiert haben. Und, wenn du dann irgendwann keinen zusammenhängenden Satz mehr rausbringen konntest, hast du dich halt in deinen kleinen Bunker zum Pennen verkrochen. Und das eine Woche lang ...“
Eure neue Platte heißt „Ready Steady Cash!“ und der beste Song darauf „Economia“. Sind THE BULLOCKS jetzt in der Wirtschafts- und Finanzwelt zu Hause?
„Ja, wir haben die Band in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und bereiten den Börsengang in ganz großem Stil vor. Nee, eigentlich sind die Texte auch nicht ganz so wichtig. Da sollte man nicht zuviel reininterpretieren. Wir wollen mit unseren Liedern nicht die Welt verbessern, und sie beinhalten auch keine hochpolitischen Aussagen zu irgendwelchen brisanten Themen. Wenn jemand mit uns über Politik diskutieren will, so kann er das jederzeit gerne machen, aber wir wollen niemanden mit unseren Liedern bekehren. Außerdem machen wir Punkrock, und da sollte eine gewisse politische Attitüde eigentlich vorausgesetzt werden. Bei ‚Ready, Steady, Cash‘ haben wir uns das erste Mal so richtig Zeit gelassen, die Lieder auszutüfteln. Früher war das meistens eine ziemlich schnelle Sache, die Lieder zu schreiben. Diesmal haben wir mit kleinen Unterbrechungen fast ein Jahr lang daran gearbeitet. Die Lieder sind etwas ausgefeilter als früher, und wir glauben schon, dass wir uns, gerade weil wir mit Luki nun einen neuen, verdammt guten Gitarristen haben, musikalisch ein klein wenig verbessert haben.“
Ihr macht jetzt im 16. Jahr klassischen 77er-Punk. Kann man damit heute noch neue Fans gewinnen?
„Man kann mit der Mucke grundsätzlich nicht die Massen zu Konzerten locken. Bei den Konzerten im Dezember ist mir aber aufgefallen, dass neben vielen älteren Herrschaften, die wie wir so Ende 30 sind, auch einige junge verirrte Seelen so um die Anfang 20 da waren, und das wohl ganz gut fanden, was wir da so auf der Bühne fabriziert haben. Immerhin haben viele ein Shirt oder ‘ne Platte gekauft. Von daher haben wir mit Sicherheit einige neue Freundinnen und Freunde gefunden, die hoffentlich beim nächsten Mal wiederkommen.“
Als ihr euch 1988 gründet habt, gab es in Düsseldorf mit Bands wie STUNDE X und den TOTEN HOSEN eine bunte lebendige Szene. Wie sieht das heute aus? Kommt da was nach?
„Düsseldorf war eigentlich immer ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite hast oder hattest du richtig gute Bands. Auf der anderen Seite ist es hier wie mit der Fortuna im Fußball, dass es eigentlich doch keine richtige Fußballstadt ist. In den letzten Jahren sind es auch immer weniger Bands geworden, die klassischen 77er-Punk machen. Mir fallen da noch die SCHWARZEN SCHAFE ein, wo ich zufällig auch noch Schlagzeug spiele. Ansonsten war‘s das auch schon. Einige junge Bands machen diesen typischen Fat Wreck-Sound. Die haben musikalisch alle richtig was drauf, sind allerdings nicht so unbedingt mein Ding. Ansonsten fehlt hier auch der typische Szenetreff, wie es bis in die 80er der Hof und in den 90ern der Dschungel war. Der Ratinger Hof hat zwar wieder geöffnet, und es finden dort auch Konzerte statt, aber es ist halt nur noch eine normale Indie-Disco. Nicht mehr und auch nicht weniger. Sonst sind alle Leute doch sehr verstreut.“
Vor einiger Zeit stieg mit Holger Santana euer langjähriger Gitarrist aus, der sich Gerüchten zufolge als Koch in einer Kneipe verdingt. Wie heißt der Laden, und kannst du ihn empfehlen?
„Unser Holger hat sich einen alten Kindheitstraum erfüllt und engagiert sich nun in der Führungsetage einer netten kleine Kneipe namens ‚Die Erbse‘ in Düsseldorf-Flingern. Er hat dort in monatelanger Schwerstarbeit eine alte chinesische Pommesbude zu einem Spezialitätenrestaurant umgebaut. Dem wurde es mit dem ständigen Rumreisen mit der Band einfach zu viel, und er musste sich dann irgendwann mal entscheiden, ob er mit Punkrock oder Kochen reich und berühmt werden will. Das Essen in der Erbse ist sehr gut, aber ein wenig teuer. Wenn du aber richtig lecker futtern willst, bist du da genau richtig.“
Trotz aller Misserfolge der letzten Jahre stehen THE BULLOCKS treu zur Fortuna. Klappt in diesem Jahr der Aufstieg in die Regionalliga?
„Natürlich steigen wir diese Saison in den semiprofessionellen Fußball, also die 3. Liga, auf. Du glaubst nicht, was da los ist. In dieser Saison spielen unsere Jungs einen richtig tollen Fußball, und es kommen zu jedem Heimspiel immer zwischen fünf- und siebentausend Leute. Und das in der Oberliga. Unglaublich! Vor genau zehn Jahren spielte die Fortuna schon mal in der Oberliga, einige Bands haben damals eine CD, u.a. mit STUNDE X und MIMMI‘S, auf die Beine gestellt, die zumindest im Rheinland in die Annalen der Musikhistorie eingegangen ist. Ich glaube, dieses Jahr braucht die Fortuna keine guten Songs zum Aufsteigen. Das klappt auch so.“
Joey und Dee Dee sind tot. Mit welcher noch existierenden Band würdet ihr gerne unbedingt auf Tour gehen?
„Vor mehr als zehn Jahren wollten wir unbedingt mit den UK SUBS auf Tour gehen. Das haben wir vor einigen Jahren dann auch gemacht. Eigentlich hätten wir uns danach auflösen müssen. Da aber auch wir den Hals nicht voll kriegen, machen wir weiter. Ansonsten wäre ich gerne noch mit den LURKERS und GUITAR GANGSTERS auf Tour, weil ich dann jeden Abend meine Lieblingssongs live und umsonst hören könnte.“
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