Als im April 2007, zehn Jahre nach Veröffentlichung der letzten Platte, mit "Little Animals" ein neues Studio-Album der 1983 in Sydney gegründeten BEASTS OF BOURBON (Review siehe Ox #72) erschien, kam dieses für Kenner der Band eher überraschend: "That this album was ever made is a thing of amazement in itself ... Altough many of the stories may have been apocryphal, that hardly matters when you are talking about the Beasts of Bourbon. Members have been variously dead, missing in action, in rehab or simply not inclined to be in the same room with each other in the period since ,Gone'", hieß es im australischen Online-Fanzine I94Bar, welches sich ausgiebig mit der Underground-Musik Australiens beschäftigt. Vom neuen Album begeistert, kontaktierte ich die Band, um nachzuforschen, was an den Storys dran ist, die sich um die Beasts ranken. Ein etwas kurz angebundener Tex Perkins antwortete mir irgendwo von unterwegs, während der Deutschland-Tour der Beasts im Juli.
Tex Perkins, 1965 als Gregory Perkins in Brisbane geboren, nennt seinen älteren Bruder Robert als großen Einfluss: "Meine Jugend war schon ziemlich stumpf. Rock'n'Roll zu hören, als auch selber zu spielen, war für mich ein Weg, das Leben ein wenig aufregender zu gestalten. The Leftovers, die erste Punkband Brisbanes, waren gute Freunde von meinem Bruder Rob. Sie waren richtiger Abschaum. Mein Bruder war ein grosser Impulsgeber für meinen Werdegang. Als er ausgezogen ist, hinterliess er mir seine Platten und Klamotten."
Im Alter von 16 Jahren gründete Perkins seine erste Band TEX DEADLY & THE DUM DUMS, die "Punkrock plus Johnny Cash" spielten, wie er die musikalische Essenz auf den Punkt bringt. Erste Lorbeeren ernteten sie in Sydney, so dass die Band einen Tapetenwechsel in die größere Stadt unternahm. Die Undergroundszene Sydneys war zu dieser Zeit geprägt von Bands wie CELIBATE RIFLES, X (kurz nach den L.A.-X von einem ehemaligen Rose Tattoo-Mitglied gegründet), THE TRIFFIDS, WET TAXIS, THE JOHNNYS und durch THE SCIENTISTS, die allesamt häufig im "Southern Cross" auftraten. Tex Perkins fasste schnell Fuß: "Damals, 1983, spielten wir alle einen ähnlichen Sound, diese ganze Southern Cross-Szene. Es wurde ?Swamp Music' genannt, aber für mich ist es ?Southern Cross Music'."
Mit Spencer P. Jones (Gitarre) von den JOHNNYS, Kim Salmon (Gitarre) und Boris Sudjovic (Bass) von den SCIENTISTS und James Baker (Drums) von den HOODOO GURUS formte er das erste Line-Up der Beasts, die heute als Australiens erste "alternative super-group" gelten. "Diese Leute waren und sind bis heute meine Freunde. Als ich damals eine neue Band formieren wollte, waren sie diejenigen, die ich fragte. Sie waren rein zufällig auch großartige Musiker", kommentiert Perkins. Kim Salmon äußert sich in Clinton Walkers Buch "Stranded - The Secret history of Australian independent music" ähnlich: "Unsere Kameradschaft hatte damals mehr mit geographischer Nähe zu tun als mit Musik. Klar, da war zwar Tex, aber es war Spencer, der mich überredete, für einen Gig einzuspringen, um ein paar CCR-, Alice Cooper- und New York Dolls-Coverversionen zu spielen. Es gab für die Beasts keinen Masterplan oder so. Es ist einfach passiert."
Für alle Mitglieder war die Band zu diesem Zeitpunkt ein Neben-Projekt. Mit dem soeben volljährigen Perkins wurde 1984, an nur einem Nachmittag, ihr erstes Album "The Axeman's Jazz" mit einem Budget von gerade mal 100 australischen Dollar eingespielt, welches zu einem Klassiker des australischen 80er Jahre Swamp-Rocks wurde. Dem Trinker-Image der Band entsprechend sollen während der Aufnahme-Session drei Paletten Bier und eine Flasche Whiskey getrunken worden sein. "Wenn man sich Spencers Gitarren-Solo im Song ?The day Marty Robbins died' anhört, kann man ihn am Ende umkippen hören", liest es sich in Clinton Walkers Buch nach. die CRAMPS oder BIRTHDAY PARTY musikalische Einflüsse gewesen seien? "Sicher, Birthday Party waren eine großartige Band. Wir waren von ihnen beeinflusst, ebenfalls von Rose Tattoo und AC/DC. Unsere beiden Haupteinflüsse waren aber damals CCR und The Gun Club."
Auf die Frage, ob es sich bei seinen düsteren, morbiden Texten um eine satirische Bearbeitung des Country- und Western-Genres gehandelt habe, entgegnet Perkins: "Wir hatten eine Affinität zur Country-Musik, wollten diese aber nicht satirisch brechen, sondern eher cartoonhaft herausstellen." Salmon zog mit seinen SCIENTISTS 1984 nach London, Jones konzentrierte sich weiter auf THE JOHNNYS und Perkins gründete mit SALAMANDER JIM eine weitere Swamp-Band. Kid Congo Powers von THE GUN CLUB/THE CRAMPS hatte während einer Australien-Tour Kontakt mit Perkins geknüpft und lud ihn ein, in seiner neuen UK Band THE FUR BIBLE zu singen. Da er keine Arbeitserlaubnis für Großbritannien besaß, wurde Perkins direkt am Londoner Flughafen Heathrow per Flieger zu den Philippinen, über die er angereist war, zurück verfrachtet. "Die Briten behandeln uns noch heute wie Strafgefangene", kommentiert Perkins mit scharfen Worten diese unerfreuliche Episode.
1988 fanden sich alle fünf Mitglieder wieder zusammen, um das zweite Album "Sour Mash" aufzunehmen. Mit "Black Milk" von 1990 und "The Low Road" von 1991 manifestierte die Band ihren Legenden-Status bei Fans und Kritikern. Drei Europa Touren vervollständigten das Bild. In Deutschland wurden sie in einem Review als "Muddy Waters auf Crack" bezeichnet, was der Band so gut gefiel, dass man eine EP so betitelte.
James Baker und Boris Sudjovic verließen die Beasts bereits 1990, um sich auf ihr Projekt THE DUBROVNIKS zu konzentrieren. Für die Rhythmusfraktion konnte mit Brian Hooper (Bass) und Tony Pola (Drums) Ersatz gefunden werden, die Salmon von THE SURREALISTS bestens kannte. Einer der bis heute populärsten Songs ist "Chase the dragon" vom "The Low Road"-Album, ein Song, in dem rektaler Drogenschmuggel in Fernost thematisiert wird. Wie man auf so eine Story kommt? "Heroin", antwortet Perkins kurz und knapp mit nur einem Wort. Drogenkonsum war in Australien in den 80ern in der Rock'n'Roll-Szene tatsächlich sehr verbreitet. Über die Beasts wird in "The Real Thing-Adventures In Australian Rock'n'Roll" (Toby Creswell & Martin Fabinyi) berichtet: "Einige Mitglieder lebten das Rock'n'Roll-Leben ein wenig zu sehr, so dass Überdosierungen und Haftstrafen den Erfolg der Band überschatteten. Perkins und Salmon beklagten sich häufig öffentlich über den Grad des Drogenkonsums innerhalb der Band."
Laut Clinton Walker brach Jones sich bei einem Handgemenge während der 1992er Deutschland-Tour einen Arm, während Perkins mehrere Prellungen und Schnittwunden davon trug. 1993, nach Erscheinen des Doppel-Albums "From The Belly Of The Beasts", löste sich die Band auf. Salmon konzentrierte sich wieder auf THE SURREALISTS, während Perkins als Sänger von THE CRUEL SEA, bei denen er seit 1988 aktiv war, echte kommerzielle Erfolge verbuchen konnte. 1996 kam es zur ersten Reunion. Salmon wurde durch Charlie Owen von THE DIVINYLS an der Gitarre ersetzt und man nahm das von Fans und Kritikern als schwächste angesehene Album "Gone" auf.
Die Beasts verschwanden erneut in der Versenkung, um sich mehr als zehn Jahre später erneut mit dem Line-Up Perkins, Jones, Owen, Hooper und Pola zurück zu melden. Auf die Frage, ob die Reunion abhängig von der Verfügbarkeit von Spencer P. Jones war , antwortet Perkins: "Spencer spielt zur Zeit exklusiv nur mit den Beasts. THE ESCAPE COMMITEE hat er aufgelöst, hin und wieder spielt er Solo-Shows mit seiner langjährigen Bassistin Helen Cattanach". Was denn mit Brian Hooper, dem Bassisten, der beim Melbourne-Gig mit einem Gehstock und schmerzverzerrtem Gesicht auf die Bühne kam, los sei? "Er hat sich den Rücken gebrochen. Vergiss, wie es passiert ist. Er spielt großartig!" 2004 hatte er sich bei einem Sturz von einem Balkon ernsthafte Wirbelsäulen-Verletzungen zugezogen und war daher für einige Zeit an den Rollstuhl gefesselt gewesen. Wie der Zufall es wollte, soll der operierende Chirurg großer BEASTS/SURREALISTS-Fan gewesen sein, weswegen Hooper sich mit einem raren Beasts-Bootleg bei ihm revanchierte.
"Little Animals", das neue Album, ist laut Perkins das 70er-Rock-Album der Band. Dass es auf dem legendären Label Albert Records, das durch Veröffentlichungen von AC/DC, ROSE TATTOO, THE ANGELS etc. für klassischen 70er-Oz-Rock bekannt ist, erschienen ist, passt natürlich ins Gesamtbild. "Wir haben die Platte allerdings aufgenommen, bevor wir bei Albert Records unterschrieben haben. Aber sie waren die Einzigen, die zu uns meinten: Ändert nichts an den Aufnahmen." Und auf die abschließende Frage, ob "Thanks", der letzte Track des neuen Albums, der mit Textzeilen wie "Thanks for the whisky" ,"Thanks for the marijuana" und "Thanks for the heroin" ja zum Trinker-und Drogen-Image der Band passt, ernst gemeint sei oder eine Art Verarschung sei, antwortet Perkins: "Spencer meint dazu, dass das Blödsinn sei, er wollte einfach nur eine gute Country-Nummer schreiben."
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #74 Oktober/November 2007 und Matt Henrichmann
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #27 II 1997 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #73 August/September 2007 und Matt Henrichmann
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Joachim Hiller