Das Berliner Trio BANQUE ALLEMANDE wurde an anderer Stelle mal als Missing Link zwischen TRIO, HÜSKER DÜ und Rainer Werner Fassbinder bezeichnet, man könnte auch sagen, soziales Bewusstsein, das sich allem Elitarismus verweigert und dabei eine Schnittstelle von Kunst und privater Heimstatt offen hält, die wir in Zeiten der totalen Kulturabsorbtion schon längst vergessen hatten. Orte, wo man die WIPERS oder FISCHMOB oder HRUBESCH YOUTH, die fantastischen SIGHTINGS aus New York oder, natürlich, MUTTER verorten könnte, ist aber eigentlich auch egal. Dass BANQUE ALLEMANDE ein gefundenes Fressen für Bezugssystemsüchtige ist, da können die drei nichts dafür. Dass sie in Stücken wie „The Baumarkt Nation“ oder „Die Akademie (kann dir jetzt auch nicht weiter helfen)“ bestmögliche Bestandsaufnahmen zur prekären Lage der Nation abliefert, dafür aber schon. Aber man sollte sie für sich selbst sprechen lassen, entweder auf Vinyl – ihre LP „Eins Zwei“ ist Ende 2010 auf dem kalifornischen Label SS Records erschienen – live oder eben hier, im Gespräch mit Banquer Harald Berger.
Die Deutsche Bank bei SS Records?! Klingt wie ein ziemlich guter Witz ...
Der Labelchef heißt Scott Soriano, es sind einfach seine Initialen. Ich nehme an, als Amerikaner war ihm die Parallele zur so genannten Waffen-SS und das Gebändel mit dem ganzen Nazischeiß erst gar nicht aufgefallen und dann egal. Wenn sich Nazibands bei ihm bewerben – das machen sie wohl gern –, dann lehnt er sie natürlich ab, er passt auf, dass allgemein kein Nazikram oder so was auf Covern auftaucht. Und wenn er Platten nach Deutschland schickt, dann schreibt er als Absender nicht das Kürzel hin, weil die Kiste sonst im Zoll hängenbleibt. Ich meine, wenn er sich überhaupt mit irgendwas assoziiert, dann wohl eher mit SST. Das ist bei seiner Labelausrichtung doch viel nahe liegender. Komisch, dass auf die Idee hier kaum einer kommt. Und Deutsche Bank 24, na ja ... Die Noise-Band davor, in der wir gespielt haben, die hieß DISCOUNTER – von Discounter zu Deutsche Bank, das war einfach zu verlockend. Das „Deutsch“ im Namen und der damit verbundene Ballast, so gesehen zu werden, als würde man sich irgendwie über Nationalität oder Deutschsein definieren oder hätte mächtig was zu sagen zu dem Thema, das hat uns dann auch nach einer Weile schwer im Magen gelegen. Wir hatten dann versucht, deswegen die Kurzversion dbZwoVier einzubürgern, nur war’s da schon zu spät.
Das ist jetzt aber eine denkbar unspektakuläre Auflösung. Es klang so schön radikal.
Tut mir ja auch leid.
Als Berliner Band in der Hypestadt Berlin – wie fühlt sich das an?
Hm, wie fühlt sich das an ... normal? Im Underground merkt man davon ja nicht so viel. Es tritt hier halt eine unglaubliche Masse an Acts auf, jeden Tag das ganze Jahr über. Die Stadt hat wegen ihrer Größe und kulturellen Betriebsamkeit einen sehr hohen Versandungsfaktor. Was du heute machst, ist morgen schon vom Winde verweht. Da passiert einfach so viel, da baut sich nicht so schnell was auf. Die Leute wollen feiern, die ganzen Touristen sowieso, die in den normalen Clubs mittlerweile ziemlich das Bild prägen. Die Band von heute ist erst mal nur das Feature der eigenen Party, und nicht die Party selber. In kleineren Städten, wo eine Band mal einen Run hat, bringt das dann zehn Jahre Szeneruhm, so was gibt es in Berlin ja nicht. Ich find es immer bemerkenswert, hier in kurzen Abständen zu spielen – du hast noch die Welle von dem einen Konzert, wo es total zur Sache ging, für dich selbst geht es einfach weiter – und am anderen Abend ist es so, als wärest du auf einem anderen Planeten, oder von der geilen Stadt auf einmal in das langweilige Kaff gekommen, bist aber nur zwei Tage und drei Blocks weiter. Total irre. Es gibt auch nicht die eine Berliner Szene, es gibt nur unendlich viele kleine Szenen, die sich um die Clubs und Läden herum sammeln, für eine Weile. Jede denkt, sie ist der Nabel der Welt und weiß von den andern herzlich wenig – wer in dem einen Club weltberühmt ist, den kennt nebenan keine Sau. So was lehrt Bescheidenheit. Es passt nicht ganz zum Prollklischee, das Berlin hat, aber die Leute haben durchweg ein angenehmes Understatement, würde ich sagen.
Ihr seid als Berliner Band bei einem kalifornischen Label gelandet, wie kam’s?
Irgendwie war das unterm Strich wenig verwunderlich, die haben da halt eine ganz andere Vergangenheit in Bezug auf krachige Rockmusik. Erst die Hippiezeit, später SST und das ganze Hardcore-Ding, das nicht so auf die Großstädte beschränkt war, wie vorher der Siebziger-Punk; dann kam Grunge, im Mainstream SONIC YOUTH, NIRVANA, und dass so ein Megastar wie Neil Young heute mit zwar gepflegtem Gitarrenkrach und Feedbackmusik berühmt ist – bei uns undenkbar. Das hat eine andere Akzeptanz, gehört mehr zur kulturellen Identität.
Sind BANQUE ALLEMANDE eine Noise-Band? Live seid ihr extrem laut und krachig.
Was einer als Noise empfindet, leitet sich eh mehr aus den individuellen Hörgewohnheiten ab. Für mich fängt Noise erst bei den Zufallsgeräuschen elektrischer Geräte und White Noise an, den alltäglichen Nebengeräuschen etwa vom Kühlschrank und der Straßenbahn. Geräusche ohne willentliche Verursachung eben, unklar, diffus, störend oder wunderschön. Ich versteh unter Noise strukturlosen Krach aus Geräuschen, Zufälligkeiten, Unlenkbarkeiten. Das ist das Schöne an dem Spiel mit Gitarrenrückkopplungen, sie sind nicht berechenbar – was mit deinem Signal passiert und wie sich die Sache entwickelt, ist völlig abhängig vom Raum, von der Temperatur, von der Menge an Menschen im Raum. Es verändert sich willkürlich, den Bedingungen nach. Du kannst dem Schall über die Maschinen und dem Raum quasi nur Vorschläge machen, was er mit deinen Tönen jetzt macht. Als Rock-Band wandelst du höchstens in den Grenzbereichen zwischen Krach, also der Auflösung in ein ungreifbares Geräusch, und Struktur. Das ist bei SONIC YOUTH oder DÄLEK auch nicht anders.
Wieso habt ihr kein Label in Deutschland gefunden?
Hier verbrennt sich doch zur Zeit keiner die Finger. Ich habe das Gefühl, dass nach der viel besprochenen Krise, nachdem die ganzen idealistischen Minilabels eigentlich tot sind, auf den mittleren Labels, die irgendwie für Rock stehen, nur noch Sachen rauskommen, die ein Minimum an Massentauglichkeit mitbringen. So ein „Es könnte sich verkaufen“ wiegt eben schwerer als ein „Alter, was ist das denn bitte?“ Auch im ehemaligen Indie-Bereich müssen Kriterien für Kritiker- und potenziell auch Radiomusik erfüllt sein. Für Experimente ist gerade irgendwie nicht die Zeit, wie’s scheint. Eine andere Sache ist auch, dass BANQUE ALLEMANDE für ein Rocklabel eigentlich zu Noise waren, andererseits für ein Noiselabel zu Rock. Ziemlich zwischen den Stühlen, das ist zwar inhaltlich interessant, aber wenn man in Käufersparten denkt, ist das ein ziemliches No-Go.
Ein paar Takte zu Punkrock?
Welchen Punk meinst du? Der Begriff ist ausgeleiert und bedeutet nicht mehr sonderlich präzise was. Wenn alles Punk ist, was ein wenig kratzt im Ohr und knirscht im Auge, dann nützt das Wort nur noch zur groben Orientierung. So allgemein gehalten ist das auch okay, und dann sind Banque wohl auch Punk. Eine unselige Debatte, wer oder was denn da der Echte ist und wer nicht. Die Verwendung von Genres dient eh nur der groben Orientierung, ich finde sie allgemein total überflüssig. Eine gute Band macht in jedem Stil den gleichen Spaß.
... und zu Punk in Deutschland?
Schwierig. Es gibt einerseits diesen Schützenfest-Punk, dieses Zwei-vier-Bier-Ding, ein paar Parolen gebrüllt, ein total krasses Logo hinten auf der Bühne, und ab dafür. Und dann gibt’s halt diesen, sag ich mal, Citypunk, teilweise intellektuell, oder antiintellektuell, was irgendwie das Gleiche ist, die jedenfalls dieses rohe Gitarrending machen und deren Thema irgendwie „Ich & Gesellschaft“ ist. Das ist dann mehr so OMA HANS, DIE GOLDENEN ZITRONEN, und es gäbe genug Leute, die sagen würden, das ist doch kein Punk, und nur für die Feuilleton-Schublade steht halt groß Punk drauf. Keine Ahnung, ist mir auch egal.
Banque versus Punk?
Uns begegnet das ja ab und an, dass jemand erstaunt ist, wenn er hört, dass wir weder in Kreuzberg wohnen noch eine riesige Deutschpunk-Plattensammlung haben und so weiter, und uns nicht als Hüter irgendeines halluzinierten Punk-Grals verstehen. Wo die Musik doch so Punk ist! Dieser Ohrenschrauben-Gitarrensound der ersten Platte hat sich angefunden in Jahren, als ich eigentlich nur Experimentalmusik, Feedback, Soundscape und so gemacht habe, meistens alleine. Da war überhaupt nichts Aufreißerisches dran, das war eher extrem nerdy. Ich dachte dann: Boah, ist der Sound geil, und dass er eine Band ’ne Weile tragen könnte. Diese Abartige, Ausgekotzte, immer dicht am Überkoppeln, und dann dieses obertonartige Pfeifen drüber die ganze Zeit, eine ganze Weile musste ich das echt aussitzen, weil, ab von unserer Band, eigentlich jeder Hörer fragte, ob was kaputt ist, und jeder Mischer versucht, den normal zu biegen. In der Experimentalmusik war das kein Ding, da hatte man die Freiheit. Sobald ich das aber im Rock eingesetzt habe: Scheuklappen, so weit das Auge reicht. Und die Geradlinigkeit, die Vorliebe für Vierviertel, für mich kommt das vom Techno. Schnurgerade, ewig lange Stücke, die solange weiter laufen, bis sie irgendwann Meditation werden, sind einfach das Geilste. Die Verwandtschaft zum Techno hört nur keiner, weil wir halt ein Holzschlagzeug benutzen. Unser Drummer steht auch auf schnurgerade Beats, hat aber weder einen besonderen Techno-Einfluss – unser Bassist erst recht nicht – noch einen nennenswerten Punkrock-Einfluss. Verwirrend, nicht? Na ja, so mischt man dann eins mit dem andern und auf einmal steht man dann vor etwas, von dem alle sagen, das sei Punk – man kratzt sich am Kopf, what the fuck.
Und warum deutsche Texte?
Sich in der Muttersprache auszudrücken, ist einfach treffsicherer. In einer andern Sprache hängst du immer am Tropf deines eigenen Unvermögens.
Ausblick?
Konfuzius sagt: „You can not eat the same chicken a hundred times.“ Ich würde sagen, da hat er Recht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #96 Juni/Juli 2011 und André Pluskwa