Surf, Punk, Beat und Garage mit einer Prise Pop – geht das? Jawohl, sagen Gabriel Thomaz (Gitarre, Gesang) und die AUTORAMAS schon seit 1997. Nach der Auflösung seiner ersten Punkrock-Band LITTLE QUAIL AND THE MAD BIRDS twangten sich die BrasilianerInnen in die Herzen der dortigen wie der europäischen Szene. Die aktuelle Veröffentlichung auf Soundflat rief das Ox auf den Plan, der Kontakt zu Gabriel war fix geknüpft. Voilà – ein Kurzabriss über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft der AUTORAMAS.
Gabriel, wie sah dein erster Kontakt mit Punk in Brasilien aus, welche Bands waren damals wichtig für dich?
Dem Punkrock bin ich bereits in frühen Teenagerjahren verfallen. Gigs der brasilianischen Punk-Legenden CÓLERA und RATOS DE PORÃO waren für mich prägend, ich habe all ihre Platten besessen und konnte sämtliche Texte mitsingen. Diese Bands beeinflussten damals nicht nur meinen Musikgeschmack, sondern waren vor allem mit ihren Texten prägend für meinen Charakter.
Wie kam es damals zur Auflösung von LITTLE QUAIL und führte dann ein Jahr später zur Gründung der AUTORAMAS?
Als wir LITTLE QUAIL gründeten, waren wir alle noch sehr jung. Wo anfangs noch Konsens bestand, entwickelte sich mit der Zeit jeder in unterschiedliche Richtungen, was zu Streit innerhalb der Band führte. In den letzten zwei Monaten von LITTLE QUAIL war ich das letzte aktive Bandmitglied, dann haben wir uns endgültig aufgelöst. In dieser Zeit habe ich alleine ein Demotape aufgenommen, das in der Szene gut ankam. Ich zog damals von meiner Heimatstadt Brasília nach Rio de Janeiro und gründete dort mit befreundeten Musikern die AUTORAMAS.
AUTORAMAS waren bisher ein Trio mit einer Frau am Bass – eine bewusste Entscheidung oder hat sich das so ergeben?
Mir ist es auf jeden Fall wichtig, eine männliche sowie eine weibliche Gesangsstimme in der Band zu haben, das fand ich schon immer besser. Das hat mir bei den B-52’S auch schon immer so gut gefallen. In der aktuellen Besetzung sind wir zu viert und arbeiten mit zwei Gitarren. Die großartige Erika Martins übernimmt jetzt Gitarre, Orgel sowie Percussion und teilt sich mit mir die Gesangsparts. Dafür ist jetzt mit Melvin ein Mann am Bass und Fred Castro sitzt für uns an den Drums.
Wo liegen eure musikalischen Wurzeln, auch in Bezug auf die Transformation von LITTLE QUAIL zu den AUTORAMAS?
Da sind die bereits erwähnten B-52’S und DEVO meine größten Einflüsse. Wir alle sind sehr von den RAMONES, Sechziger-Jahre-Garage, Bubblegum-Pop wie SWEET und natürlich der „Jovem Guarda“, Brasiliens Rock’n’Roll-Bewegung, beeinflusst. Bei LITTLE QUAIL steuerte ich schon immer den Sixties-Einfluss bei. Das habe ich mit den AUTORAMAS dann einfach mit unterschiedlichem Gitarren- und Bass-Sound sowie tanzbaren Drumbeats fortgeführt.
Songs wie „Abstrai“, „Catchy chorus“ und „Paciência“ sind durch ihren poppigen Charakter ganz schön eingängig. Wie steht es um eure Popularität in Brasilien?
Leider spielen nur ein paar Radiosender unsere Songs, obwohl wir auf vielen Festivals hier als Headliner spielen. Ich fände es wirklich toll, wenn wir mehr im Radio laufen würden, jedoch ist das nicht so einfach. Als Songwriter habe ich schon ein paar Titel für bekanntere MusikerInnen geschrieben, die zu Hits wurden. Auf jeden Fall haben wir uns in der unabhängigen Musikszene Brasiliens, die seit letztem Jahr sehr groß geworden ist, einen Namen gemacht.
Ein paar Worte zu eurem Bandnamen und den typischen Themen eines AUTORAMAS-Songs?
„Autoramas“ heißen in Brasilien die kleinen Spielzeug-Rennautos, die man auf einer entsprechenden Strecke mit einem Regler steuert, der an eine futuristische Pistole erinnert, haha. In unseren Texten geht es eigentlich um alles Mögliche, insbesondere aber um zwischenmenschliche Beziehungen.
Eure aktuelle LP „Unsere Favoriten“ ist gerade auf dem Kölner Label Soundflat Records erschienen. Habt ihr eine spezielle Verbindung zu Deutschland?
Wir haben die Leute von Soundflat bereits auf unseren Europatouren ein paar Mal getroffen. Marco Traxel hat mich da gefragt, ob wir nicht Lust haben, eine Liste zusammenzustellen mit ein paar Covern und Lieblingssongs, die wir live spielen. Daraus wurde dann die LP. In den nächsten Monaten soll dann auch unser neues Album „O Futuro Dos Autoramas“ erscheinen, „Die Zukunft der Autoramas“. Wir lieben Deutschland, auf unseren Konzerten dort wurden wir immer herzlichst empfangen. In Brasilien gibt es noch ein paar Regionen, die durch ihre Vergangenheit als deutsche Kolonien immer noch einen spürbaren Bezug zu deutscher Kultur und Sprache haben – dort aufzutreten ist dann fast so, wie in Süddeutschland vor portugiesischsprachigem Publikum zu spielen, haha. Unsere Gitarristin Erika hat in ihrer Jugend einige Jahre in Tübingen verbracht und spricht dadurch sehr gut deutsch. Das sorgt auf den Gigs in Deutschland immer für Begeisterung.
Zur Zeit flüchten viele Menschen vor Krieg, Diskriminierung und Armut nach Europa. Kannst du zum Thema Flucht und Migration etwas aus Brasilien berichten?
In Brasilien ist generell jede Nationalität willkommen. Wir haben hier eine große syrische Gemeinde sowie Menschen aus weiteren verschiedenen Kulturen, die zum größten Teil friedlich zusammenleben. Das gehört also zu unserer Kultur schon dazu, aber alles läuft hier natürlich auch nicht perfekt. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass irgendwann einmal überall Frieden herrschen und niemand mehr von Krieg und Gewalt vertrieben wird. Kommt mal nach Brasilien, hier funktioniert das manchmal schon ganz gut.
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