Gregor Samsa - offensichtlich ein dem Deutschunterricht entliehenes Pseudonym (wie ich mich selbst erst belehren lassen musste) - ist nicht nur der Mann mit den gigantischsten Koteletten, den ich kenne, sondern auch der mit dem gigantischsten Idealismus. Diesen muss zwar sicherlich jeder in großer Menge haben, der sich an dem mit Mühsal und Enttäuschungen vielfach behafteten Abenteuer „Punkrocklabel“ versucht, aber der, mit der der Chef von „Sounds of Subterrania“ seinen Laden betreibt, erscheint mir doch einmalig.
Selbst 1000%ig von der Klasse seiner Bands überzeugt, geht dieser Mann soweit, Leuten, die an einer seiner Bands herummäkeln, sich dann aber aus rein modischen Beweggründen trotzdem ein T-Shirt derselben zulegen wollen, schlicht diesen Kauf zu verwehren. Ist tatsächlich passiert! Ein dermaßen die Marktwirtschaft negierendes Verhalten nötigt, wie ich finde, ehrlichen Respekt ab. Manch einer wird ein solches Handeln aber vielleicht auch nur als verrückt empfinden. Genauso wie die Tatsache, dass sich Gregor ständig monatelang mit durchgeknallten Rock´n´Rollern aus Japan oder Belgien auf Tour begibt.
Das tut er auch im Oktober wieder, wenn er sich mit den ebenfalls nicht normalen BLOODSUCKING FREAKS aus Australien auf die Socken durch Deutschland und Europa macht. Das wird sicher wieder mächtig lustig werden, sollen die FREAKS, nach allem was man so hört, doch ziemlich schräge Vögel sein. Ein Blick auf das Cover ihrer bei Sounds of Subterrania erschienenen „Bottlesick“-LP bestätigt dies eindrucksvoll. Da sieht man nämlich einen definitiv übergewichtigen Mann auf einem Haufen Bierflaschen sitzen, bekleidet mit nichts anderem als Strapsen und Turnschuhen! Und dies ist nicht etwa irgendein Typ, den man als Covermodel benutzt, nein, das ist der Sänger! Derartig bekleidet soll der sich übrigens auch auf die Bühne begeben, womit man mit Fug und Recht dann wohl von einem charismatischen Frontmann sprechen kann. Er heißt Pete the Stud und spielt auch Gitarre bei den FREAKS, die alle aus Adelaide kommen. Glaubt man den dortigen Berichterstattern, sollen sie die Szene in der Stadt ziemlich aufgemischt haben, so dass man dort von zwei musikalischen Perioden spricht, der Zeit vor den FREAKS und der danach. Hauptsächlich hängt das wohl mit der Liveshow der Band zusammen, die nicht nur extrem wild und energiegeladen sein soll, sondern zudem auch von abseitigem Humor der Band geprägt. Neben dem Hang zur Entkleidung munkelt man von Fäkalspäßen und in Popos steckenden Bierflaschen. Veröffentlichungstechnisch sind die FREAKS ganz die typische faule Liveband. Das heißt, die Band gibt´s schon ewig (seit ´94), sie habe aber noch nicht allzuviel an Platten rausgehauen. Da musste erst der gute Gregor Samsa kommen und das mal so richtig in die Hand nehmen. Gut, für die „Bottlesick“-Platte haben die dann auch zwei Jahre gebraucht, aber ich finde Faulheit zeichnet eine gute Band eigentlich erst aus. Das zeigt mir doch, dass ich es hier nicht mit solchen Strebermusikern zu tun habe, die ernsthaft auf Erfolg aus sind und irgendwelche Flausen von einer Karriere im Musikgeschäft in der Birne haben. Die FREAKS dagegen sind mehr so die klassischen Verweigerer, die alles, was mit Geschäft zu tun hat, total ankotzt. Dann sich lieber einfach (den richtigen Leuten gegenüber) danebenbenehmen, ordentlich Krach machen, ´ne zeitlang Spaß haben und schließlich erfolglos wieder in der Versenkung verschwinden, aus der man eh nie herausgekommen ist. Produziert wurde „Bottlesick“ von Dave Thomas, dem Tausendsassa von der Aussie-Legende BORED!, was uns wiederum einen eindeutigen Hinweis auf den Sound der FREAKS gibt: typisch australischer Gitarrenkrach, der natürlich nicht auf Sologegniedel verzichten kann, damit glücklicherweise aber nicht übertreibt. Bei den Vocals kotzen sich die beiden Sänger ziemlich aus und lassen die Aggressiven heraushängen.
Pünktlich zur Tour im Oktober will Gregor die neue Scheibe herausgebracht haben, was bei dem Chaosfaktor der Band allerdings wohl noch eine Zitterpartie werden wird. Egal, Hauptsache die Jungs schaffen es, den richtigen Flieger zu finden, und uns im Herbst dann an ihrem spezifisch australischen Humor teilhaben zu lassen. Das werden sicherlich Abende mit handfester Unterhaltung werden, die uns da erwarten. Ich glaube, das guck ich mir mal an.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #44 September/Oktober/November 2001 und Stefan Moutty
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #40 September/Oktober/November 2000 und Joachim Hiller