BARSEROS vs. KARATE DISCO

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The Hanni & Nanni Of Punkrock

Was verbindet zwei Bands wie BARSEROS und KARATE DISCO? Nun, bei oberflächlicher Betrachtung lässt sich lediglich feststellen, dass es sich um zwei sich gegenüber der Erfindung des Punkrocks erkenntlich zeigende Kapellen aus dem Rheinland handelt, welche eine gemeinsame Begabung zur Komposition von imposantem und zeitgenössischem deutschem Liedgut aufweisen. Im Frühling dieses Jahres erscheinen jeweils neue Tonträger beider Bands: das mittlerweile fünfte BARSEROS-Album bei Unter Schafen Records; die CD-Version des KARATE DISCO-Debütalbums bei RilRec, die dazugehörige Vinylversion in Koproduktion mit Kidnap Music, Katze Platten und Elfenart. Und im Mai geht es damit auf gemeinsame Kaffeefahrt quer durch die Republik.

Dass eine Band namens KARATE DISCO, die sich ihre Schublade mit "Deutsch-LK-Punk" beschriften lässt, ausgerechnet eine angehende Deutschlehrerin in ihren Reihen hat, verwundert vermutlich ebenso wenig wie die Tatsache, dass innerhalb einer Band namens BARSEROS, deren Hautgewänder überaus farbenfroh in Erscheinung treten, mindestens ein Tätowierer ausfindig gemacht werden kann. Doch wo liegt nun der wichtige, bedeutungsvolle, unbestreitbare, sich nicht verleugnen lassende Konsens zwischen KARATE DISCO und BARSEROS verborgen? Woher nimmt der Verfasser dieser Zeilen die unverschämte Rechtfertigung, ein Interview mit Vertretern dieser beiden Bands in einem Abwasch zu absolvieren? Für den Eingeweihten liegt der Grund bereits auf der Hand: es besteht eine Blutsverwandtschaft zwischen beiden Bands, und Obacht, nicht im pathetischen Sinne ... In der Tat ist hier die Rede von einer buchstäblichen Blutsverwandtschaft: Monsieur Michael Giefer, aka Sänger von BARSEROS, und Mademoiselle Ricarda Giefer, aka Sängerin bei KARATE DISCO, sind Bruder und Schwester! Ein kurzweiliger Plausch mit dem entzückenden Waldorfschüler-Geschwisterpärchen ergab folgendes charmante Interview. Viel Vergnügen!


Liebe Ricarda, lieber Micha, wie geht es euch an diesem Sonntag? Wie habt ihr das Wochenende verbracht? Ordentlich einen gesoffen?

Michael: Ja, sogar außerordentlich. Trotzdem geht es mir erstaunlich gut an diesem Sonntag. Liegt wohl am Rauchverbot in den Gaststätten. Der Qualm ist des Katers Komplize, weißt du ...

Ricarda: Ich habe keinen Jägermeister ausgelassen und fühle mich trotzdem wie der frische Frühling heute Morgen. Ist das immer noch der Jugendbonus?

Stellt euch vor, ihr solltet im Rahmen eines Klassentreffens berichten, was seit der Schulzeit aus euch geworden ist ...

Michael: Ein hervorragend aussehender Kleinunternehmer. Ledig und rüstig.

Ricarda: Meine Schulzeit liegt zwar gerade mal drei Jahre zurück, aber ich würde sagen, ich bin nach einer soliden Orientierungskrise einem selbstbestimmten Lebenswandel erheblich näher gekommen.

Zwischen euch liegen zehn Jahre Altersunterschied. Was unterscheidet die Adoleszenz- von einer Midlife-Krise?

Michael: Midlife-Krise? Ich geb dir gleich Midlife-Krise. Dann kannst du dir die Frage selbst beantworten.

Ricarda: Haha, gar nicht mal so viel ... Außer dass man in meinem Fall natürlich zweifellos frischer dabei aussieht.

Micha, wenn du dich in das Alter deiner Schwester zurückversetzt, was hat sich seitdem geändert?

Michael: Als früher Twen war ich natürlich sehr mit mir selbst beschäftigt. Mein Credo war: Kein Bock, kein Bock, kein Bock! Nicht gerade sehr ungewöhnlich für einen Jugendlichen. Hätte ich damals gewusst, dass ich irgendwann einmal den besten Job der Welt mache und jeden Tag ausschlafen kann, mein Gemüt wäre wohl etwas weniger hitzig gewesen. Um es mal zusammenzufassen: die ständige Zukunftsangst um das eigene "Werden" und der damit einhergehende Stress sind zehn Jahre später gewichen. Ein paar Ansichten haben sich geändert, ein paar andere Themen stehen im Fokus. Sonst ist alles beim Alten geblieben. Zum Glück!

Ricarda, wo siehst du dich in zehn Jahren, wenn du mal so groß bist wie dein Bruder?

Ricarda: Im Prinzip würde ich mir das derzeitige Leben meines Bruders schon zum Vorbild nehmen - man sieht doch, dass es ihm gut geht! Allerdings wird mir sicherlich bis dahin das Ticken der biologischen Uhr dazwischen gekommen sein, und das ist dann auch gut so. Ich glaube einfach, dass ich in zehn Jahren insgesamt gelassener und sicherer bin, mit Anfang zwanzig steht man doch noch auf sehr wackeligen Beinen.

Ihr seid Geschwister und beide für den Gesang in euren Bands zuständig. Was gibt es an weiteren Gemeinsamkeiten zwischen Bruder und Schwester? Inspiriert ihr euch gegenseitig?

Michael: Da sind schon noch ein paar mehr Gemeinsamkeiten. Wir sind ja beide stark künstlerisch tätig. Das heißt natürlich kunsthandwerklich ... kann man das so sagen? Künstler sind ja so ziemlich das Niederste, was auf diesem Planeten herumkriecht. Wir hatten erst neulich die Rede von diesen MySpace-Mädchen mit Spiegelreflexkameras. Die knipsen ständig ihre Freundin halbnackt auf dem gekachelten WC-Boden, die Schminke verlaufen, und es darf auch noch eine Line Ahoi-Brause daneben liegen. Das ist ganz schön "arty" und "avantgardistisch". Man weiß nie, ob man die bumsen oder hauen will. Aber um die Kurve wieder zu kriegen: wir zeichnen und malen beide, schreiben beide Texte und Songs, spielen beide Instrumente und mögen ähnliche Musik. Ja, da inspiriert man sich auch mal gegenseitig. Wir haben popkulturell wohl eine sehr ähnliche Prägung.

Ricarda: So ist es. Wir liegen, was Geschmack und Humor betrifft, nicht allzu weit auseinander, was die Grundlage für produktive Kommunikation beziehungsweise inspirierende Gespräche bildet. Außerdem schmieren wir uns regelmäßig gegenseitig gläserweise Honig ums Maul, was unsere Songtexte angeht, eine hervorragende Motivation!

Was denkt ihr, in welchen Punkten ihr euch voneinander unterscheidet?

Michael: In Größe, Alter und Geschlecht zunächst ...

Ricarda: Und in Gewicht und Ausmaß der Gesichtsbehaarung. Nein, im Ernst, besonders Geschlecht und Generation ziehen einen ganzen Sack an Unterschieden mit sich. Er darf als Kerl zum Beispiel viel stumpfere Texte schreiben als ich, dafür darf ich mich als Dame auch getrost mal zu ein wenig mehr Poetik hinreißen lassen, ohne gleich schwul zu klingen.

Ihr habt mit BARSEROS und KARATE DISCO jeweils ein neues Album in den Startlöchern. Sprechen die Alben für sich oder was gibt es Wissenswertes darüber zu berichten?

Michael: Das neue BARSEROS-Album ist diesmal komplett in deutscher Sprache gehalten. Wir haben wieder bei Kurt Ebelhäuser im Studio 45 aufgenommen und den Zigeunern so viel gezahlt, dass man diesmal auf den Aufnahmen die Texte verstehen kann. Ansonsten ist von Hardcore bis Ballade alles am Start. Es geht um den langweiligsten Mensch der Welt, um Leute die immer "lol" schreiben, Typen mit Formrasur und solche, die Gangster-Rap über ihr Handy hören und und und. Die neue KARATE DISCO wird übrigens die zweitbeste Veröffentlichung 2008, lol.

Ricarda: Bei uns geht es um Frauen, die sich bei Männern anbiedern, um das "Gegen-Liebe-immun-werden-wollen", um Menschen, die einem das ganze Leben zur Hölle machen und trotzdem immer noch zu Kaffee und Kuchen kommen, und so weiter und so fort. Michas Stimme ist auf der KARATE DISCO-Platte sporadisch zu vernehmen und meine auch mal auf dem BARSEROS-Album.

Ihr geht im Mai mit euren Bands gemeinsam auf Tour. Wie sollte eine Tour unter Geschwistern eurer Vorstellung nach verlaufen? Und was glaubt ihr, wird euch tatsächlich erwarten?

Michael: Äh, tja ... wie soll das schon laufen unter Geschwistern? Wie Hanni und Nanni in neuen Abenteuern. Vielleicht rufen wir abwechselnd bei unseren Eltern an und sagen, dass alles in Ordnung und die Herbergsmutter nett ist.

Ricarda: Ja, aber in Wirklichkeit wird er unsere Mutter anrufen und von meinen angeblichen Saufeskapaden berichten, nur um von sich abzulenken. So macht er das tatsächlich regelmäßig! Insgesamt freue ich mich jedenfalls sehr auf die gemeinsame Tour.

Micha, fühlt es sich als Tätowierer anders an, wenn man seine eigene kleine Schwester tätowieren soll, anstelle eines Kunden außerhalb der Familie?

Michael: Ja, allerdings. Die Hemmschwelle, der eigenen Schwester Schmerzen zuzufügen, ist doch um einiges größer als bei regulären Kunden. Bei Regulären macht es ja manchmal auch Spaß. Primär bei denen, die Wikinger tätowiert haben möchten.

Ricarda: Manchmal entwickle ich dabei einen irrationalen und blinden Hass gegen meinen eigenen Bruder ... besonders, wenn er vergnügt pfeift, während ich Höllenschmerzen erleide. Von wegen Hemmschwelle!

Ricarda, du studierst auf Lehramt. Was wirst du als Paukerin von morgen der Jugend vermitteln wollen?

Ricarda: Ich werde unter anderem Deutsch unterrichten und versuchen, der Jugend beizubringen, dass man mit der deutschen Sprache fantastische Dinge anstellen kann. Vielleicht dürfen die in meinem Unterricht dann zum Beispiel nur in Reimen sprechen oder so, das wäre sinnvoll.

Wovon werdet ihr auf eurem nächsten Klassentreffen berichten?

Michael: Davon, dass wir dem Ox-Fanzine wichtige Interviews geben, während die anderen Ex-Mitschüler schon an ihrem Dritt-Kinn basteln.