Vor ca. 5 Jahren habe ich das erste Mal vom "Buch Dein Eigenes Beficktes Leben" gehört, der bislang besten Punk/HC-Adressensammlung für den deutschsprachigen Raum. Nachdem ich mit meiner Band SMALL BUT ANGRY im Frühjahr 1995 einmal quer durch die Republik getourt bin, habe ich Martin Schmeil alias "the Bernd!" mit den gemachten Erfahrungen zu einigen Läden angeschrieben, woraus sich ein lockerer Kontakt sowohl zu ihm als auch zu GERM ATTACK ergab, mit denen wir daraufhin ein paar Mal gemeinsam aufgetreten sind. Da sicher viele andere Aktivisten aus der "Szene" auch prima mit dem BDEBL gearbeitet haben, wird es nun langsam Zeit, den Mann, der dahintersteckt, mal vorzustellen.
Wie bist du auf die Idee gekommen BDEBL ins Leben zu rufen?
Es fing mit den RATTLESNAKE MEN an, deren damaliger Manager, Booker und Labelboss Ralf keinen Bock mehr hatte und für den Ersatz gesucht wurde. Das war Anfang 1992. Ich hatte zu der Zeit schon ein Mini-Non Profit-Tapelabel und galt wohl als sehr engagiert. Bevor ich noch "Ja" sagen konnte, waren die RATTLESNAKE MEN aber schon in SLICK und GERM ATTACK gespalten und ich blieb an letzteren hängen. Konzerte klarzumachen erwies sich als ziemlich schwierig oder besser gesagt unmöglich. Aus RATTLESNAKE MEN-Zeiten hatte ich ein paar Adressen, aber das reichte nicht. Darauf hin habe ich andere Bands angehauen und Adressen getauscht. Dabei habe ich schnell gemerkt, daß selbst viele kleine "Furzbands" habgierige, egoistische Arschlöcher sind und nicht bereit waren, ihre Sammlungen über mich an andere weiterzugeben. So habe ich mich schließlich dazu entschieden meine Sammlung zu kopieren und umsonst in Form von zwei Nullnummern zu verteilen, um diese Raffgiermentalität und den professionellen Handel kaputtzumachen. Natürlich wäre ich erst gar nicht soweit gekommen, wenn mir nicht Leute wie Dirk von DOG FOOD FIVE, Mario von den SWOONS und viele andere, vor allem auch Micha von GERM ATTACK geholfen hätten. Die Idee an sich war nicht neu: Ich kannte die Liste des Deutschen Rockmusikerverbands, die zumindest damals aber noch unaktueller war als das BDEBL jetzt, die "Bandmappe", die ich aber leider nie selbst in Händen hielt, und natürlich das "Book Your Own Fucking Life"-Projekt aus den USA, hinter dem das Maximumrocknroll steckte: von dem ich mir den Namen und den Machbarkeitsbeweis genommen habe. Außerdem haben mir Leute von den Händlerlisten erzählt (50 DM für 10 Fotokopien), usw. Ich wollte das zum Selbstkostenpreis machen, denn ich dachte mir, daß nur wenn alle sehen, daß sich niemand bereichert, sie auch bereit sind sich hinzusetzen und vielleicht mal ´ne halbe Seite oder mehr zu schreiben und mir zu schicken.
Lebt man nicht sehr einsam, wenn man die ganzen zugeschickten Daten auswertet, aufbereitet, layoutet etc.?
Einsam ist das falsche Wort. Bevor ich umgezogen bin und alle meine Telefonnummer kannten, habe ich am Tag 10 Anrufe bekommen von Leuten, die mit mir über´s BDEBL sprechen wollten. Die Arbeit selbst ist natürlich absolut öde, da fällt´s mir schon leichter was für ein Zine zu schreiben oder ein Cover zu designen. Manche Briefe haben einen persönlichen Halbsatz drinnen und das macht´s etwas erträglicher. Claudia, meine Freundin, hat mich auch am Anfang sehr unterstützt und in den Arsch getreten, die Nullnummern fertig zu machen.
Die Punk/HC Szene war ja sehr dankbar für deine Adressensammlung. Gab es auch negative Stimmen?
Ja, natürlich. Zum einen die oben erwähnten Bands, die das generell scheiße fanden, die sahen das wohl als Konkurrenz. Dann kam der eine oder andere Händler mit Drohungen, die sich entweder nach körperlicher Gewalt oder rechtlichen Schritten angehört haben, indirekt zumindest, und natürlich auch von Leuten, die nun vielleicht etwas zu viel Interesse an ihrem Club, Label, usw. entgegengebracht bekamen. Das BDEBL sollte allen eine Möglichkeit geben irgendwas selbst zu machen bzw. irgendwo mitzumachen. Leider haben viele etablierte Aktivisten im Punk/HC-Bereich da eine andere Auffassung und unterstützen beispielsweise, wenn überhaupt noch, nur solche Bands, die mehrere 10.000 oder 100.000 DM für Promotion ausgegeben haben. Alles andere ist dann nur noch eigentlich unnötiger Füller. Wenn also Beschwerden in der Richtung kommen, kann ich nur sagen, daß die Leute doch wohl besser ins echt kommerzielle Lager wechseln sollten, Westernhagen und so´n Kack.
BDEBL ist ja, wenn man den Aufwand betrachtet, spottbillig. Was hältst du von Angeboten nach dem Motto "1.000 Adressen von Auftrittsmöglichkeiten für nur 100 DM"?
Die sind meist irgendwo aus veralteten Listen abgeschrieben, teuer und unbrauchbar. Wenn jemand dafür Geld ausgibt ist er selbst schuld. Ich habe "meine" Adressen auch schon in "professionellen Listen" wiedergefunden, was mich eigentlich nur deshalb geärgert hat, weil jemand mit meiner Arbeit Geld macht und, schlimmer noch, die Sachen aus dem Zusammenhang gerissen werden. Wenn z.B. ein Punk-Schuppen ohne entsprechende Anmerkung in eine Rockliste wandert macht das keinen Sinn. Ich versuche also keine Informationen abzudrucken, die es Händlern einfach machen, die Adressen weiterzuverwenden. Auch versuche ich alles rauszuhalten, was nicht Punk und HC ist (Crossover, Hiphop, "Alternative", Metal, usw.), wobei ich Ausnahmen mache, wenn die Leute Bezug zu Punk oder DIY haben.
Im Vorwort von BDEBL 3 sprichst du davon, daß BDEBL in rechten Mailorderkatalogen als Adressensammlung 1.000er Anarchos gehandelt wurde. Ist es tatsächlich von Rechten mißbraucht worden?
Abgesehen von diesem einen Mailorder, der da ´ne Mark machen wollte, vermutlich nicht. Ich klammere Politik ja auch vollkommen aus, insofern sind die Adressen für solche Zwecke unbrauchbar. Dennoch hat mich das geärgert.
Wird es ein weiteres BDEBL geben?
Ich habe schon viel Arbeit investiert, allerdings ist noch keine Adresse eingetippt! Da muß auch noch viel kommen, bislang habe ich fast ausschließlich Bandadressen, und das ist sicherlich nicht die Hauptmotivation der Leute, sich das Heft zuzulegen. Da die letzte Ausgabe vor ziemlich genau zwei Jahren rausgekommen ist, sind die mittlerweile eingetroffenen Adressen teilweise vermutlich auch schon wieder hinüber. Übers Ox - Joachim hat ja freundlicherweise in der Vergangenheit gut Werbung gemacht - und Plastic Bomb - ohne die hätte es die letzten beiden Ausgaben auch nicht gegeben - möchte ich noch ein wenig Alarm machen und auf meine neue Adresse hinweisen und wenn dann bis Sommer immer noch Flaute ist, erklär ich das Ding offiziell für tot. Es wird dann hoffentlich andere geben, die sowas machen, so wie es das parallel zum BDEBL auch mehrfach gegeben hat. Die Adressen würde ich ggf. weiterreichen.
Welche Tips würdest du jungen Bands geben, die gerne außerhalb ihres Wohnortes auftreten möchten?
Ich halte mich nicht für einen guten Booker und staune immer, wie manche Kapellen es schaffen so schnell so flächendeckend zu spielen - MUFF POTTER fallen mir da spontan ein. Bands, die "keine Chance" haben, sollten sich vielleicht mit anderen Bands in anderen Städten zusammentun und gegenseitig lokal Konzerte klarmachen, wenn man denn mal lokale Kontakte hat. BDEBL kann in Verbindung mit einem Demo und Info, das nach was klingt und gut aussieht, sicherlich auch helfen. Man sollte sich allerdings immer in die Rolle der Veranstalter versetzen, die mit Zeug zugeschissen werden und oft eh nur aktuell gehypte Bands spielen lassen. Ein gammeliges Tape und Rumgenerve reicht da nicht, wenn ein bißchen gebastelt wird und alles nach was aussieht, nimmt man vielleicht die erste Hürde.
Auf welche Art und Weise hast du für GERM ATTACK am besten Konzerte klarmachen können?
Sehr oft habe ich Leute irgendwie kennengelernt, die, weil sie Konzerte veranstaltet haben, auch mal GERM ATTACK haben spielen lassen. Dann sind wir auch mal eine kurze Zeitlang ohne einen Finger rühren zu müssen angesprochen worden. Richtig hart erarbeitet habe ich mir nur eine Kurztour, die neben dem oben Erwähnten auch ein paar richtige Anrufe erforderte, aber auch durch Hilfestellung von anderen Bands und Freunden - zu viele, um sie zu nennen - zustande gekommen ist. Es hat ´ne Zeitlang ganz gut geklappt, weil GERM ATTACK gute Presse hatten, vielleicht auch noch von RATTLESNAKE MEN-Zeiten profitierten und ich bei ein paar Leuten wegen BDEBL, Happy Bone Recs. (speziell DEEP TURTLE) oder sonstwas ´nen Stein im Brett hatte. Ansonsten halte ich mich, wie gesagt, für eine Booking-Niete. Ich kann auch nicht sagen, welche Konzerte für die Band am besten waren: sicherlich freut man sich über hohe Festgagen und das Glück mal vor 300 - 400 Leuten zu spielen, aber so mancher nicht ideal gelaufene Auftritt wurde durchs anschließende Feiern mit den anderen Bands, Veranstaltern oder Konzertbesuchern wieder aufgewogen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #35 II 1999 und Guntram Pintgen