BERNADETTE LA HENGST

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Natze, Natze, Natze

Bernadette La Hengst, Jahrgang 1967, gründete 1990 in Hamburg die Band DIE BRAUT HAUT INS AUGE. Hier steht sie als Gitarristin und Sängerin in der ersten Reihe - bis zur Auflösung der Band im Jahr 2000. Zwei Jahre später veröffentlicht sie ihr erstes Soloalbum "Der beste Augenblick in deinem Leben", umfangreiche Konzertreisen folgen. Jetzt erschien ihr neues Soloalbum "La Beat". Daneben arbeitet sie noch mit dem mobilen "Agit Prop"-Kommando "Schwabinggrad Ballett". Der Indierockpop der DBHIA-Zeiten wurde abgelöst von einem ausgefeilteren, elektronisch gestützten und mit differenziertesten Texten versehenen Natze-Sound. Eine internationale, elektronische, textlich starke Platte, die eine subtile Verbindung von Musik und Politik, von Unterhaltung und Anspruch schafft. Dies ist eine recht werbewirksame Formulierung, aber es nimmt La Hengst nur von einer Seite wahr, reduziert auf den Aspekt "anspruchsvoll" oder "message for the people". Das ist okay, wenn es damit gelingt, Hörer zu gewinnen. Aber den eigentlichen Kern beschreibt es nicht. Einen Teil der Informationen, die man zum Verständnis der Komplexität des Projektes La Hengst mit "La Beat" benötigt, kann man vielleicht den anschließenden Plaudereien in Verbindung entnehmen. Nähern wir uns mit Frau La Hengst ein wenig ihrem neuen Album.

Dein neues Album ist vor ein paar Monaten erschienen. Die Tour zum Album liegt auch schon hinter dir. Bist du mit der Resonanz zufrieden?


Es gibt immer verschiedene Aspekte von Zufriedenheit, aber wirklich zufrieden mit einer Sache, an der ich Jahre gearbeitet habe, war ich eigentlich noch nie, allerdings ist das auch ein guter Antrieb, weiter zu machen. Die Tour zum Beispiel hat mir sehr viel Spaß gemacht, fast alle Konzerte waren euphorisch, teilweise unerwartet und dadurch auch sehr lebendig. Die Presseberichte waren zum Teil auch sehr begeistert, nur merkt man halt immer wieder, dass Popmusik eine kurzlebige Sache ist, denn nach zwei Monaten ist man bei den meisten Leuten wieder vergessen, weil mittlerweile wieder Hunderte neuer CDs erschienen sind, aber solange ich selbst auch in Bewegung bleibe, bringt mich das nicht aus der Fassung.

Auf der Tour hast du ja auch mit Knarf Rellöm oder Rhythm King zusammengearbeitet. Was habt ihr zusammen gemacht, Abenteuer erlebt?

Mit Rhythm King ist es immer sehr schön, wir mögen unsere Musik gegenseitig und es passt gut zusammen, mit Knarf arbeite ich schon seit sechzehn Jahren zusammen - zuerst bei HUAH!, deren zweite CD demnächst bei L'Age D'Or wiederveröffentlicht wird - und er ist einfach ein umwerfender Entertainer und Freigeist-Musiker. Am schönsten war der Moment, als er auf meiner neuen Bohrmaschine ein Solo gespielt hat.

Was sollte man über dein Album "La Beat" wissen?

Man sollte es bis zum Ende hören und dann noch mal und noch mal von vorne. Ganz hilfreich für viele Verästelungen, Verweise, Zitate und Hintergrundgeschichten ist mein Booklet, das eine Art Orientierungsplan durch die Platte und auch durchs Leben darstellt. Darauf wollte ich zeigen, dass ich nicht die alleinige Ideengeberin von Kunst bin, sondern immer eingebunden in eine Geschichte, sei es politisch, feministisch, biografisch oder sonst wie. Und es soll natürlich Spaß machen, eine Welt eröffnen ...

Hast du einen Lieblingssong darauf?

Ich glaube, das kann ich erst nach ein paar Jahren feststellen, welches Lied für diese Phase meines Lebens am entscheidendsten war. Vielleicht "Nie mehr vor Mittag" oder "Rockerbraut & Mutter" oder "Zug ohne Bremse".

Testest du deine Musik mit Publikum, bevor die Stücke auf ein Album kommen?

Nach Möglichkeit schon, denn ich glaube, das, was ich am besten kann, ist live spielen, und die Energie, die dabei entsteht, macht manchmal aus Liedern etwas ganz anderes, woran ich mich dann erinnern muss, wenn ich es aufnehme. Aber es gibt auch einige Stücke, die ich vor den Aufnahmen nie live gespielt habe, weil es schwierig war, sie genauso umzusetzen.

Wie war die Reaktion des Publikums auf das Album?

Ich bin immer wieder überrascht, wie sehr sich Menschen an neue Lieder gewöhnen, ich kenne das von mir selbst, wenn ich eine Lieblingsplatte habe und die Band ein paar Jahre später live sehe, möchte ich am liebsten das hören, was mich zu Hause so begeistert hat. Aber anscheinend habe ich mit meiner neuen Platte direkt da angeschlossen, wo ich mit "Der beste Augenblick" aufgehört habe, auch wenn "La Beat" viel tanzbarer ist. Aber der Geschmack des Publikums ändert sich ja auch, und ich spüre eine immer größer werdende Lust, zum Tanzen animiert zu werden.

Arbeitest du schon wieder an neuem Material? Es dauert bei dir ja immer einige Zeit bis zum nächsten Album ...?

Bei mir hat sich die Zeit zwischen den Alben auf drei Jahre eingeschossen, die Zeit brauche ich einfach, um genug Abstand zum letzten Album zu haben, und vor allem, um genug Dinge erlebt zu haben, über die ich erzählen möchte. Und damit meine ich nicht nur persönliche Dinge aus meinem kleinen Leben, sondern auch, wie sich die Welt verändert und meine Sichtweise darauf. Bei meiner letzten Platte haben mich verschiedene Nebenprojekte wie Theaterarbeit und auch politischer Aktivismus sehr inspiriert, mal sehen, was diesmal kommt. Ich mache gerade wieder mit Till Müller-Klug ein neues Theaterstück "Das populistische Paradies", dafür werde ich auch wieder Lieder schreiben, und vielleicht kommen auch welche davon für meine nächste Platte in Frage. Außerdem bin ich seit einem halben Jahr Teil des Kunst-Performance-Projektes "Unos United" - initiiert von Volker März -, für die ich auch Musik schreibe. Mal sehen, was sich daraus noch entwickelt.

Wie sieht es mit der musikalischen Entwicklung bei dir aus bzw. was beeinflusst dich am meisten auf deinem musikalischen Weg, den man ja bisher als durchaus abwechslungsreich bezeichnen könnte?

Am besten ist es natürlich immer, Musik zu hören oder mit anderen Musik zu machen, bei "La Beat" war allerdings auch entscheidend, dass ich die Produktionsbedingungen selbst in der Hand hatte, also ich alles alleine am Laptop aufgenommen habe, wodurch die Produktion selbst zu einer Art Instrument wurde. Alles, was ich bisher über Sounds wusste, musste ich noch mal in Frage stellen, auch die Möglichkeit, tanzbare elektronische Musik selbst zu machen, im Gegensatz zu einer Band oder einer akustischen Platte, stellt einen vor viele neue Möglichkeiten. Was ist wichtiger, der Track oder der Song, die Musik oder der Text? Was ist ein Klischee, kann ich meine eigene Art von deutschsprachigem Hip-Hop erfinden oder mühe ich mich an einem Genre ab, das mir nicht gehört? Wem gehört Musik, wem gehören Ideen? Fliegen sie alle frei herum, und ich gebe ihnen durch meine Auswahl eine Persönlichkeit?

Könntest du was zur Mehrsprachigkeit deiner Platten sagen ...

Ich wollte, dass meine neue Platte internationaler klingt, deshalb auch der Opener, der mit Englisch und Spanisch spielt, dann geht es über Französisch und Indisch zurück ins Deutsche. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nach fünfzehn Jahren Hamburg, wo sich ja fast alles um Deutschsprachigkeit und auch immer um dieselbe ausgelutschte Art von "Indie-Gitarrenpop" dreht, nach Berlin gezogen bin. Und in Berlin gibt es nicht nur viel mehr internationale Musiker, sondern auch sehr viel selbstverständlicher Musikerinnen, vor allem im Elektronik-Bereich.

Wenn du an neuem Material arbeitest, wie entsteht ein Song? Erst die Musik, erst der Text?

Immer unterschiedlich, manche Lieder entstehen immer noch im "klassischen" Sinne, ich sitze am Klavier oder an der Gitarre und Text und Musik gehen Hand in Hand, aber bei vielen Stücken kommt auch zuerst die Musik, und danach überlege ich mir, welcher Text denn dazu passen könnte. Es gibt da keine Regeln, denn ich trage auch manche Texte Jahre mit mir herum, bis Musik auf sie herabfällt.

Wie kann man sich so einen Tag bei dir vorstellen?

Ich stehe morgens um 8 Uhr auf, dann bringe ich meine Tochter in den Kindergarten, und dann arbeite ich normalerweise bis 14 Uhr an etwas, dann wieder ab 20 Uhr, wenn sie schläft. Zwischendrin singe ich natürlich ganz viel mit meiner Tochter, weil Musik alle glücklicher macht.

Wie viel Musik ist pro Tag drin? Oder machst du auch noch andere Dinge, andere Jobs?

Ich beschäftige mich natürlich auch viel mit anderen Dingen, ich lese viel, sehe mir Theaterstücke an, treffe mich mit Menschen, diskutiere gerne und fahre auch viel durch die Gegend, weil das ja auch mein Beruf ist. Andere Jobs, die nichts mit mir zu tun haben, muss ich glücklicherweise nicht mehr machen, aber wer weiß, wie lange das noch so bleibt. Auf jeden Fall bin ich überzeugt, dass ein Kind das Leben nicht behindert, sondern bereichert, denn man muss sich mehr aufs Wesentliche konzentrieren, manchmal frage ich mich, was ich eigentlich davor mit all der Zeit gemacht habe. Wahrscheinlich gesoffen und am nächsten Tag meinen Kater gepflegt, wozu ich jetzt nicht mehr soviel komme, aber das ist auch billiger ...

Wie fing das mit elektronischer Musik eigentlich bei dir an und bist du überrascht darüber, wo du jetzt stehst?

Ja, ich bin manchmal überrascht, dass ich eher elektronische Musik mache, aber es ist ja nicht so, dass ich das Rad neu erfunden hätte. Es geht und ging bei mir immer darum, Energie zu transportieren, sei es mit Punkrock, Pop oder Tanzmusik. Da ich in den 90ern nie in Techno-Discos war, fehlt mir eigentlich der natürliche Bezug dazu, aber was ist schon natürlich? Ich war auch keine schwarze Bluesmusikerin in den 50ern in Memphis und beziehe mich trotzdem darauf.

Wer macht das Art-Design von den Alben und der Website und so weiter?

Angela Lorenz aus Berlin ist eine begnadete Grafikerin, die dieses Mal alles gestaltet hat. Sie hat nicht nur Geschmack, sondern auch noch Intellekt und geistige Bewegung, es war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, wir haben alleine am Booklet zwei Monate rumgesponnen.

Wie gestaltet sich eigentlich die Zusammenarbeit mit deinem Label? Kannst du alles realisieren, was dir vorschwebt?

Trikont ist für mich das beste Label in Deutschland, weil sie glaubwürdig sind und mich sehr unterstützen. Sie haben zwar kein Geld für ein aufwendiges Video, aber es gibt im Moment sowieso keinen Sendeplatz, insofern erübrigt sich das.

Du machst Videos zu deiner Musik?

Ich hab ein einziges gutes Video zu "Der beste Augenblick" gemacht mit Oliver Husain, einem sehr inspirierten Frankfurter Künstler. Leider gab es diesmal ja nicht die Möglichkeit, aber grundsätzlich sehe ich bei Liedern auch immer Bilder, die man nur mal alle umsetzen muss.

Wie ist eigentlich dein Verhältnis zu deinen früheren Aufnahmen? Magst du die noch? Manches ist ja nur noch äußerst schwer zu bekommen und hat schon fast Kultstatus.

Ja, natürlich mag ich das noch, es gehört ja zu mir und zu den anderen Musikerinnen von DIE BRAUT HAUT INS AUGE, eine Zeit, an die ich gerne, aber selten wehmütig zurückdenke. Ich spiele auch live ein paar alte Braut-Stücke nur mit Gitarre, und da merke ich dann schon, dass sie immer noch aktuell sind.

Dein Album ist auch auf Vinyl erschienen. War das eine Entscheidung vom Label?

Nein, ich hatte das Glück, dass Ritchie Records, ein Unterlabel von Flight 13, große Lust hatte, Vinyl zu produzieren. Sie haben auch schon eine Braut-Liveplatte und eine Vinyl-Single von mir rausgebracht, und im März kommt eine neue Vinyl-Single mit vier Live-Stücken nur an der E-Gitarre aus Freiburg, also achtet drauf.