Hamburg hat viele schöne Seiten. Die Elbe, den Michel, die Alster, den Hafen und noch vieles mehr. Doch ein ganz wichtiger Punkt ist auch die nach wie vor blühende Musikszene. Zwar sterben hier zwar auch, wie im Rest der Republik, immer mehr Live-Clubs und Auftrittsmöglichkeiten, doch engagierte Leute, die noch immer mit Gitarren und Schlagzeug bewaffnet die Motivation aufbringen, dem Publikum den Marsch zu blasen, finden sich immer noch zu Genüge. Bands sprießen in Hamburg wie Pilze aus dem Boden, und nicht selten trifft man dabei immer wieder auf ein paar alte Bekannte. Eine dieser Bands ist BÄRBEL. Mit Musikern, die man schon unzählige Male in fast ebenso vielen Bands gesehen hat. Nach ihrer Debüt-Single "Punkarsch.de" folgte zum Ausklang des letzten Jahres ihr erstes Album "Punkzirkus", welches mit guten Kritiken allerorts überhäuft wurde. Grund genug, mich mit Haake (Stimme, Gitarre) und Pizza (Trommeln) für ein kleines Gespräch zusammenzusetzen. Ebenfalls dabei war noch Marc, der Boss vom extra für BÄRBEL ins Leben gerufene Label Johnny Mofa Records.
Ist BÄRBEL eine gute Hausfrau?
Hake: Da kann ich nicht viel zu sagen. Ich kenne BÄRBEL nicht so genau.
Pizza: Ich würde sagen, BÄRBEL ist alles andere als eine Hausfrau. BÄRBEL ist eigentlich fast wie ein Typ, nur dass sie eine Frau ist. BÄRBEL ist all das, was wir uns von einer Frau erträumen.
Das heißt, BÄRBEL trinkt, interessiert sich für Fußball und fährt Formel 1...
Hake: ...und hat die Küche voller leerer Pfandflaschen. Jeder will mal 24 Stunden BÄRBEL sein in seinem Leben.
Welche verschiedenen Gesichter hat Bärbel?
Hake: Im Moment ist das so, dass Pizza und ich zur Band gehören. Und Marc gehört eigentlich auch zu BÄRBEL.
MARC: Ich bin sozusagen BÄRBELs dritte Brust.
Hake: Einen festen Basser haben wir im Moment nicht, weil Imo draußen ist. Der ist in beiderseitigem Einverständnis ausgestiegen. Und bis wir jemand festes, neues haben, so lange hilft uns Arne von SQUARE THE CIRCLE aus.
Wie kommt man als Hamburger Punkband dazu, sich den Namen BÄRBEL zu verpassen?
Hake: Wir hatten eigentlich die Idee gehabt, uns weiterhin STROMBERG zu nennen, wie wir bislang hießen, doch da wir unsere Musik auch verändert haben, musste auch ein neuer Name her. Und da fiel uns dann BÄRBEL ein. Damit ist aber keine bestimmte Person gemeint. Wir fanden halt nur, dass dies ein schlechter Bandname ist.
Pizza: Das stimmt so nicht ganz. Das ist mehr als nur ein schlechter Bandname. Damals, als uns der Name eingefallen ist, hatten wir diesen ganzen Frauenstress, den wir über all die Jahre erleben mussten, durch BÄRBEL manifestiert. BÄRBEL war für uns praktisch diese ewige Reibung, die jeder von uns mit den Frauen hatte.
Hake: Wir haben am Anfang auch noch überlegt, ob wir das wirklich machen wollen. Zwar haben wir uns darüber kaputt gelacht, wussten nur nicht, ob wir das wirklich durchziehen sollen. Doch es ist dann dabei geblieben. Wir brachten dann den nötigen Humor auf, zu sagen, dieser Name ist geil.
Pizza: Als der Name BÄRBEL im Raum stand, hatte ich eine Frau vor Augen, die sicher im Leben steht, zupackt und auch gerne mal eine Schelle verteilt, wenn sie Bock hat, aber auch einen weichen Kern besitzt.
Hake: Ich hatte eher so eine Hamburger Dern im Sinn. So eine Pipi Langstrumpf in Gummistiefeln.
Wie findet man als "Punkarsch" den Weg in den "Punkzirkus"?
Hake: Punkzirkus bedeutet für mich das Aufarbeiten aller Elemente, die man in der Punkmusik gut findet. Das fängt für mich in den 70er Jahren an und geht bis hin zu moderner Pop-Musik. Eigentlich das ideale Gemisch aus den UNDERTONES und den DEAD BOYS. Also, wir sind eher Fans von den BOYS oder den RAZORS.
Pizza: Das hört sich jetzt so an, als wenn wir immer lustig drauf wären, doch mit Funpunk hat das Ganze nichts zu tun. Im Grunde genommen ist es genau das Gegenteil.
Marc: Wenn ich mal kurz was sagen darf. Wir saßen im "Treibeis" und wollten einen doppeldeutigen Namen für die Platte haben, der einerseits Punkelemente der 70er Jahre widerspiegelt wie halt die Raben, die ja auch auf dem Cover drauf sind, andererseits natürlich auch gegen den Punk-Hype unserer Tage schießt. Heute ist ja alles Punk.
In welcher musikalischen Tradition sieht sich Bärbel?
Hake: Für mich stecken hier eine ganze Menge musikalischer Traditionen drin. Ich höre zwar die unterschiedlichsten Musikstile, kann aber nichts anderes spielen. Es ist nicht so, dass ich jetzt nur Power-Pop und Pop-Punk höre. Ich höre auch eine ganz Menge Psychedelic und diese Cocktail-Musik.
Pizza: Wir sind halt, und das hört man uns auch an, in den 70er Jahren groß geworden. Ich habe als Kind ROLLING STONES gehört, später die BAY CITY ROLLERS und dann SLADE. Irgendwann kam ich dann mal auf Punk. Im Endeffekt ist Punk zwar unser Zuhause, aber unsere Wurzeln liegen in den 70ern. Wir hören uns aber auch gerne aktuelle Sachen an. TURBONEGRO fanden wir alle super.
Hake: Wer mich sehr stark beeinflusst hat, waren SMOKING POTT und die POSIES. Ich nenne da auch noch mal die PIXIES oder ROKY ERICKSON.
Wie sieht es mit euren Live-Aktivitäten aus?
Pizza: Ich bin derjenige, der die Arschkarte gezogen hat und sich darum kümmern darf. Bisher haben wir erst zweimal außerhalb Hamburgs gespielt, aber da wollen wir in Zukunft wesentlich mehr machen. Ob es zu einer Tour reicht, weiß ich noch nicht.
Wenn man Kritiken über BÄRBEL liest, fallen automatisch Namen wie PHANTASTIX, ART OF TIN TOYS oder SHEEP ON A TREE. Ist BÄRBEL jetzt nur eine weitere Station auf dem Weg... ja wohin eigentlich?
Hake: Auf dem Weg, es besser zu machen, als man es zuvor gemacht hat.
Pizza: Dazu muss man sagen, dass Hake und ich ein altes Ehepaar sind. Wir machen mit einigen Unterbrechungen jetzt schon seit über zehn Jahren zusammen Musik.
Hake: Inzwischen stört einen aber das Namedropping nicht mehr. Das ist halt der Vorteil einer Schublade. Und jeder Schimpanse wird zum Leben erweckt, warum nicht auch wir?
Wurde "Johnny Mofa Records" eigens für Bärbel ins Leben gerufen?
Marc: Ursprünglich ja. Aber mal sehen, was noch kommt. Aber dann möchte ich auch nur Bands machen, auf die ich total Bock habe, so wie es bei BÄRBEL der Fall war. Ich würde mich aber freuen, wenn ich mit BÄRBEL auch langfristig planen könnte. Aber man weiß ja nicht, was daraus wird. Eine weitere Band, mit der ich mir eine Zusammenarbeit sehr gut vorstellen könnte, wären FOREST KELLY.
Es ist schön zu sehen, dass ihr nach all den Jahren des Punkrockens diesem immer noch nicht überdrüssig seid. Wie schafft man das?
Hake: Indem wir eigentlich ja gar keinen Punkrock machen. Vielleicht führt der LP-Titel auch in die Irre. Wir machen eigentlich Power-Pop. Bands wie die UNDERTONES oder BUZZCOCKS, die uns beeinflusst haben, waren ja auch keine wirklichen Punkbands.
Und wie kommt es, dass ihr deutsch singt?
Pizza: Weil Hake nicht so gut Englisch kann. Also eher eine Notlösung.
Wer ist für eure Texte zuständig, und wie entstehen die?
Hake: Dafür bin ich zuständig. Und die entstehen halt aus dem, was mir so im Kopf herumschwirrt. Alltagsgeschichten, Frauen und so.
Bietet Hamburg eurer Meinung nach neben BÄRBEL noch andere musikalische Leckerbissen?
Hake: NORDEN zum Beispiel. Oder natürlich PROJEKT KOTELETTE.
Mit welchen Drogen übersteht man die heutige Zeit am Besten?
Pizza: Bier ist eigentlich immer noch die beste Droge.
Was habt ihr für die nähere Zukunft mit der Band geplant?
Hake: Einige Konzerte spielen und dann wieder eine neue Platte aufnehmen. Wir werden sehen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #46 März/April/Mai 2002 und Abel
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #45 Dezember 2001/Januar/Februar 2002 und Kalle Stille