BACKYARD BAND

Foto© by Hinterhof Produktionen

Mehr als nur Sex, Drugs und Rock’n’Roll

An BACKYARD BAND ist alles irgendwie seltsam. Seltsam im Sinne von spannend: Die Band aus Köln ist eng mit der Punkrock-Szene in Düsseldorf verbunden. Beziehungen bestehen zu Ex-Musikern der PUBLIC TOYS und zu DIE TOTEN HOSEN. Auf der neuen Platte spielt neben Kuddel auch noch SLIME-Gitarrist Elf mit. Als das Quartett vor einer guten Dekade begann, waren die Mitglieder gerade mal Anfang zwanzig – und spielten Blues und Rock’n’Roll in der Art der frühen BEATLES (was sie bis heute tun). Und jetzt, auf dem neuen, dritten Album „Shake It Up“, singt Frontmann Moritz Zergiebel plötzlich auch auf Deutsch. Das alles bedarf einer Erklärung, die Moritz – als Wahlkölner mit Pott-Akzent – gerne liefert.

Moritz, ich las, dass du als Gewerkschaftssekretär arbeitest. Somit liegt dir das Aufbegehren, der Rock’n’Roll, offenbar im Blut.

Ja, das Rebellische habe ich schon irgendwie ein bisschen drin, haha.

Und ihr habt recht früh damit angefangen, das rauszulassen. Die BACKYARD BAND gibt es ja schon seit ein paar Jahren.
Wir sind jetzt auf jeden Fall deutlich über zehn Jahre zusammen. So 2010, 2011 ging das los. Damals waren wir ein paar kleine Jungs, die gesagt haben: „Komm! Wir proben mal etwas im Keller rum.“ Professionell wurde das erst später. Und heute sind wir Ende zwanzig und Mitte dreißig.

Seinerzeit dachte ich: Wow, die machen Musik, die für ihr Alter ziemlich seltsam und nicht alltäglich ist. Das war eher purer Rock’n’Roll der frühen Elvis- oder BEATLES-Ära. Und Blues im Stile von John Lee Hooker und B.B. King. Wenn man so will, Musik alter Leute.
Für diese Musik waren wir wirklich ziemlich jung. Mittlerweile aber macht uns das Alter so langsam immer mehr einen Strich durch die Rechnung. Wir sind heute nicht mehr die jungen Kids, die irgendwie wild rocken wollen. Sondern kommen jetzt in ein Alter, in dem man sagt: Das ist nichts Besonderes mehr.

Woher stammte diese noch heute bestehende und auf jedem eurer Alben hörbare Liebe zu dieser Art von Musik?
Ganz früher, als wir anfingen, uns ein bisschen mehr mit Musik auseinanderzusetzen, als Kinder und junge Jugendliche, habe ich noch ganz andere Sachen gehört. Charts und so. Aber über die Eltern, oder wenn man dann später irgendwann in einem gewissen Umkreis unterwegs ist, kriegt man natürlich dann auch andere Dinge mit. Bei mir waren das die Rock-Klassiker, AC/DC zum Beispiel. Und damit habe ich mich immer mehr auseinandergesetzt. Was zur Folge hatte, dass ich mir nach und nach auch mal etwas genauer angeguckt habe, wo diese Musik eigentlich herkommt. Wo sie ihre Wurzeln hat. Und darüber bin ich dann in die Geschichte des Rock’n’Roll eingetaucht. Habe Chuck Berry, Little Richard oder Jerry Lee Lewis entdeckt. Und bin auch zum Blues gekommen. Muddy Waters, B.B. King. Das hat mich richtig abgeholt. Die anderen Jungs auch. Wir haben ziemlich schnell gemerkt: Hey, das ist irgendwie Musik, die wir total abfeiern! Und haben uns da richtig reingefuchst und gemerkt, wie viel dahintersteckt. Wie stark diese Musik ist.

Trotzdem war und ist der Blues ja nicht das einzige Genre, dem ihr euch widmet. Ihr streift musikalisch auch immer wieder mal Punk. Ihr habt gute Beziehungen zu Vom Ritchie von DIE TOTEN HOSEN, bei dessen Label Drumming Monkey ihr zu Beginn untergekommen seid. Zu Roman Thiel, ehemals PUBLIC TOYS, der da auch drinsteckte und heute seine Hinterhof Produktionen mit CASINO BLACKOUT und anderen betreibt. Zudem spielen auf eurem neuen Album „Shake It Up“ Kuddel von den Hosen und Elf von SLIME mit. Wie kam das alles?
Wir hatten und haben ja nicht nur den Blues. Es gab ja immer noch andere Musik, andere Bands, die wir gehört haben. Über meine Mutter beispielsweise kannte ich DIE TOTEN HOSEN schon früh. Deren Platte „Die roten Rosen“ habe ich zuerst gehört. Max war auch immer schon ein riesiger Hosen-Fan. Unter anderem daher kommen auch unsere Punk-Einflüsse. Wir haben zwar immer schon diese Blues-Geschichten mit reingebracht in die Songs, aber wir haben das alles auch immer ein bisschen schneller, ein bisschen härter als normal gespielt. Letztlich sind die Grenzen ja ohnehin fließend. Und zwischen Punk und Blues liegen ja auch noch andere Dinge. Garage-Rock etwa. Das nehmen wir alles auf. Das hatte sich damals eben in Düsseldorf irgendwann rumgesprochen. Und dann stand Roman eines Tages vor uns und fragte uns: „Wie sieht es bei euch eigentlich mit einem Plattenlabel aus?“ Wir kannten ihn nicht, hatten aber damals schon über Vom Kontakt zu Drumming Monkey Records. Das sagte ich ihm und meinte: „Wir haben da gerade so ein Plattenlabel am Start. Das nennt sich Drumming Monkey. Aber die wirken dermaßen unprofessionell, dass wir da, glaube ich, nicht hinwollen.“ Seine Antwort: „Ah. Okay. Ich bin übrigens Roman. Von Drumming Monkey Records. Vielen Dank auch!“ Und so fing es an, haha.

Heute versteht ihr euch für diesen Fauxpas aber ganz gut, oder?
Ja, das war eigentlich Liebe auf den ersten Blick. Und ein Glücksfall für uns, denn über Roman kamen wir dann natürlich auch noch mehr in diese ganze Punkrock-Schiene rein. Und in all das, was man als Band so beachten muss. Er hat uns sehr an die Hand genommen, hat uns als Support von Voms Band CRYSSIS mitgenommen – und dadurch haben wir ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Auf dem neuen Album singst du plötzlich auch auf Deutsch, nicht mehr nur auf Englisch. Das ist eine Zäsur. Warum?
Das ist eigentlich ganz einfach: Ich bin nun mal kein Native Speaker, was das Englische betrifft. Und um ganz ehrlich zu sein: Das, was wir vorher an Texten hatten, hat die meisten Leute nicht interessiert. Es ging denen meist nur darum, den Rock zu hören. Unsere Texte haben kaum jemanden interessiert. Das führte dazu, dass ich auf der Bühne irgendwann quasi nur noch ins Mikro reinzunuscheln brauchte. Wörter, die es eigentlich gar nicht gibt – und das hat niemand gemerkt. Das wiederum hatte zur Folge, dass die Texte irgendwie andauernd gleichbleibend stumpf wurden. So stumpf, dass ich mir schon dachte, wenn sich das mal wirklich Leute anhören, müssen die sich doch denken: Was ist das denn für einer am Mikrofon? Und dann wird man älter, hat plötzlich noch mal ganz andere, wirklich wichtige Themen auf dem Schirm, die einen beschäftigen und über die man singen will. Und dann habe ich gemerkt, dass ich einfach an meine Grenzen stoße, wenn ich die in Songs packen und das auf Englisch rüberbringen will. Das geht irgendwann nicht mehr. Überhaupt, die Art und Weise, wie wir jetzt auch als Band sprechen, wie wir miteinander umgehen, wie wir nach außen hin agieren, das kommt durch das Englische gar nicht mehr rüber. Das funktioniert nicht. Und deshalb habe ich irgendwann gesagt: Lasst es uns einfach mal auf Deutsch probieren. Da kann ich einfach so reden oder so singen, wie ich eben spreche. Zudem haben die Leute, wenn man so will, ein bisschen mehr von BACKYARD BAND. Sie sehen, wir machen jetzt mal nicht nur auf supercoole Rock’n’Roll-Typen. Es geht vielleicht auch mal um andere Dinge. Politische, gesellschaftliche.

Was denkst du aus dieser heutigen Sicht über eure alten Platten?
Ganz ehrlich, wenn ich die heute höre, denke ich häufiger: Das ist scheiße, das ist scheiße, das ist scheiße. Man muss einfach immer an sich arbeiten. Wir sind ja keine Profimusiker. Es gibt ja immer etwas, das verbesserungswürdig ist. Nur die coolen Typen, die keinen Wert auf Texte legen – das sind wir nicht. Wir machen das nicht nach dem Motto „Fake it till you make it“. Wir haben mittlerweile einen anderen Anspruch. Und ich denke, Deutsch wird auch zukünftig unsere favorisierte Sprache sein in den Songs.

Auf einmal haben BACKYARD BAND auch inhaltlich ziemlich relevante Texte über gesellschaftliche und politische Dinge im Gepäck. Ihr gebt mehr preis von euch.
Ja, wir sind mehr als nur Sex, Drugs und Rock’n’Roll. Seit ich aus der, ich sage mal, relativ konservativen Eifel raus bin, denke ich anders. Wenn man in die große Stadt zieht, in meinem Fall Köln, bekommt man eben auch andere politische Einflüsse mit. Und die will ich in die Musik, die Songs mit reinbringen. Man haut mehr auf die Kacke. Das gehört dazu. Ich finde, dass man sich als Band heutzutage positionieren muss. Auch um Leute von Konzerten fernzuhalten, die man da nicht haben will – da sieht man sonst möglicherweise mal eine Südstaaten-Flagge. Oder um als Rockband gar nicht in die Lage zu kommen, dass man plötzlich für Festivals angefragt wird, bei denen dann auch FREI.WILD und dergleichen auftreten. Klar: Natürlich kann man auch sagen, man bleibt unpolitisch. Machen ja viele. Aber man sollte schon aufpassen, in welcher Bubble man sich grundsätzlich bewegt – und das auch klar äußern. Man muss sich abgrenzen. Das führt auch mal dazu, dass ein Review hier und da negativ ausfällt. Hatten wir auch schon. Aber in solchen Fällen ist es für uns ein Fest zu lesen, wie abgefuckt derjenige, der da kritisiert, von unserer Einstellung ist, haha.