BUFFALO DAUGHTER

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Japanische Bands genießen bei mir schon aus Prinzip einen besonderen Status, da kann man nichts machen. Es sei mal dahingestellt, was man über die japanische Kultur denken mag, und was man originär japanisches dabei zu finden glaubt, vor allem wenn man sieht, wie westlich unterwandert die asiatische Welt doch ist. Man nehme nur die guten alten GUITAR WOLF, die sicherlich keine wirkliche musikalische Offenbarung sind, aber mit ihrem radikalem Mülltonnen-Posertum genau die richtige Antwort auf die Langweile waren, die der Großteil der US-Rock’n’Roll-Welt schon seit Jahren versprüht.

Aber auch ein japanischer Popstar wie Chara kommt nicht ohne die Einbeziehung westlicher Einflüsse aus. Spätestens wenn man Charas Version von „My Way“ hört, dürfte das klar sein, wobei Chara schon eher für das steht, was wahrscheinlich viele für japanische Popmusik halten: zuckrige Sounds aus einer Pastellfarbenwelt, vorgetragen von Sängerinnen, die eine mehr als deutliche Bestätigung für den gerne unterstellten Lolita-Komplex der japanischen Gesellschaft zu sein scheinen.
Gegen dieses Bild lehnten sich PIZZICATO FIVE schon Ende der 80er auf, und wurden damit auch in der westlichen Welt richtig populär, da sie mit Clubsounds und Pop etwas ähnliches anstellten wie GUITAR WOLF mit Rock’n’Roll. Ein anderer japanischer „Star“ wie Cornelius steht da eher für einen gelungenen und ernsthafteren Crossover aus Rock und Elektronik, und sein letztes, hervorragendes Album „Point“ bringt dieses Prinzip mehr als überzeugend auf den Punkt.
In dessen musikalischem Umfeld tauchen auch BUFFALO DAUGHTER auf – bestehend aus Moog Yamamoto, Sugar Yoshinaga und Yumiko Ohno –, die auf dem BEASTIE BOYS-Label Grand Royal mit „Captain Vapour Athletes“ (von 1996, und eine Zusammenstellung von Material ihrer nur in Japan erschienenen Frühwerke „Shaggy Headdressers“ und „Amoeba Soundsystem“) und „New Rock“ (1998) zwei sehr schöne, aber auch recht schräge Platten herausbrachten, die jeden TORTOISE-Fan erfreuen dürften, neben diversem Kleinkram und Remix-Zeug.
Grand Royal sind inzwischen pleite, womit auch der BUFFALO DAUGHTER-Backkatalog vorerst in der Versenkung verschwunden ist. Was bleibt, ist ein aktuelles Album namens „I“ (wo auch John McEntire von TORTOISE ein Gastspiel gibt), erschienen bei Emperor Norton, und neben „Point“ von Cornelius schöne Beispiele der letzten Zeit für die Sonderstellung japanischer Bands und Musiker. Live traten sie hierzulande nur als Vorband von Money Mark in Erscheinung, und wurden von der schreibenden Zunft trotz genügend trendiger Faktoren bisher eher mal übersehen. Kurz nach Beendigung der Fußballweltmeisterschaft in Japan habe ich Sugar Yoshinaga am Telefon, Sängerin und Gitarristin von BUFFALO DAUGHTER.

Und, hat Japan das Fußballfieber gut überstanden?


Ja, haha. Fußball ist hier aber nicht so populär wie in Europa. Baseball ist viel populärer. Vor der Weltmeisterschaft waren die meisten Leute auch nicht so begeistert davon, das ging erst während der Weltmeisterschaft los. Herzlichen Glückwunsch übrigens, Deutschland hat ein wirklich sehr gutes Team. Ich war sehr beeindruckt. Der Torwart war so toll.

Der Torwart war auch das Beste an der Mannschaft... Baseball, tatsächlich?! Das ist aber sehr amerikanisch...

In Japan gibt es generell viele amerikanische Einflüsse. Ich war mal mit einem Tontechniker aus Deutschland in den Staaten auf Tour, da waren wir in einer sogenannten ‘Sport-Bar’ – das ist wirklich sehr amerikanisch –, wo sie gerade ein Baseballspiel zeigten. Und er hatte keine Ahnung, was während des Spiels vorging. Das hat mich damals ziemlich überrascht.

Apropos „sehr amerikanisch“, euer Bandname könnte wohl kaum amerikanischer klingen...

Findest du wirklich, haha. Als wir die Band gründeten, waren wir unheimlich vernarrt in Amerikanische Kultur, vor allem ‘Twin Peaks’ von David Lynch hatte es uns ziemlich angetan, wo all diese verstörenden Bilder von Amerika auftauchten. Dieses schräge Bild amerikanischer Kultur hat uns damals ziemlich fasziniert. Und wir dachten, der Büffel wäre ein gutes Symbol für das ursprüngliche Amerika. Da wir damals noch drei Frauen in der Band waren, kam dann die ‘Tochter’ irgendwie dazu...

Euer Name taucht ja neben Cornelius, PIZZICATO FIVE, CIBO MATTO oder Takako Minekawa immer im Kontext des Begriffes „Shibuya-Kei“ auf. Was hat es damit genau auf sich?

Das ist eine Musik-Szene, die sich Mitte der 90er entwickelte, vor allem durch Cornelius oder PIZZICATO 5. Die waren stark von Soundtracks beeinflusst, vor allem aus Frankreich aus den 50er, 60er und 70er Jahren. Das nannte man dann Shibuya-Kei. ‘Shibuya’ ist ein großes Einkaufsviertel in Tokyo, wo es auch viele Plattenläden gibt, und wo Cornelius und PIZZICATO 5 quasi ihre Bands gegründet haben. ‘Kei’ heißt einfach nur Stil. BUFFALO DAUGHTER hatten damit aber nie direkt etwas zu tun, und ich weiß auch nicht, warum unser Name in diesem Zusammenhang immer auftaucht.

Vielleicht liegt es daran, dass es dabei vor allem um Einflüsse westlicher Popmusik geht, die ja auch bei euch zu finden sind...

In der Musikszene Japans gibt es natürlich viele Bands, wo dieser Einfluss zu spüren ist, das stimmt. Genau wie zum Beispiel Cornelius hören wir uns auch viele amerikanische Bands an, und versuchen vielleicht tatsächlich aus all diesen Einflüssen etwas zu konstruieren, wobei das, was wir machen, natürlich anders klingt. Wir bauen es neu zusammen, in etwas, das wir wirklich mögen. Wobei Amerikaner und Europäer immer meinen, dass japanische Musik völlig anders klingen würde, was wir eigentlich nicht so sehen.

Was wäre denn überhaupt typisch japanisch?

Chart-Musik wie J-Pop ist schon sehr japanisch. Es gibt da immer diesen extrem hohen Gesang und typische Beats, was wir aber nicht besonders mögen. Jeder hört sich das an. Die meisten Leute lieben halt Karaoke und J-Pop ist perfekt dafür. Wenn du Popmusik machst, die gut bei Karaoke funktioniert, ist dir ein Hit sicher.

PIZZICATO 5 gelten ja hierzulande auch als J-Pop, was unterscheidet sie konkret davon?

PIZZICATO 5 machen das natürlich auf sehr ironische Weise – und musikalisch gehen BUFFALO DAUGHTER da sowieso in eine ganz andere Richtung. Vor PIZZICATO 5 war die J-Pop-Szene ziemlich mies und ich glaube, dass sich Yasuharu Konishi deswegen generell ein bisschen Sorgen um die Zukunft der japanischen Musik-Szene gemacht hat. Er wollte wirklich mit seiner Musik den Durchbruch schaffen, was aber schwierig war. Eigentlich mag er überhaupt keinen J-Pop, aber ihm war klar, dass er etwas ähnliches machen musste, um damit Erfolg zu haben. Er nahm Elemente von J-Pop und schuf mit viel Ironie quasi eine neue Art von J-Pop.

Und wie kam diese Ironie beim japanischen Publikum an?

Ich glaube, die meisten haben das noch nicht einmal wahrgenommen. Sie haben PIZZICATO 5 akzeptiert, weil sie eine Popband sind. Man kann sich das gut anhören, da sie sehr eingängige Songs haben. Mehr interessiert die Leute, die J-Pop hören, auch nicht.

BUFFALO DAUGHTER haben sich 1993 gegründet, gab es davor schon eine andere Band?

Davor war ich mit Yumiko schon zusammen in einer anderen Band, die HAVANA EXOTICA hieß. Wir haben da viele Jahre zusammen gespielt und zwei Platten gemacht. In der Zeit trafen wir auch Moog, der damals das Cover für eines unserer Alben gemacht hat. Eigentlich machen Yumiko und ich bereits seit unserer Kindheit Musik, damals waren CHEAP TRICK, KISS oder QUEEN unsere Stars, haha.

Was für einen Status als Band haben BUFFALO DAUGHTER eigentlich in Japan? In Europa und Amerika seid ihr ja eher mal eine Indie-Band.

Das ist in Japan nicht anders, wobei ich gestehen muss, dass wir hier sogar auf einem Majorlabel sind, nämlich EMI. Cornelius ist auf einem viel kleineren Label, verkauft aber viel mehr Platten, was schon eine ziemliche Ironie ist. In den Staaten ist es bei ihm nicht anders als bei uns, auch wenn er auf Matador ist. Da kennen ihn nur ganz bestimmte Leute, aber in Japan ist er ein Popstar. Die Leute erkennen ihn sogar auf der Straße. Zwischen uns und ihm gibt es sicher stilistische Ähnlichkeiten, und wir sind gute Freunde, aber er ist hier nun mal ein Popstar und wir nur eine kleine Undergroundband, haha. So ist das eben. Wir haben vor kurzem erst mit ihm zusammen gespielt und einige Cornelius-Fans kennen uns natürlich auch.

Dabei hattet ihr in Amerika mit Grand Royal ja eigentlich eine denkbare gute Ausgangsbasis. Wie kam der Kontakt damals zustande?

Die Verbindung ergab sich durch LUSCIOUS JACKSON, die wir sehr mögen. Als die mal in Japan waren, gaben wir ihnen während einer Show unsere CD. Als sie wieder in den Staaten waren schrieben sie uns, dass ihnen unsere Platte sehr gefallen hat und machten uns mit Mike D. bekannt, der Grand Royal damals geleitet hat. Er mochte die Platte auch und machte uns ein Angebot. Und für uns war es gut, auf einem Label zu sein, dass von jemand geleitet wurde, der selber Musiker ist. Wie du weißt, geht es der Musikbranche insgesamt nicht so gut, und Mike D. hätte das Label sicher weitermachen wollen, aber es ist gar nicht so einfach, da im Geschäft zu bleiben. So ging es vielen Indie-Labels in den Staaten in den letzten Jahren. Und zum Beispiel Matador sind ja von einem Major geschluckt worden.

Und was geschieht jetzt mit euren alten Platten?

Wir werden sie wohl in der nächsten Zeit auf einem anderen Label neu veröffentlichen, aber wir sind nicht sicher, auf welchem. Im Moment beschäftigen wir uns mehr mit dem neuen Album...

...das bei Emperor Norton erschienen ist, von denen ich bisher noch nicht allzu viel gehört habe, wie ich gestehen muss.

Emperor Norton haben ein richtig gutes Programm, wir kennen sie schon eine ganze Weile. Denn Takako Minekawa, die Frau von Cornelius, ist auch auf dem Label, für die wir vor ein paar Jahren mal ein Album produziert haben. Und als Grand Royal dicht machen mussten, waren Emperor Norton sofort sehr interessiert. Wir fühlen uns bei einem Indie viel wohler, unsere Musik ist auch nicht für ein Major-Publikum gedacht. Wobei die Leute bei EMI in Japan ihren Job verstehen und wir bestimmen können, was wie gemacht wird. Insofern ist es fast so, als ob wir auf einem Indie-Label wären. Natürlich versuchen sie alles mögliche, um unser Album gut zu verkaufen, aber bisher ist es ihnen noch nicht so recht gelungen, haha.

Würdest du sagen, dass „I“, euer neues Album, irgendwie songorientierter und kommerzieller ausgefallen ist?

Bei der neuen Platte waren wir es leid, dass jeder gesagt hat, unsere bisherigen Platten wären irgendwie seltsam. Und wenn jeder das sagt, nervt es irgendwann. Wir selbst haben das zwar nicht geglaubt, aber wir wollten den Leuten beweisen, dass wir durchaus in der Lage sind, normale Popmusik zu machen. Aber trotzdem finden die Leute unsere Musik immer noch seltsam. Wir sind etwas ratlos und wissen wirklich nicht, was wir jetzt noch anders machen können, haha.

Stimmt es eigentlich, dass ihr ansonsten euren Lebensunterhalt mit Musik für Computerspiele und solchen Sachen verdient?

Genau, das machen wir immer noch. Wir haben gerade die Musik für ein Online-Spiel aufgenommen. Außerdem haben wir Musik für ein Handy gemacht. Das ist sehr populär in Japan: jüngere Leute hören sich unheimlich viel Musik über ihr Handy an. Sie laden sich die Stücke herunter und hören sie gar nicht mehr auf einem herkömmlichen CD-Player...