Vor kurzem knackten die Niederländer ANTILLECTUAL eine ganz besondere Kilometermarke. Sänger und Gitarrist Willem über ihren treuen Wegbegleiter.
Jahrelang tourten wir in unserem Van, ohne ihm einen ehrenwerten Namen verpasst zu haben. Wir konnten uns einfach auf keinen einigen. Doch dann traf uns ein schicksalhaftes Ereignis: Wir knackten die 666.666,6 Kilometer-Marke und uns war klar: Ab sofort fahren wir im „Iron Maiden“.
2008 kauften wir uns einen eigenen Van, einen Mercedes Sprinter. Für jede Show und Tour einen Bus zu mieten machte für uns einfach keinen Sinn – weder finanziell noch vom Aufwand her. Tatsächlich war es die beste finanzielle Entscheidung, die wir als Band je getroffen haben. Als wir die Karre aus zweiter Hand kauften, hofften wir, dass der Wagen uns zumindest über zwei Jahre treu bleibt, damit sich die Kosten rechnen. Und heute, zehn Jahre und über 200.000 Kilometer später, leistet er noch immer zuverlässige Dienste. Er brachte uns von Portugal bis Polen, von Schottland nach Slowenien – und überall dazwischen.
Wegen seines Alters und seines Zustand ist es jedes Mal mit einer gewissen Anspannung verbunden, wenn man neue Geräusche beim Auto entdeckt. Daher fällt uns immer wieder ein Stein vom Herzen, wenn wir eine Tour ohne Panne beendet haben. Tatsächlich haben wir in all der Zeit nur eine Show verpasst, woran der der Bus schuld war – oder wir selbst, weil wir nicht genügend Öl dabei hatten. So einen Moment vergisst man aber auch nicht; wir hätten damals in Stuttgart den Support für NOTHINGTON übernehmen sollen. Schade!
Eine Zeit lang haben wir den Bus auch an befreundete Bands ausgeliehen, was wir aber wegen der eigenwilligen Tücken des Vans einstellen mussten: Die Seitentür schließt nicht einwandfrei (coole Erfrischung im Sommer, im Winter aber frierst du dir den Arsch ab), das Getriebe klappert und eine Sache lernten wir auf die harte Tour: Wenn die Tankanzeige sagt, dass der Tank noch zu einem Viertel voll ist, dann ist er komplett leer ... und zwar bis auf den letzten Tropfen.
In der Zwischenzeit hätten wir uns von all den Einzel- und Ersatzteilen, die wir in den Van gesteckt haben, eine komplette neue Karre bauen können. Da wird wohl mittlerweile der fünfte Auspuff unter der Karre hängen. Am bemerkenswertesten war dabei die Situation, in der die Vakuumpumpe ihren Geist aufgegeben hat: Wir konnten machen, was wir wollten, am Schlüssel drehen und versuchen, die Karre absaufen zu lassen – der Motor ging einfach nicht aus. Die Werkstatt unseres Vertrauens – die treffenderweise „Ride on“ heißt – sagte uns dann: Entweder lasst ihr die Karre laufen, bis der Tank leer ist ... oder ihr helft nach, das Ding leer zu bekommen. Da standen wir also mit keiner Ahnung von nichts, bis uns der Mechaniker die „Human Vakuum Pump“ in die Hand drückte. „Daran saugt ihr jetzt so lange, bis die Karre ausgeht.“ Das muss für alle Umstehenden ein irre witziges Bild hergegeben haben. Während die einen bestimmt dachten, wir wollten Sprit klauen, dachten andere vielleicht, wir hätten ein Alkoholversteck im Tank, who knows?
Ja, der Van ist scheißlangsam, er ist alt und verschlissen und ja, der Motor ist die Umweltsünde schlechthin, so dass wir in keine Umweltzone kommen. Aber: Durch alle Wetter-, Verkehrs- und Sozial-Krisen zu kommen, die das Auto schon mitgemacht hat, das muss ein Bandbus erst mal schaffen. Diese Treue macht den Van zu einer zweiten Heimat. Mittlerweile hat die passable Musikanlage sogar einen CD- und einen Aux-In-Slot und ich habe noch nie besser geschlafen als auf der Pritsche unseres Vans.
Wir wissen nicht, wie lange unser „Iron Maiden“ uns noch die Treue halten wird. Gut möglich, dass er schon mit den nächsten paar Kilometern in die Knie geht. Aber bis der Tag kommt, werden wir ihn weiterhin lieben und vielleicht auch noch die 777.777,7 km schaffen, und wer weiß, vielleicht sogar die 1.000.000. Wenn ihr uns also auf der Autobahn seht, gebt uns und unserem Van ein High-Five! Und wenn ihr eine unserer Shows besucht, feiert uns und unseren „Iron Maiden“ – denn nun wisst ihr, was wir für Mühen wir auf uns genommen haben, um zu eurem Club zu kommen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Fabi Schulenkorf