In Mainz-Kastel in der Reduit, einem der wichtigsten Treffpunkte Deutschlands in Sachen Ska, treffe ich auf die junge, seit 2009 aktive kanadische Band THE BEATDOWN. Der eigentliche Grund, mal wieder das Haus zu verlassen und auf die andere Rheinseite zu wechseln, war das Münchener Ska/2Tone-Urgestein BLUEKILLA, das im nächsten Heft zu Wort kommen wird. THE BEATDOWN aus Montréal sind keine Unbekannten in Sachen Reggae und Ska, waren doch Bassist Pascal Lesieur sowie Gitarrist und Sänger Alex Giguere schon Akteure der Vorgänger ONE NIGHT BAND. Im September 2012 veröffentlichten THE BEATDOWN ihr zweites Album „Walkin’ Proud“, das hierzulande auf Destiny Records erschienen ist. THE BEATDOWN sind kein x-beliebiger Neo-Skinhead-Reggae-Klon. Sie sind mir in erster Linie positiv aufgefallen, weil sie sich musikalischer Elemente von Bands wie den SONICS oder THE CLASH bedienen, so dass ihre Interpretation von Skinhead Reggae zwar Ähnlichkeiten mit den etablierten Größen wie den AGGROLITES und den SLACKERS besitzt, sie aber dennoch ihr ganz eigenes Ding machen, das sie selbst als Northern Reggae bezeichnen. Kurz vor der Show in der Reduit traf ich auf Bandleader Alex, um mich mit ihm ein bisschen über die aktuelle Situation von THE BEATDOWN zu unterhalten.
Alex, wie steht es aktuell um die ONE NIGHT BAND, die ja trotz Auflösung immer mal wieder von sich reden machen, und in welchem Zusammenhang stehen THE BEATDOWN?
Mit der ONE NIGHT BAND begannen wir 2003 und spielten trotz einer Vielzahl von Besetzungswechseln immerhin bis 2008. Und wie das im Leben eben so ist, ändern sich die Prioritäten der einzelnen Bandmitglieder, was ja vollkommen legitim ist. So spielen eben irgendwann Beruf, Eigenheim und Familie bei dem einen oder anderen eine wichtigere Rolle als die Band. Bassist Pascal und ich wollten aber nach wie vor Musik aufnehmen und auf Tour sein. Es war allerdings klar, dass wir nicht mehr unter dem alten Bandnamen weitermachen würden, schließlich war lediglich ich als einziges Gründungsmitglied der ONE NIGHT BAND übrig. Also entschieden wir uns, das neue Projekt anders zu benennen. Nach dem offiziellen Split von ONE NIGHT BAND spielen wir trotzdem ab und zu mal die eine oder andere Show. Das hat aber eher einen Hobby-Charakter und ist längst keine ernsthafte Sache mehr. Dafür sind wir einfach nicht mehr aktiv genug. Aber nach wie vor sind wir gute Freunde und es hat schon fast etwas Familiäres. Auf den BEATDOWN-Alben werden wir auch immer noch von den ehemaligen Kollegen musikalisch unterstützt und wenn wir in der Gegend um Montréal spielen, ist auch meistens Larry am Keyboard mit auf der Bühne. Mit der ONE NIGHT BAND waren wir einmal in Europa auf Tour. Mit BEATDOWN ist das jetzt übrigens bereits das vierte Mal.
Eure Musik erinnert ja stark an AGGROLITES, mit denen ihr zu Beginn dieser Tour vier Abende gespielt habt. Trotzdem bezeichnet ihr eure Musik als Northern Reggae. Was steckt genau dahinter?
Unsere musikalischen und geografischen Einflüsse unterscheiden sich etwas von denen der AGGROLITES, die ja aus Kalifornien stammen, während wir aus Kanada sind. Gemeinsam ist uns die Liebe zu jamaikanischem Reggae, aber unsere Musik hat auch Elemente aus Punkrock, Garage und Soul. Northern Soul ist ja immer noch etwas Besonderes und abseits des Mainstreams, deshalb gaben wir unserer Musik die Bezeichnung „Northern Reggae“. Live agieren wir viel energiegeladener, als das auf Platte wiedergegeben wird. THE BEATDOWN bestehen aus einem typischen Rock-Line-up, so dass wir den traditionellen Reggae-Sound meiner Meinung nach sehr authentisch, rauh und unverfälscht hinbekommen, was wir bislang vom Publikum auch bestätigt bekamen.
In den Neunzigern gab es ja jede Menge neuer Einflüsse aus der 3rd Ska Wave. Während die punkige Variante, mal abgesehen von wenigen Ausnahmen, fast verschwunden ist, erfreut sich die Reggae- und Ska-Gemeinde seit ein paar Jahren erneut an den traditionelleren Klängen neuer Bands. Warum ist das so?
Die Musik damals bekam in Windeseile so viel Popularität, dass damit auch die Klischees ganz schnell bedient wurden. Das machte wiederum die Majorlabels aufmerksam, die das Zeug bestens vermarkteten, so dass die Songs allerorten zu hören waren. So schnell sich das Publikum dafür begeistert hatte, so schnell war es aber auch diese Interpretation von Reggae und Ska leid. Auf die allgemeine Frage, ob man Ska möge, war die Reaktion der Leute dann eher ablehnend. Man winkte ab, weil man eben zumeist an diesen klischeehaften, Punk-orientierten Ska dachte. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum 3rd Wave Ska nicht mehr populär ist. Stattdessen fingen die Leute wieder an, traditionelleren Reggae und Ska auch von neuen Bands zu hören, deren Songs eher den ursprünglichen Klängen entsprachen. Mit THE BEATDOWN möchte ich Platten machen, die authentisch und zeitlos klingen. Ich liebe Aufnahmen, denen man nicht anmerkt, ob sie nun 1960, 1990 oder 2010 eingespielt wurden. Das ist für mich ein ganz spezieller Qualitätsmaßstab, ganz egal, ob es sich dabei um Rock’n’Roll, Reggae oder Soul handelt.
Ihr kommt ja viel in der Welt herum und in den letzten zehn Jahren hat sich einiges getan. Welche politischen Veränderungen betreffen dich und die Band?
In Kanada hat sich die Politik in den letzten Jahren eher links orientiert. Für uns als Musiker bedeutet das, dass wir bislang vom Staat finanzielle Unterstützung erhielten. Durch die Finanzkrise und deren Folgen wird dieser Etat erheblich und für uns alle spürbar gekürzt, so dass das Leben als Musiker schwieriger wird. Das Geld sitzt bei den Leuten längst nicht mehr so locker wie noch vor ein paar Jahren. Und in manchen Ländern müssen wir unsere finanziellen Erwartungen deutlich zurückschrauben, wollen wir dort auftreten. Trotz aller Schwierigkeiten werden wir weiterhin unsere Musik auf den Bühnen dieser Welt spielen. Wir alle sind politisch interessierte Menschen mit unterschiedlichen Ansichten und Meinungen. Unsere Musik betrachten wir allerdings nicht als politisch. Die Leute sollen während einer BEATDOWN-Show gut unterhalten werden und in erster Linie Spaß haben. Das ist ja eigentlich der Grund, warum ich Musik mache. Uns ist klar, dass manche da draußen harten Zeiten entgegengehen und gerade denen wollen wir eine tolle Show bieten.
Im traditionellen Sinne interpretieren THE BEATDOWN die Art von Reggae, wie ihn sich die Skinheads Ende der Sechziger Jahre zu eigen gemacht haben. Wie steht ihr zur Skinhead-Szene?
Die Skinhead-Szene ist mal mehr, mal weniger präsent auf unseren Konzerten. Das hängt immer davon ab, wo wir gerade spielen. Ich finde die Leute ziemlich cool. Ich habe in keiner Weise etwas gegen diese Bewegung, war oder bin aber selbst kein Skinhead. Wenn es zu Auseinandersetzungen kommt, zwischen wem auch immer, während des Gigs oder außerhalb eines Clubs, ist das nicht in unserem Sinne und hat auch nichts mit unserer Musik zu tun. Unsere Musik ist auch nicht ausschließlich für Skinheads gedacht. Sie soll für alle, die darauf Lust haben, zugänglich sein. Musik sollte etwas Verbindendes haben und die verschiedensten Leute zueinander führen. Reggae, Skinhead-Reggae, Northern-Reggae, nenne es, wie du willst, das ist Musik, die Menschen einander näher bringt, zum Tanzen anregt und dich einfach begeistert. Mag sein, dass die Skinhead-Bewegung vor Jahren viel aggressiver war und diese Art von Musik für sich beanspruchte, aber niemandem „gehört“ diese Musik. Wenn ich selbst ein Stück schreibe, dann, und nur dann, kann ich von meiner eigenen Musik sprechen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #106 Februar/März 2013 und Simon Brunner
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