Wir sind in Oberhausen am Kulttempel und treffen BEARTOOTH aus Ohio, die dort gleich an zwei Abenden hintereinander auf dem Programm stehen. Im Bus wird vor der Show virtuell Golf gespielt und noch ein bisschen genascht, während wir mit Sänger Caleb Shomo reden.
Heute ist eurer zweiter Tag in Oberhausen. Wie war es denn gestern?
Das war die beste Show meines Lebens! Wir hatten schon lange nicht mehr die Gelegenheit, eine richtige Headliner-Show in Deutschland zu spielen. Klar, hier und da waren wir auf Festivals und so, aber eben keine richtige eigene Show. Und BEARTOOTH lieben Deutschland einfach! Jedes Konzert hier ist fantastisch, die Leute sind der absolute Wahnsinn. Überall sind wirklich coole und liebe Menschen, die sich richtig auf uns freuen und dann auch mit ganzem Herzen bei der Sache sind, und gestern war eine unglaublich tolle Show.
Ist es eigentlich stressfreier, wenn man zwei Konzerte nacheinander in der gleichen Location spielt, oder kommt da eine neue Art von Stress hinzu?
Oh, definitiv stressfreier! Wir müssen unseren ganzen Kram nur einmal reinschleppen und aufbauen. Am zweiten Tag geht man einfach rein, und alles ist da, wo es hingehört. Man muss nur einmal kurz schauen, ob alles auch richtig funktioniert, aber das dauert dann nur fünf Minuten.
Was habt ihr heute so gemacht? Habt ihr euch ein bisschen die Stadt angesehen?
Also, ich muss meine Stimme schonen und darauf achtgeben, dass sie auch eine oder anderthalb Stunden lang fit genug ist. Deshalb bin ich nicht wirklich rausgegangen. Ich weiß nicht, ich habe gestern nach dem Konzert geduscht und noch ein bisschen gechillt. Nichts Besonderes irgendwie.
Zwei Jahre lang hattet ihr keinen fest zu BEARTOOTH dazugehörenden Schlagzeuger, sondern nur jemanden, der auf Touren und bei Konzerten eingesprungen ist.
Genau, Connor ist jetzt festes Bandmitglied, war vorher aber bereits unser Tourdrummer, den wir jedesmal aufs Neue gebucht haben. Wir hatten die normalen Mitgliederwechsel, die wohl die meisten Bands durchstehen müssen. Aber wenn man für die Sache lebt, dann geht es schon immer irgendwie weiter, und jetzt ist Connor ja für immer bei uns.
Wie war das Songwriting ohne festen Drummer?
Ich mache es alles selbst. Ich spiele sowieso Schlagzeug, Gitarre und alles, also bin ich daran gewöhnt, alles zu machen. Aber bei einer Live-Show eröffnet es natürlich eine ganz andere Dimension, wenn an jedem Instrument ein anderer Mensch steht.
Wo du es schon erwähnst: Zumindest bei den ersten EPs hast du alle Instrumente selbst eingespielt, oder?
Jede Platte, auch die neue.
Was sagen deine Bandmates dazu, wenn du das alles alleine machst?
Frag sie, haha! Also, bei meiner alten Band war das auch schon so, dass ich die Songs alle alleine geschrieben habe. Ich bin das einfach so gewohnt. Ich liebe es, verschiedene Instrumente zu spielen, und da das live nicht geht, kann ich sie wenigstens im Studio einspielen. Und außerdem bin ich ein verdammter Perfektionist. Wenn ich es selbst übernehme, weiß ich, dass es gut genug ist. Den Druck möchte ich meinen Jungs gar nicht erst antun, also erledige ich es und gut ist.
Auf „Disease“ hast du eine neue Gesangsart ausprobiert. Wie bist du darauf gekommen, deine Vocals so zu modifizieren?
Ich weiß nicht. Ich glaube, das liegt daran, dass meine Stimme nach dem ganzen Touren jetzt einfach ein bisschen abgefuckt ist, und so hört sich das dann an. Ich weiß nicht, ich habe mir jetzt nicht wirklich was dabei gedacht, meine Stimme auf eine bestimmte Art und Weise zu verändern. Was sich an einer entsprechenden Stelle im Lied gut anhört, wird einfach so gesungen, und dann passt es. Und wenn nicht, dann wird es eben variiert, bis es sich gut anhört. Ich übe da auch immer weiter und versuche, mich zu verbessern.
Hast du irgendein spezielles Vocaltraining gemacht?
Vor langer Zeit habe ich das mal gemacht. Aber jetzt bin ich einfach zu Hause und übe alleine. Ich lerne immer wieder mehr über meine eigene Stimme im Laufe der Jahre, aber ich glaube, das ist normal, wenn man regelmäßig auf Tour ist und seine Stimme jeden Abend gebraucht.
Deine Screams haben immer wenig Verzerrung. Hast du vor, am gutturalen Gesang auch mal etwas zu verändern.
Ich weiß es nicht. Das sehen wir auf dem nächsten Album. Was passieren mag, wird passieren.
Ein Lied auf eurem neuen Album heißt „Greatness or death“. Glaubst du, ein Künstler kann nur erfolgreich sein, und ist er es nicht, bleibt nur der Tod?
Hinter dem Slogan steckt noch mehr als das, wonach es klingt. Es gibt da eine große Bandbreite. Ich versuche, mich in meiner Musik selbst zu finden, und ich hoffe, das wird mir irgendwann einmal gelingen, oder ich werde irgendwann sterben, habe es dann aber wenigstens versucht. Ich arbeite daran, dass kein Album langweilig klingt, nicht jedes Lied gleich, sondern immer eine gewisse Vielfalt dabei ist, damit es den Leuten nicht langweilig wird, wenn sie das Album hören.
Deine Texte sind ja sehr selbstreflektierend, oft sehr verzweifelt, aber dennoch sind die Melodien oft so mitreißend, dass die Leute tanzen und feiern – gewissermaßen zu deinen persönlichen Problemen.
Ja, das ist schon irgendwie komisch, da hast du recht ... Aber wenn ich Lieder schreibe, denke ich nicht so viel darüber nach, wie das bei den Leuten ankommen könnte. Ich glaube, es würde mich viel zu sehr verunsichern, und dann würde ich vielleicht anfangen, Fake-Lyrics zu schreiben, weil ich Angst habe, den Menschen meine wahren Gedanken zu offenbaren. Deshalb blende ich das aus. Und ja, solange die Leute glücklich sind, ist es doch eigentlich gut. Sollen sie tanzen, austicken, was auch immer. Das ist doch das Wichtigste.
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