BOMBPOPS

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Kein Scherz

Die BOMBPOPS aus San Diego haben mit Mitte zwanzig schon knapp zehn Jahre Bandgeschichte auf der Habenseite und sich seit ihren etwas rumpeligen Anfängen durch permanentes Touren so weit entwickelt, dass Fat Wreck aufmerksam wurde und dem 2017er Album „Fear Of Missing Out“ ein größeres Publikum bescherte. Zuckersüßer Pop-Punk und angepisster früher SoCal-Hardcore scheinen es Jen (voc/gt), Poli (voc/gt), Neil (bs) und Josh (dr) gleichermaßen angetan zu haben, wobei das Tempo auf der aktuellen EP „Dear Beer“ etwas rausgenommen wurde. Vor ihrer Show im Essener Don’t Panic sprechen wir mit der Band.

Ein gewisser Mickey J beschreibt euch auf Bandcamp so: „They’re like everything great about from the 2000s till now ... like TSUNAMI BOMB meets THE MUFFS meets skate punk“. Stimmt ihr dem zu?

Jen:
Auf jeden Fall, das gefällt mir! Am besten finde ich, dass wir mit so verschiedenen Bands verglichen werden, das zeugt von Vielseitigkeit. Diese Bands hätte ich auf jeden Fall auch als Einflüsse genannt.

Poli: Ein tolles Kompliment! Ich bin erleichtert, denn ich habe schon wesentlich Schlimmeres über uns gehört.

Zu eurem Song „Outta hand“ gibt es einen Kurzfilm. Was stand am Anfang, der Song oder der Film?

Jen:
Der Song! Der Regisseur Derek Dale ist ein interessanter Typ. Er hat in den Neunzigern unter anderem Videos für TEN FOOT POLE, PENNYWISE und BLINK-182 gemacht. Wir trafen ihn bei einem Gig mit THE BLACK PACIFIC, Jim Lindbergs Band während seiner Pause bei PENNYWISE. Er sprach uns an, weil wir ihn an die ganzen Neunziger-Bands erinnerten, und kam auf die Idee mit dem Kurzfilm.

Poli: Der Film hat aber im Nachhinein einige Längen und es gibt auch eine Kurzversion, nur mit dem Song.

Und wie habt ihr Casey Royer – von D.I., ADOLESCENTS, SOCIAL DISTORTION – überredet, im Video mitzuspielen?

Jen:
Wir hatten einige Male mit D.I. gespielt und Derek meinte, es sei witzig, einen gruseligen schmierigen alten Mann als Boss im Clip einzubauen. Daher haben wir Casey gefragt. Er ist schließlich auch ziemlich alt und creepy, das passte perfekt. Zu der Zeit hatte er kein Auto und ein Freund von uns musste ihn abholen. Ich glaube, wir haben ihm fünfzig Dollar gegeben. Nach dem Dreh haben wir Burritos mit ihm gegessen und er hatte diese schorfigen Stellen im Gesicht, die er ständig blutig kratzte. Es störte ihn aber nicht.

Josh: Er hat immer gesagt, wir sollen keine Angst vor ihm haben, haha.

Poli: Am nächsten Tag schmierte er auf Drogen ab, wahrscheinlich hat er die fünfzig Dollar sofort investiert. Er ist eine skurrile Gestalt. Hat als Poolboy und bei Subway gearbeitet. Wir haben ihn seitdem nicht mehr gesehen. Ich hoffe, es geht ihm gut. Ich mag seinen Humor.

Mehrere Songs von euch kreisen um das Thema Vorurteile: Geschlechterklischees, Bandklischees. Warum liegt euch das am Herzen?

Neil:
Das Interessante an Klischees ist, dass immer etwas Wahrheit in ihnen steckt. Solche Dinge passieren dir ja tatsächlich, und dann sollte man sie mit Humor nehmen und sie auf die Spitze treiben. Bei „Can of worms“ beispielsweise haben wir die Genderrollen einfach umgedreht und bei „Dear beer“ geht es um einen richtig miesen Bandtag, einen Lagerkoller. Das kennt jede Band.

Jen: Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn es eine Band ohne Zickereien gäbe. Bei „Can of worms“ sind wir teilweise missverstanden worden, da kam der Vorwurf, wir machten uns über Crossdresser lustig. Dabei sollte es ein Statement zu Geschlechterklischees sein.

Habt ihr das Gefühl, dass ihr heutzutage als Frauen immer noch mehr unter Beobachtung steht als die Männer in der Band, wenn es um den Vorwurf des Klischees geht?

Poli:
Es passiert unterschwellig, ich sehe mich aber nicht in der Rolle des armen Mädchens, das ständig mit Vorurteilen zu kämpfen hat.

Jen: Ich werde beispielsweise heute noch gefragt, ob ich Hilfe beim Aufbau meines Verstärkers brauche und ob ich weiß, wofür alle Knöpfe und Regler da sind. Oder ob ich Hilfe beim Saitenwechseln benötige. Es kann höflich gemeint sein, zeugt aber von einem Frauenbild, das völlig aus der Zeit gefallen ist.

Poli: Stereotypen zu bilden, liegt in der menschlichen Natur. Wir haben sie alle im Kopf.

Jen: Neulich meinte jemand zu mir, unsere Band wäre nur ein Gimmick, ein Scherz.

Josh: Worin soll dieser Scherz denn bestehen? Darin, dass zwei Mädchen in der Band spielen? Sollen wir sie jetzt rausschmeißen? Wir sind vier Menschen, die Musik machen, das ist alles. Zehn Jahre Bandgeschichte sind auch ziemlich lang für einen Witz.

Euer Song „Fear of missing out“ handelt von der Angst, etwas zu verpassen. Wann hattet ihr diese Angst zuletzt?

Poli:
Ich war immer die Jüngste in der Band und durfte nach Gigs nie länger in den Bars bleiben oder auf Partys gehen, sondern musste nach Hause. Das habe ich gehasst. Mein Vater hat mich dann getröstet und immer gesagt, ich verpasse schon nichts.

Jen: Letzten Sommer habe ich den ganzen Sommer über in Italien gelebt und keine Konzerte in den USA gesehen. Das hat mich neidisch auf die anderen drei gemacht.

Neil: Sie hat da an den schönsten Stränden gesessen und sich darüber beschwert, dass sie RED CITY RADIO nicht sehen kann, haha. Dieser Konzertneid besteht bei uns grundsätzlich. Wenn einer von uns eine Show sieht, der andere aber nicht, führt das direkt zu Diskussionen. Der Song handelt also insofern von uns selbst als Band.

Wie entstand die Idee zum eigenen BOMBPOPS-Bier?

Neil:
Zufällig. In San Diego gibt es eine kleine Brauerei namens Amplified Aleworks, die Kontakt zu Bands sucht. Ich wurde auf sie aufmerksam, denn diese Bieridee hatten wir schon länger. Nach dem Motto: wenn wir unser eigenes Bier haben, dann haben wir es nach ganz oben geschafft, haha. Dazu stand der Release der Single an und deshalb heißt sie auch „Dear Beer“ und hat ein Bierdeckelcover. Es passte zeitlich einfach zusammen. Und ich trinke es seit drei Monaten.

Jen: Diese Craft-Bier-Sache ist zur Zeit bei uns in San Diego sehr beliebt. MENZINGERS, GASLIGHT ANTHEM und RED CITY RADIO haben auch eines gemacht. Unseres haben wir in Bombhops umbenannt, wegen des Wortspiels mit Hopfen.

Der Song „I call bullshit“ von der neuen EP ist herausragend, die DESCENDENTS hätten das nicht besser machen können. Könnt ihr zu seiner Entstehung etwas sagen?

Jen:
Der Song ist ursprünglich gar nicht von uns, sondern von Chris Fogal von den GAMITS. Ich liebe diese Band, sie ist absolut unterbewertet und leider ist der Bassist vor kurzem verstorben. Uns verbindet eine enge Freundschaft und Chris hat schon Sachen von uns produziert. Wir wollten für die EP noch einen vierten Song haben und Chris hat ihn uns quasi geschenkt, weil er ihn für die GAMITS nicht mehr verwenden konnte. Den DESCENDENTS-Vergleich gebe ich gerne an ihn weiter, er wird sich riesig darüber freuen. Wahrscheinlich ärgert er sich dann darüber, dass er ihn uns überlassen hat.

Josh: Die Musik haben wir schon mitgeschrieben, der Text ist von ihm. Ich würde es eher als Kollaboration beschreiben. Wir haben den Song noch verbombpopt.

Poli, ich habe gelesen, dass du an Diabetes leidest. Inwiefern ist ein Tourleben mit dieser Erkrankung möglich respektive eingeschränkt?

Poli:
Die größte Schwierigkeit ist, sich dessen ständig bewusst sein zu müssen. Das Adrenalin beim Live-Spielen lässt beispielsweise meinen Blutzucker hochgehen, teilweise auf 400, wobei 100 der Normalwert ist. Vor einem Gig muss ich deshalb immer einen Schuss Insulin nehmen, um den Wert stabil zu halten. Indem ich darüber spreche, hoffe ich, andere zu ermutigen, sich trotz einer Diagnose nicht zu Hause einzuschließen, sondern trotzdem ihre Wünsche zu erfüllen. Ein Freund von mir geht aufgrund seines Diabetes nicht mehr auf Tour und leidet darunter sehr. Es ist schwierig, ja, aber es geht.

Fat Mike hat euch einmal geraten, dass es im Musikbereich am wichtigsten ist, so zu bleiben, wie man ist. Wie wollt ihr das umsetzen?

Josh:
Indem wir niemals aufhören, über Penis- und Furzwitze zu lachen. Am Tag, an dem einer von uns nicht mehr über einen Penis- oder Furzwitz lacht, lösen wir uns auf. Das wäre ein sehr trauriger Tag, der aber wahrscheinlich so schnell nicht kommen wird.