Das neue Album „How The Darkness Doubled“ von THE BLACK HALOS aus Vancouver, Kanada ist das erste mit den Originalmitgliedern Billy Hopeless, Rich Jones und Jay Millette seit „The Violent Years“ von 2001. Es enthält einige unerwartete Elemente, die weit wegführen von ihrer kanadischen Heimat, sei es British Columbia, wo Hopeless immer noch wohnt, oder Ontario , wo Jones und Millette zu Hause sind.
Zum Beispiel gibt es einen Song namens „Tenement kids“. Obwohl es auch in Vancouver entsprechende Mietskasernen gibt, ist der Begriff „tenement“ hier nicht geläufig. Im Text von „Better days“ werden Teddyboys und Harrington-Jacken erwähnt, der bevorzugte Look britischer Hooligans, während hier keiner so rumlief. Der Titel schließlich verweist auf die US-Band TELEVISION, womit BLACK HALOS ein wenig von ihren üblichen Bezugspunkten wie DEAD BOYS oder NEW YORK DOLLS abweichen. Ich traf Billy Hopeless im Dezember 2022 in einem kleinen Feinkostladen in seiner Heimatstadt Gastown, um über das neue Album zu sprechen. Nachdem ich Billy im Laufe der Jahre bereits mehrmals interviewt habe, muss ich sagen, dass er noch nie einen so glücklichen und gesunden Eindruck gemacht hat. Die Band ist wieder beisammen und hat ein äußerst gelungenes Album aufgenommen – mindestens so gut wie „The Violent Years“, vielleicht sogar besser –, und das scheint ihm gutzutun.
Billy, ich hätte nicht gedacht, dass die BLACK HALOS und TELEVISION musikalisch im selben Universum leben ...
Oh doch! Als wir anfingen, standen wir auf Richard Hell und TELEVISION. Die New Yorker Punk-Szene war unsere erste Liebe, genauso wie die britische, in gewisser Weise sogar noch mehr. Ich weiß noch, wie wir auf Tour im Van saßen und „Marquee moon“ hörten, als Rich sagte: „Ich habe diese Verse immer geliebt, ‚I remember how the darkness doubled‘.“ Und ich meinte: „Ja, das wäre ein toller Albumtitel. Das wird der Titel des nächsten Albums.“ Das war auf einer der „The Violent Years“-Touren, kurz bevor Rich die Band verließ. Als wir dann wieder zusammenkamen, fragte Rich: „Wie wollen wir die Platte nennen?“ Und ich antwortete: „Erinnerst du dich ... ‚How the darkness doubled‘?“ Er sagte: „Oh ja!“ Und der Titel passt zu uns, das fand ich schon immer.
Weißt du noch, wie ihr euch kennen gelernt habt?
Ich habe damals als Straßenhändler in Granville hier in Vancouver Schmuck und so Zeug verkauft und versuchte, eine neue Band zu gründen, also haute ich jeden, der einigermaßen cool aussah, an: „Spielst du ein Instrument? Bist du in einer Band?“ Rich kam mit seiner damaligen Freundin vorbei und ich erinnere mich, dass ich auch ihn gefragt habe. Er warf mir einen Blick zu in der Art „Wer ist denn dieser Spinner, der mich fragt, ob ich in einer Band bin?“ und ließ mich abblitzen. Er hatte lange Haare, trug ein Nasenpiercing und einen schwarzen Ledertrenchcoat. Und ich weiß noch, wie ich dachte: Ja, der schlaksige Typ da, der ist es, der wird mit mir in einer Band spielen! Und wir fanden zusammen, und das war’s, und die Leute, die mich kannten, sagten sich: Scheiße, jetzt sind die schon zu zweit. Das war’s, „how the darkness doubled“, als ich Rich Jones kennen lernte; ab da hatte ich einen Komplizen.
Bei dem Wort „tenement“ musste ich ebenfalls an New York denken.
In England gibt es die auch. „Tenements“ sind im Grunde staatlich geförderte Wohnhäuser, und das ist es, was ich mache: Ich arbeite in einer staatlich finanzierten Unterkunft. Als wir den Song schrieben, sagte Rich, er habe eine Idee für den Refrain ... Wir telefonierten jede Nacht miteinander, während ich Nachtschicht hatte, wegen der Zeitverschiebung. Ich ging oft durch die Flure des Gebäudes, in dem ich arbeitete, eine Obdachlosenunterkunft, und sprach mit ihm, während ich das Album schrieb. Er sagte, er habe sich einen Text ausgedacht und sang mir den Refrain vor. Und ich: „Okay, ja! Gefällt mir! Das wird ein Kinderspiel!“ Eine Stunde später sagte ich „Hier ist der Text, Rich!“ und Rich lachte.
Darf ich fragen, was du genau machst?
Im Grunde genommen passe ich in dem Haus auf, dass die bösen Menschen nicht reinkommen und alle anständig bleiben, und dass niemand das Gebäude abfackelt oder so, aber vor allem auch, dass niemand an einer Überdosis verreckt. Ich bin derjenige, den du um vier Uhr morgens anrufst und sagst: „Wir brauchen Naloxon!“ Ich bin derjenige, der reinrennt und anfängt, eine Person wiederzubeleben, ihr eine Nadel in den Arm zu stecken, sie von einer Opioid-Überdosis zu erlösen und darauf zu warten, dass der Krankenwagen kommt und die Sanitäter übernehmen. Oft bin nur ich da. Dann liegt das Leben dieser Menschen in meinen Händen. Für mich ist jedes Leben wichtig. Oft hat man nicht viel Zeit, extra ein Beatmungsgerät zu besorgen, und ich habe schon oft gehört: „Du machst Mund-zu-Mund-Beatmung während der Pandemie?!“ Ich antwortete dann: „Verstehst du nicht, dass da ein Mensch im Sterben liegt? Ich habe keine Zeit, mir über so etwas Gedanken zu machen!“ Also sorge ich dafür, dass nichts schiefgeht, und behalte einen kühlen Kopf.
Ist das eine positive Tätigkeit für dich oder laugt es dich aus?
Es kann manchmal anstrengend sein, aber ja, ich denke schon, es ist wirklich positiv. Du kannst Teil des Problems sein oder du kannst Teil der Lösung sein und Menschen helfen. Helfen ist nie eine schlechte Sache. Als Kind, das in East Vancouver aufgewachsen ist, bin ich immer wieder hier unten gelandet und war mit Leuten zusammen, die vielleicht nicht den einfachsten Weg gegangen sind, aber ich hatte immer eine gute Beziehung zu ihnen. Es hat mich immer in die dunklen Ecken gezogen, und statt mit den Leuten aus der Musikszene abzuhängen, wollte ich lieber in die Bar auf der anderen Straßenseite, weil die Typen dort so echt sind.
Zu dem Stiv Bators-Cover „Ready to snap“, in dem Michael Monroe singt ... Habt ihr Stiv früher schon mal gecovert? Und wie ist Monroe dazugekommen?
Wir haben immer „Russian roulette“ von LORDS OF THE NEW CHURCH gespielt. Am Anfang waren wir so etwas wie eine DEAD BOYS-Tribute-Band. Wir haben jeden DEAD BOYS-Song gespielt, den wir finden konnten, sogar so seltene wie „Detention home“. „Ready to snap“ ist so ein toller Song, aber die Keyboards auf der Platte sind einfach furchtbar. Was wäre, wenn wir ihn ohne dieses schrecklichen Casio-Keyboard spielen würden? Also haben wir den Track einfach für uns im Proberaum gespielt. Und siehe da, so sollte der Song klingen! Als wir das neue Album aufnahmen, haben wir überlegt, was sollen wir covern? Und ich dachte mir: „Ready to snap“, das haben wir nie aufgenommen und nie live gespielt, lass uns das machen. Richie erzählte es Michael Monroe, Stivs ehemaligem Mitbewohner, der so ziemlich alles gecovert hat, was Stiv je gemacht hat, und der sagte sofort: „Da will ich dabei sein!“
Ich war von „Better days“ und seinen britischen Bezügen überrascht, dann sah ich, dass es von Rich Jones, der ursprünglich aus England stammt, geschrieben wurde.
Ich habe noch nie den Text eines anderen gesungen, es sei denn, es war ein Cover, aber als Rich das schrieb, meinte er: „Ich habe diesen Song, aber ich möchte den Text behalten, also wenn du ihn nicht machen willst, benutze ich ihn woanders.“ Denn er schreibt eine Menge Sachen für Michael Monroe. Ich sagte: „Nun, ich habe immer meine eigenen Texte geschrieben, aber lass mal hören.“ Bei einigen Liedern, die er mir schickte, sagte ich nein, aber bei zwei, bei „Frankie come home“ und „Better days“, dachte ich, das ist ein toller Song. Ich habe Rich gesagt, dass es nicht so ist, dass ich die Texte von jemand anderem nicht singen würde, sondern dass niemand sonst, mit dem ich in Bands gespielt habe, mir gute Songs geliefert hat. Ich sagte: „Das ist ein wirklich guter Song, es wäre mir eine Ehre, ihn zu singen, gib ihn nicht Monroe, egal was du tust – das ist meiner!“ Aber wenn ich von England spreche und von dem Punkt, wo wir jetzt mit der Band sind, dann habe ich ehrlich gesagt das Gefühl, dass wir in die Tardis aus „Doctor Who“ einsteigen und in der Zeit zurückreisen könnten, bis wir uns getrennt haben, um die Zeit zu korrigieren und dorthin zu gehen, wo wir hätten sein sollen... So fühlt es sich jetzt mit Jay und Rich an. Ich denke mir immer, wenn ich mit den beiden zusammen bin: „Los, lasst uns proben. Noch einen Drink?“
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