BEHEMOTH

Foto© by Grzegorz Golebiowski

Immer in Bewegung

Kein BEHEMOTH-Album klingt wie das nächste. Den Polen ist es in ihrer gut dreißigjährigen Karriere stets gelungen, sich auf spannende Weise weiterzuentwickeln. So auch auf ihrem neuesten Werk „Opvs Contra Natvram“. Wir klingeln diesbezüglich mal bei Frontmann Adam „Nergal“ Darski durch.

Nergal, du bedienst dich in deinen Texten gerne altertümlicher Symbolik und mythologischer Figuren. Dieses Mal hat es zum Beispiel Herkules in einen Songtitel geschafft. Was fasziniert dich daran so?

Ich mag diese Archetypen einfach. Sie stehen für Dinge, die allgemeingültig sind. Egal ob Kopernikus, Cicero, Shakespeare oder Herkules. Neu für uns ist aber auf diesem Album, dass wir nicht abstrakt geblieben sind, sondern ich in den Texten versucht habe, Fäden in die Gegenwart zu knüpfen und viele Aspekte von heute mit eingewoben habe. Das hatte ich schon länger vor und sollte bereits auf den letzten beiden Alben stärker durchkommen, was mir aber nicht so geglückt ist.

Wie viel Umstellung bedarf so eine neu definierte Textausrichtung?
Das war die bisher anspruchsvollste Arbeit. Ich habe versucht, viele altmodische Wörter zu benutzen, sprachlich eher in Richtung Shakespeare zu gehen. Mir schwebt auch schon lange vor, altertümliches Englisch mit modernem amerikanischen Slang zu verbinden, vielleicht setze ich das in der Zukunft noch um.

Auch fehlt ein richtiger Titeltrack, oder? Auf dem letzten Album gab es diesen versteckten, dieses Mal nicht einmal das.
Auf „Zos Kia Cultus (Here And Beyond)“ gab es gleich zwei, die zusammen den Doppeltitel ergeben haben. „Demigod“ oder „The Satanist“ hatten einen klassischen Titelsong. Auf „I Loved You At Your Darkest“ gab es „Rom 5:8“, der auf das entsprechende Zitat in der Bibel verweist. Nun gibt es eben mal keinen Titeltrack. Wir versuchen immer etwas anders zu machen. Auf dem letzten Album hatten wir zum Beispiel auch „Solve“ als Intro und „Coagvla“ als Outro. Dieses Mal haben wir „Post-God Nirvana“ zu Beginn. Das ist aber kein echtes Intro, eher ein richtiger Song mit Gesang. So etwas haben wir bisher nie auf einem Album umgesetzt.

Im Pressetext steht, dass es auf dem Album um den Kampf gegen den aktuellen Zeitgeist geht. Außerdem wirst du zitiert: „Ich habe ernsthaft mit destruktiven Tendenzen in der Popkultur gerungen – Cancel Culture, Social Media und Tools, die meiner Meinung nach sehr gefährliche Waffen in den Händen von Menschen sind, die nicht kompetent sind, andere zu beurteilen.“ Kannst du darauf näher eingehen?
Das haben sie etwas aus dem Kontext gerissen und aufgeblasen. Es geht um viel mehr auf dem Album. Aber natürlich ist das auch ein Aspekt. Die Grundidee von Cancel Culture mag gut sein, aber wer entscheidet, was richtig oder was falsch ist? Manche Menschen bekommen mittlerweile durch solche Dinge einfach zu viel Macht. Ich meine, wer noch nie etwas Verwerfliches getan hat, der werfe den ersten Stein. Aber so eine Sache wie mit David Ellefson zum Beispiel. Da taucht ein Video auf, in dem er offenbar einvernehmlichen Sex mit einer Frau hat. Und daraufhin muss er aus seiner Band geworfen werden? Warum? Er hat meiner Meinung nach nichts getan, um das zu rechtfertigen. Ich weiß, dass er in einer christlichen Sekte aktiv ist, aber das ist mir vollkommen egal.

Neben BEHEMOTH spielst du mittlerweile noch in deiner Folk-Band ME AND THAT MAN. Die scheint mir, wenn ich das in den letzten Monaten richtig verfolgt habe, ganz schön gewachsen zu sein.
So groß sind ME AND THAT MAN gar nicht. Wir können uns aktuell nicht einmal einen Nightliner oder eine Tour leisten. Es gab vor ein paar Wochen in Wacken die lustige Situation, dass ich zuerst mit ME AND THAT MAN aufgetreten bin und später mit BEHEMOTH. Wir hatten einen ganz normalen Container und dahinter, durch einen Zaun getrennt, war der luxuriöse Backstage-Bereich von BEHEMOTH, mit Klimaanlage und allerlei Zeug. ME AND THAT MAN halten mich ein bisschen auf dem Boden. Gleichzeitig ist es aber schön zu sehen, wohin man mit seinem Engagement kommen, was man mit harter Arbeit erreichen kann. Wenn ich mit beiden Bands unterwegs bin, machen wir oft Späße, ich könnte den falschen Titel anstimmen oder bei ME AND THAT MAN statt den großen Hut die Bischofsmütze von BEHEMOTH aufsetzen. Wir haben wirklich viel Spaß zusammen und ziehen uns gerne auf.

Hatte ME AND THAT MAN Einfluss auf die letzten BEHEMOTH-Kompositionen?
Natürlich. In „Versvs Christvs“ gibt es zum Beispiel diesen Klargesang. An den hätte ich mich ansonsten nie herangetraut. Ich bin ja normalerweise kein konventioneller Sänger. Aber bereits bei ME AND THAT MAN war ich für alle Chöre zuständig. Ich habe mich also auch bei BEHEMOTH mal in dieser Richtung versucht.

Für mich wirkt „Opvs Contra Natvram“ weniger wie eine direkte Weiterentwicklung des Stils des letzten Albums „I Loved You At Your Darkest“. Eher wie eine Alternative dazu, wie es nach „The Satanist“ auch hätte weitergehen können. Was meinst du?
Deine Gedanken gefallen mir! Ich weiß, dass „I Loved You At Your Darkest“ deutlich zugänglicher war. Ich wollte aber nicht in diese Richtung weitergehen, sondern eben eher einen Schritt zu Seite machen. Songs wie „Once upon a pale horse“ oder „Versvs Christvs“ hat man so noch nie von uns gehört. Hier haben wir uns wirklich nach vorne gewagt. Das fällt mir nun natürlich auf die Füße. Aktuell proben wir die neuen Lieder und oft frage ich mich, wie ich auf die Idee kommen konnte, so etwas zu schreiben. Ich muss gleichzeitig Gitarre spielen und singen. Auch wenn das Album nicht so wirken mag, ist es ganz schön komplex und die Strukturen nicht so einfach zu lernen.