BITUME

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Die Oldenburger Punk-Legende

„Die Oldenburger Punk-Legende“ – so könnte man BITUME inzwischen nennen, angesichts von zwanzig Jahren Bandgeschichte und dem nun erscheinenden achten Album. „Kaputt“, so haben sie es nach alter Seemannsart getauft, und damit stand die Frage im Raum, was da so alles kaputt gegangen ist an Bord ihres Bandschiffes, um ein Album genau so zu betiteln. Texter, Sänger und Mastermind Brady setzte die Segel und meine Fragen vertrieben hoffentlich die Flaute.

Brady, was ist in deinem Leben momentan kaputt und was ist daran so schlimm?


So richtig kaputt ist in meinem Leben zum Glück eigentlich nichts. Ein paar Dinge haben Kratzer, sind aber noch nicht am Ende. Wenn man seinen Blick auf die allgemeine Lage in der Welt und der Gesellschaft wirft, dann ist da natürlich einiges kaputt. Die Themen und die Probleme sind, denke ich, allen bekannt und werden uns alle über kurz oder lang betreffen. Das ist schlimm genug.

Das neue Album wird mit einigen Bläsersätzen gewürzt, aber es sind keine prominenten Gastsänger*innen zu beteiligt. Süffisant gefragt: Geht das heutzutage überhaupt noch?

Ja, es geht auch ohne Gastsänger. Obwohl die Idee auch da war und zwar für das Titellied „Kaputt“. Da hatte ich am Ende schon ein paar Leute mitsingen hören. Haben wir dann aber nicht umgesetzt. Die Idee des gegenseitigen „auf die Platte“ singen, finde ich aber eigentlich ganz gut.

Der Titel konterkariert etwas das Cover, soll heißen, die Farbgebung wirkt wohltuend positiv. Das Schlechte impliziert also bereits wieder das Gute?

Ja, ganz genau. Oft muss etwas erst mal kaputt sein, um daraus dann wieder etwas Heiles beziehungsweise Positives zu erschaffen, letztendlich fast wie ein goldener Faden durch die gesamte Platte. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Und jeder Sturm hat irgendwann ein Ende und muss dann wieder Platz für die Sonne lassen.

2017 erschien das Akustikalbum „Aku“ mit euren neu vertonten alten Hits. Das letzte reguläre Album war jedoch „Zeichen“ von 2014. An dieser Platte habe ich mich etwas gerieben, weil da sämtliche Songs schnell gespielt waren. Das habt ihr nun anders gemacht. Bewusst oder unbewusst?

Ich höre gleich noch mal in die „Zeichen“-LP rein. Ist da wirklich alles schnell? Haha! Zu der Frage kann ich sagen, dass es keine bewusste Entscheidung war. Da wir eine klassische Proberaumband sind, ergibt sich das letztendlich aus dem Zusammenspielen heraus. Also steckt keine bewusste Strategie dahinter.

Die neue Scheibe ist ja immer die beste und in eurem Fall stimmt das wohl auch. Welche andere BITUME-LP trag ihr am tiefsten in euren Herzen, bei der ihr sagt, das ist eigentlich unser aller Liebling?

Ja, das ich finde auch, die neue Platte muss erst mal immer die Beste sein. Das gehört sich doch so. Ich selber habe immer noch für alle unsere Platten ein offenes Ohr. Aus meiner Sicht ist jede Veröffentlichung wie ein Tagebuch und somit ein „Liebling“, bezogen auf die jeweilige Zeit. Ich finde, dass es eher auf Ebene der einzelnen Lieder Gewinner und Verlierer gibt. Aber auch dazu muss man stehen.

Wie definiert ihr „Deutschpunk“? Ich verbinde damit eigentlich nur parolenhaften, derben Punk. Seid ihr schon eine Deutschpunk-Band, weil ihr auf Deutsch singt?

Sicherlich entscheidet nicht nur das Verwenden der deutschen Sprache über die Zugehörigkeit zum Deutschpunk. Ich verbinde mit Deutschpunk schon immer eine inhaltliche und auch musikalische Positionierung. Zum Thema Genre kann ich nur sagen, dass man die schöne Schublade „Deutschpunk“ durchaus für sich besetzen und es dem Parolenhaften entreißen kann und sollte. Im Ox stand mal: „BITUME sind die Stoner-Rocker des Deutschpunk.“ Finde ich super und äußerst amüsant.

Wie nehmt ihr andere deutschsprachige Punkbands wahr? Es herrscht ja ein regelrechter Hype um etliche junge Bands. Sind die für euch ein reiner Zugewinn oder sind das im Grunde Mitbewerber?

Ich nehme das mit Interesse wahr. Wenn wir in unserem Bandinfo von unserer „Langzeitliebe zum Punk“ reden, dann ist das ernst gemeint. Die Art von Musik und vor allem die Texte in der Sprache, die wir sprechen, sind bei mir fest verankert und haben in meiner gesamten Daseinszeit eine hohe Anziehungskraft ausgeübt. Die lässt wohl auch nicht mehr nach. Wenn Musik und vor allem die Botschaft richtig ist, dann ist Musik beziehungsweise die dazugehörige Band ein persönlicher Zugewinn.

Viele Bands sagen: „Ach, der Hörer kann die Texte selbst so interpretieren, wie er mag.“ Wenn der Sänger eigentlich von seinem kaputten Auto singt und ich an einen verregneten Urlaub denke, dann ist das doch idiotisch oder?

Das ist wohl richtig. Komplett interpretationsoffen ist wenig sinnvoll. Auch hier denke ich, dass Musik und Text im Zusammenhang zu sehen sind, und dann eben auch die Texte erst ihre Aussage entfalten können. Alles konkret zu benennen, das gelingt mir zumeist aber nicht. Aber ich denke, dass die Vertonung und das Gesamtbild schon deutlich machen, worum es uns geht.

„Das ist zwar ernst gemeint, aber nur für den Moment“, heißt es im Opener der neuen Platte. Bedeutet das für euch, dass das Leben nur aberwitzig ist und im Endeffekt sowieso undurchschaubar?

Du zitierst das „Lied gegen mich“. Eigentlich geht es dabei um die klassische Situation vor dem Spiegel. Man schaut sich selber an und denkt dann: Meine Güte, was ist das für ein verknitterter alter Typ! Ein Glück sind das nur Momente und kein Dauerzustand. Letztendlich macht man sich die Aberwitzigkeit des Lebens auch nicht ständig bewusst. Dazu hat die Natur genug Filter in der Wahrnehmung eingebaut. Durchschaubar ist das Leben natürlich auch. Zumindest in seinem zeitlichen Ablauf.

„Idylle aus Glas“, da wären wir gleich beim frei Interpretierbaren. Geht es in dem Lied um eine vermeintliche Trinkerpoesie?

Darauf wäre ich selber nicht gekommen. Trinkerpoesie hatte ich beim Texten gar nicht auf dem Zettel. Ab jetzt schon, ein Hoch auf die Interpretation! Das Lied ist für mich ein Gedenken an alle die, die schon weg sind. Das ist letztendlich eine sehr persönliche Interpretation und funktioniert, wie ich finde, nicht allein durch den Text, sondern auch nur in Kombination mit der Musik. Als Hauptsatz „Ich vermiss dich“ zu singen, hat sich komischerweise nie blöd angefühlt. Musste wohl so sein.

In „Zeit verschwenden“ heißt es: „Klug geschissen ohne Sinn“. Bringt ihr damit Social-Media User-Verhalten auf den Punkt?

Ja, das kann man so sehen und manchmal ist es auch so, dass sich für bestimmte Textzeilen die bedeutende Zuordnung erst mit der Zeit ergibt. Ich selber bin nicht so der Social-Media-Nutzer, aber es ist deutlich zu erkennen, dass da etwas gehörig schräg läuft. Komische Plattform und komisches menschliches Verhalten.

Irgendwie wirkt ihr zum Glück immer versöhnlich. Ist es einfach besser oder cleverer, sich und das Leben zu mögen?

Da ich ja die Texte schreibe, ist meine Antwort: Ja. Sich und das Leben zu mögen, halte ich für wichtig. Und vor allem ist es auch wichtig zu wissen, dass man nicht alleine ist, und dass man auch nicht immer recht hat und/oder alles besser wissen sollte. Das ist dann wohl unsere versöhnliche Komponente. Ich finde, dass man eigentlich nur zusammen etwas erreichen kann.

Der direkte Übergang in das elfte Lied „Schmaler Grat“ ist gut gelungen, überhaupt ist dieser Song für mich so eine Art Geheimfavorit des Albums. Empfinde bloß ich das so oder was bedeutet dieser Song für euch genau?

„Schmaler Grat“ ist ein Lied, das zuerst in der „Aku“-Variante und aus dem Live-Spielen heraus entstanden ist. Ich denke, dass das „Aku“-Feeling und die Stimmung, die durch die „Aku“-eigene Instrumentierung entsteht, diesem Lied anzuhören ist. Ich empfinde dieses Lied als intensiv und es bringt die inhaltlich Aussage der gesamten Platte in prägnanter Form auf den Punkt.

Eure Mail-Adresse enthält die Zahl 99, euer Gründungsjahr. Ist „Kaputt“ schon euer Jubiläumsgeschenk an eure Fans oder wartet da noch die eine oder andere Überraschung?

Ja, die 99 steht für den Anfang. Im Winter 1999/2000 haben wir BITUME gegründet. Zwanzig Jahre ist das her. „Kaputt“ ist ein Geschenk, aber keinesfalls ein Abschiedsgeschenk. Da sich BITUME für uns immer noch gut anfühlt, kann es also weitergehen. Nach so langer Zeit ist das auch ein Teil des Lebens. Ohne kann man sich das gar nicht vorstellen.