BRAIN FAILURE

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Coming To The USA

Xiao Rong ist mit seinen 25 Jahren schon so etwas wie der Großvater des chinesischen Punkrock. Bereits mit 15, damals noch Schüler einer Eliteschule, hatte er eine eigene Band. Bis Xiao Rong 1997 BRAIN FAILURE gründete, hörte der rebellische Teenager in China bestenfalls BON JOVI oder METALLICA. Nach der Gründung von BRAIN FAILURE änderte sich das. Vor allem in Peking entwickelte sich eine Punkszene mit vielen eigenen Bands, Konzerten und Festivals. Xiao Rongs Vater, ein hochrangiger Parteifunktionär, interessierte das herzlich wenig, er schmiss seinen Sohn raus. Seitdem trieb sich Xiao in den vielen Pekinger Kneipen herum, manche behaupten, er habe sich in dieser Zeit allein von amerikanischem Fast Food ernährt ... 1998 folgten Auftritte im inzwischen legendären Scream Club, die ausländische Presse bekam Wind vom Punkrock made in China und BRAIN FAILURE wurden zu seinem Aushängeschild, und mittlerweile ist ihr aktuelles Album „American Dreamer“ in Deutschland via People Like You Records veröffentlicht worden. Von diesem langen und beschwerlichen Weg, aber auch seinem persönlichen „American Dream“ und natürlich der Musik von BRAIN FAILURE erzählte mir Xiao Rong per eMail.

Kannst du kurz mal die Band vorstellen?
Ich bin Xiao Rong, ich habe BRAIN FAILURE gegründet, spiele Gitarre und singe. Dann ist da noch Wang Jian, auch Dee Dee Jam genannt, der ist seit 2000 dabei, spielt Gitarre und singt. Ma Jiliang spielt Bass und singt auch gelegentlich und schließlich ist da noch Xu Lin, unser Drummer.

Seit wann gibt es BRAIN FAILURE und welche Bands haben euch besonders beeinflusst?
BRAIN FAILURE habe ich 1997 in Peking gegründet. Unsere Musik ist vor allem durch Bands wie THE CLASH, RAMONES, RANCID, die DROPKICK MURPHYS und SOCIAL DISTORTION beeinflusst. Wir haben hier in China unsere eigene Punkrockszene aufgebaut. Wir haben schon ein paar Touren in Japan und den USA hinter uns. Vor kurzem haben wir unser Album „American Dreamer“ in Japan, den USA und Europa veröffentlicht. Wir versuchen so viel wie möglich zu touren, hoffentlich auch bald in Europa.

Was denkst du, warum junge Leute in China generell Punkmusik hören oder spielen?
Ich glaube, dass Punkrock eine Sache ist, die dir keine Grenzen auferlegt. Als Teenager willst du doch immer wild sein und Regeln brechen. Punkrock passt da ziemlich gut. Und wenn du dann schon mal drin bist, kannst du dir auch vorstellen, dass Punk eine größere Rolle in deinem Leben spielt. Es ist die Musik, die Kleidung, der Lifestyle, aber auch wie du denkst. Das ganze D.I.Y.-Feeling, du bist 16 und sprayst „Fuck“ auf dein T-Shirt und du fühlst dich viel cooler, als mit irgendeinem blöden Harley Davidson-Shirt. Und natürlich lässt sich Punkmusik auch sehr schnell lernen ...

Wie würdest du denn die chinesische Punkrockszene beschreiben?
Die chinesische Punkszene entstand so circa 1996 mit beschissenen Gitarren und schlechten Drums. Ich bin 1997 zu meiner ersten Punkrockshow in die „Here and Now“-Bar gegangen. Die Bands hießen UNDERGROUND BABY, CATCHER IN THE RYE und NEW PANTS. Ich war sehr beeindruckt. Am nächsten Tag gründete ich BRAIN FAILURE. Wir begannen, Songs zu schreiben, nach einem Proberaum und Bars zu suchen, in denen wir auftreten konnten. 1998 haben wir schließlich den Scream Club gefunden. Der Laden war für die Punkszene in Peking so was wie das CBGB’s in New York oder Gilman Street in San Francisco. Jedes Wochenende gab es Punkrock-Konzerte, wochentags andere alternative Rockmusik. 1999 wurde der Laden geschlossen, weil die Stadt das Gelände bebauen wollte, der Besitzer saß auf der Straße. Also gründete er ein Plattenlabel. BRAIN FAILURE und drei andere Bands – ANARCHY BOYS, 69 und REFLECTOR, SF –, die oft im Scream Club spielten, brachten dann das erste chinesische Punkrockalbum „Wu Liao Contigent“ unter dem neuen Label Scream Records raus. Und von da an nahm Punkrock eine wichtige Rolle in der chinesischen Jugendkultur ein. Ich denke, in China hat nie eine richtige Untergrundkultur existiert, deshalb ist es sehr schwer, die Leute davon zu überzeugen, dass wir nicht viel Geld damit verdienen. Wir versuchen immer, die Szene in China zu unterstützen, auch heute können wir noch quer durch China touren und finden überall eine Bar, in der wir spielen können. Es gibt auch jedes Jahr einige große Musikfestivals, die natürlich den Markt für chinesische Rockmusik verbessern. Gleichzeitig haben es die Rock’n’Roll-Musiker wirklich schwer, weil Vertrieb und die Labels schlecht organisiert sind. Wir haben große Probleme mit Bootlegs und Copyright-Verletzungen. Ich glaube trotzdem, dass sich die chinesische Szene weiter positiv entwickeln wird.

Obwohl China sich langsam zu einem Land mit mehr politischen Freiheiten entwickelt, ist die Meinungsfreiheit immer noch stark unterdrückt. Welchen Einfluss hat das auf euch und eure Musik?
China ist inzwischen zu einem sehr offenen und modernen Land geworden. Hört auf, über seine kommunistische Vergangenheit nachzudenken! Die chinesische Punkrockszene ist nicht mit der Bewegung von 1977 vergleichbar, sie entstand aus einer strengen Kultur und großem Traditionsbewusstsein heraus. Eine Möglichkeit, das neue China kennen zu lernen, ist es, sich gegenüber der chinesischen Rockmusik zu öffnen.

Gibt es ein zentrales Missverständnis, was China angeht, das du aus der Welt schaffen willst?
Ich weiß, dass China immer noch weit hinter Europa zurück ist. Aber ich war in Europa, in Amerika und Japan und ich habe herausgefunden, dass die ganze Welt gleich ist. Um Teil der Welt zu sein, braucht China ein liberaleres, internationales Image, um akzeptiert zu werden.

Ihr seid ja gerade erst von der Vans Warped-Tour zurückgekommen, wie hat es euch denn gefallen?
Die Warped-Tour war ziemlich hart für uns. Wir haben zwar nur auf fünf Shows gespielt, wir waren ja auch das erste Mal dabei. Aber auf drei Konzerten hatten wir richtig Probleme. Zweimal gab es heftigen Regen und einmal einen Bühnenunfall. Dann wurden wir noch eingeladen, auf der Epitaph-VIP-BBQ-Party zu spielen. Zusammen mit Tim Armstrong saßen wir im TRANSPLANTS-Bus. Tim einmal zu treffen, war schon immer ein Traum von uns. Dann trafen wir auch noch Lars. Also, wir haben eigentlich ziemlich viele neue Freunde seit der Tour. Direkt nach der Warped-Tour waren wir zusammen mit den BRIEFS und den STREET DOGS unterwegs. Mit den Leuten von WESTBOUND TRAIN haben wir uns auch angefreundet, eine Ska- und Reaggae-Band, die direkt nach uns aufgetreten ist.

Kannten euch die Leute auf der Tour?
Ja, wir waren schon mehrmals in den USA auf Tour und wir kennen uns ganz gut aus. Die meisten Leute waren richtig heiß darauf, uns zu sehen ...

Wieso habt ihr euer neuestes Album „American Dreamer“ genannt?
Wir haben „American Dreamer“ in Boston aufgenommen, und ich möchte, dass die Leute wissen, welche besondere Beziehung dieses Album und Amerika haben. In China sagen immer alle, dass sie nicht wissen, was sie wollen. Viele der jungen Leute wollen raus aus China und im Ausland studieren und etwas Neues entdecken ... Amerika ist ein Symbol für viele Jugendliche, die außerhalb von China leben wollen. Und ich selbst, ich bin definitiv kein „Bush Dreamer“, aber ich bin sehr stolz sagen zu können, dass ich ein „American Dreamer“ bin. Für die Amerikaner selbst gibt es eine Menge schlechter Dinge, die in ihrem Land vor sich gehen, und ich würde sie gerne an ihren ursprünglichen American Dream erinnern.

Euer Album hat Ken Casey von den DROPKICK MUPRHYS produziert. Wie war die Arbeit mit ihm, seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis?
Seit wir mit den DROPKICK MUPRHYS zum ersten Mal zusammen gespielt haben, hatten wir eine sehr gute Beziehung zu ihnen. Im Oktober 2003 haben wir in Kalifornien für sie als Opener gespielt, es waren 1.600 Leute auf der Show. Sie hatten BRAIN FAILURE vorher noch nie gehört, aber schon nach ein paar Songs mitgesungen. Das hat Ken Casey beeindruckt. Zwei Tage später haben wir in Seattle gespielt, genauso wie die DROPKICK MUPRHYS, aber in einem anderen Laden. Bei der Show standen nur fünf Leute vor der Bühne. Später kamen dann Ken und ein paar andere von den Dropkicks und sie haben gemerkt, dass wir auch vor fünf Leuten eine richtig gute Show abliefern können. Deshalb mag er uns wohl und später sind wir dann, auch über das Label, Freunde geworden.

Ein Titel auf eurer CD heißt „Fun and fight tonight“, ist das so etwas wie euer Motto?
Ja! Wir wollen Spaß haben. Wir wollen unser Leben genießen und uns nicht um die Scheiße kümmern, die wir durchgemacht haben.

Macht ihr noch was abseits von der Musik?
Wir sind eine Vollzeitband. Wir versuchen so viel Musik zu machen, wie wir können, und üben deshalb dreimal in der Woche jeweils drei Stunden. Wir haben wirklich Glück, dass uns unser Label – Bad News Records aus Japan – mehrmals im Jahr nach Amerika schicken kann. Durch die Musik sind wir immer beschäftigt. Ich glaube, wenn wir ein kleines bisschen weniger faul wären, könnte unsere Musik sogar noch etwas besser sein ...

Wo siehst du euch in der Zukunft? Werdet ihr weiterhin in China bleiben, wenn BRAIN FAILURE noch erfolgreicher werden, oder denkt ihr darüber nach, ins Ausland zu ziehen?
Ich sehe uns auch in Zukunft in China. Es ist unsere Heimat und wir müssen stolz auf unser Heimatland sein. Das ist es, was dich erfolgreich macht, wenn du immer wieder von zu Hause fortreist.