Wer die Punkrock-Singleveröffentlichungen der letzten Monate verfolgt hat, wird neben so bekannten Label wie TKO, Pelado oder Hostage, unter Umständen auch auf Radio Records gestossen sein. Das ebenfalls in Kalifornien ansässige Label wird von John Armitage betrieben und sollte uns den Frühsommer mit einigen Longplayern versüssen. Da Johnny, ausser seinem Job als Ingenieur in einer Pumpenfabrik, auch die Gitarre bei den göttliche BODIES bedient, war für mich der Entschluss schnell gefasst. Radio Records und BODIES sollten doch unbedingt der heimischen Fangemeinde vorgestellt werden, zumal in den nächsten Monaten Tonträger der BODIES auf Hostage, Vulture Rock und Radio Blast erscheinen werden.
Johnny, du bist sowohl Labelmogul von Radio Records als auch Gitarrist bei den BODIES. Trotzdem erschien erst mit eurer aktuellen CD-EP "Addicted To You" der erste BODIES-Only Tonträger auf deinem Label. Existierte zuerst eure Band oder dein Label?
"Unsere Band existierte beim Start des Labels bereits eine kurze Zeit, aber ich wollte die erste Single der Band gern veröffentlichen. Dann kam aber das Angebot von TKO und wir entschieden uns dafür. Sie konnten mehr Singles pressen und hatten bessere Verbindungen zu Vertrieben. Nach dieser, unserer ersten EP, wollte Mark von TKO Records eine LP mit uns machen und bot die Bezahlung der Produktion an. Da wir alle arme Schlucker sind, entschieden wir uns für die kostenlosen Aufnahmen. Inzwischen haben wir ein paar neue Songs und ich fasste den Entschluss, diese auf Radio Records zu veröffentlichen. Das neueste Output ist die CD-EP "Addicted To You" und sie wird als limitierte 12", mit einer Handvoll bisher unveröffentlichter Bonussongs, auf Radio Blast Recordings in Deutschland erscheinen."
Eigentlich schien dein Label auf Singles spezialisiert zu sein. Was bewog dich, die BODIES-EP nur als CD zu veröffentlichen?
"Meine Motivation hatte zwei Gründe. Zum einen die Tatsache, dass sechs bis acht Songs zu lang für eine Single und zu kurz für eine LP sind. Der zweite, aber entscheidende Grund, war das Geld. Ich habe das Label mit meinem Gezocke auf Grund gesetzt. Na ja, du kannst mit den 7"-EPs nicht wirklich reich werden. Das, was hängen blieb, ging direkt an meinen Buchmacher. Ich hatte kein Geld und die Outputs verschoben sich. So dachte ich, wenn ich eine CD veröffentliche, kommt ein wenig Kohle in die Kasse und ich könnte einige Platten herausbringen. Und es bliebe trotzdem ein wenig Spielraum für den ein oder anderen Vertrag."
Die bisherigen Platten scheinen sich gut verkauft zu haben. Auf Grund der daraus resultierenden Bekanntheit ist es dir nun möglich Longplayer zu produzieren.. Was steht uns aus dieser Richtung ins Haus?
"Ja, das stimmt. In diesen Tagen geht der SHIFTERS-Longplayer ins Presswerk. Richtig guter Stoff, womöglich die beste Platte des Jahres. Danach sind Platten von BOOVER WONDERLAND, DISAPPOINTMENTS und CADAVERS geplant. Die CADAVERS sind die Vorgängerband der BODIES und es existieren 15 bis 20 Songs, die auf keinem Tonträger zu finden sind. Ich möchte alle Demosongs, einige Livetracks und andere Aufzeichnungen auf einer Platte zusammenfassen."
Falls du dir in die Karten schauen lässt, würde mich gern interessieren, in welchen Dimensionen deine bisher erfolgreichste Veröffentlichung lag. Behältst du die Tür für eventuelle Nachpressungen offen oder ist mit der ersten abgesetzten Pressung das Thema gegessen?
"Die erfolgreichsten Releases waren zwei Singles. Eine von den RANDUMBS und die Compilation "The Battle For The Airwaves", sowie die CD-EP der BODIES. Von denen wurden je tausend verkauft. Alle anderen Platten, die ich gemacht habe, sind inzwischen ausverkauft. Sie wurden in Auflagen zwischen 500 und 800 Stück hergestellt. Normalerweise presse ich 500 Stück, und falls sich diese sehr schnell verkaufen, schiebe ich eine zweite Auflage mit 200 bis 300 Kopien nach. Nachdem ich nun aber einige Sachen in Vorbereitung habe, ist nach dem ersten Sell Out Schluss. Nehmen wir die beiden letzten Singles von Radio Records, DISAPPOINTMENTS "Let´s Die" bzw. TRUST FUND BABIES "Up To No Good" als Beispiel. Die waren innerhalb von ein, zwei Monaten vergriffen und ich lasse sie nicht nachpressen, weil mich die neuen Sachen voll in Beschlag nehmen. Ihr müsst euch ranhalten, die Dinger gehen weg wie warme Semmeln."
Wie handelst du es mit dem Plattencover? Kümmern sich die Bands im Alleingang um die Gestaltung oder obliegt dies deiner künstlerischen Freiheit?
"Ich habe das Layout aller Radio Records-Platten entworfen. Soweit es um den Inhalt der Gestaltung geht, lasse ich den Bands freie Hand, manchmal kommt von denen gar nichts, so dass ich alles allein mache. Ein anderes Mal schlägt die Band etwas vor oder bringt eine grobe Layoutidee ein. Ich bringe dann alles zusammen."
Neben dem lokalen Bezug, bezeichnend dafür die "Battle For The Airwaves"-Single, scheint ´77-styled Punkrock die entscheidende Konstante für dein Labelprogramm zu sein. Können wir uns auf weitere erstklassige Newcomer bei Radio Records freuen?
"Da ist eine neue Band aus Sonoma namens THE TRENDS. Die sind grossartig, passt auf, bald werdet ihr euch überraschen lassen können. Ich werde einen kleinen Vergleich heranziehen: Nehmt die Musik der BODIES und verbindet diese mit dem Gesang der SHIFTERS. That's it!"
Es scheint ´ne enge Freundschaft zwischen den Bandmitgliedern der BODIES zu geben. Seit eurer ersten Single auf TKO erkennt man keine Veränderung im Line-Up. Stell doch mal kurz die Leute vor, die sich hinter den BODIES verbergen.
"Da ist erstmal Scott am Bass, 27 und Pizzabote. Er beglückt alleinstehende Frauen mit seinem italienischen 10"-Würstchen. Harley sitzt am Schlagzeug, ebenfalls 27. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder und hält bei der Band alles zusammen. Abe singt, ist 29, Kung Fu-Experte und in festen Händen. Und ich, Johnny an der Gitarre, 27, verlobt und spielsüchtig. Als Neuzugang begrüssen wir Morgan an der Gitarre, 25, Würstchenverkäufer und trinkender Fahrer, in unserer Mitte."
Ein wenig stutzig reagierte ich auf den Song "California Republic" von eurer ersten LP. Das ist doch sicher nicht ganz so ernst gemeint, oder existiert in CA wirklich eine Autonomiebewegung?
"Es ist nicht mehr als ein Witz. Kalifornien ist aber der schönste Staat im Lande."
Mit den BODIES und deren Zusammenarbeit mit TKO konntet ihr euren Bekanntheitsgrad kontinuierlich erhöhen. Wie sehen eure Pläne für die nähere Zukunft aus?
"Wir werden im nächsten Jahr ein neues Album präsentieren können. Sonst haben wir aber keine grossen Pläne, ausser zusammen spielen, bis wir keinen neuen Song mit den selben vier Akkorden hinbekommen oder wir uns auf den Geist gehen. Wir haben alle Full Time-Jobs, deshalb können wir, ausgenommen an den Wochenenden, wo wir hier und da spielen, nicht wirklich touren. Vielleicht werden wir für den Anfang eine Woche am Stück absolvieren."
Dem Punkrock-Brennpunkt Orange County scheint San Francisco inzwischen kaum nachzustehen. Wie seht ihr die Unterschiede zwischen den beiden Hochburgen Kaliforniens?
"Es existieren Unterschiede. In SF hast du mehr dieses Working Class Streetpunk-Ding - was immer zur Hölle Streetpunk auch bedeuten mag -, wohingegen LA eher dem dreckigen Junkie-Punk´n´Roll-Style frönt. Letztendlich bleibt es aber laute Musik und Spaß am Bier trinken. Vergiss die Unterschiede, es ist eh das Gleiche."
Da die Dimensionen in den Staaten doch um einiges grösser sind, wird der Aufwand für ´ne Ostküstentour sicher relativ hoch sein. Wie sehen eure Kontakte zur Atlantikküste aus? Ist es euch bedingt durch euren alltäglichen Broterwerb überhaupt möglich, längere Touren zu absolvieren?
"Wir haben Kontakte zu Labeln, Vertrieben und Bands, aber keine Verbindung zu den Clubs, da wir dort noch nicht spielen konnten. Wie ich schon sagte, wir arbeiten alle in Vollzeit und es ist sehr schwer eine längere Auszeit zu koordinieren. Aber wir wollen versuchen, im Sommer fünf Tage die Ostküste zu betouren."
Wie sieht´s eigentlich mit Sport bei euch aus? Gibt's irgendwelche Mannschaften, die auf euren Support bauen können?
"Ich mag eigentlich jede Sportart, für die mein Buchmacher Wetten annimmt. Ich favorisiere Baseball und Football. Es macht es einfach spannender, wenn du einige Dollar gesetzt hast und das Spiel im TV verfolgst. Abseits des Wettalltages spielen Scott und ich im Radio Records Bowling Team. Wir bowlen wöchentlich in einer lokalen Liga. Wir sind nicht besonders gut, aber den Titel in der Trinkermeisterschaft könnten wir nach Hause holen. Während des Sommers ist unser Softball-Team unterwegs. Und natürlich steht uns auch hier nur der Säufertitel zu."
Letzte Worte?
"Irgendwer soll uns Flugtickets schicken, damit wir in Europa spielen können. Und setzt auf die Heimmannschaft, wenn sie gewinnt."
Holm Weichhold
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