Was für ein glasklarer, professioneller Sound, den die Band aus Vancouver, Chicago und Seattle uns auf ihrem dritten Album präsentiert! Auf „Music That Humans Can Play“ wirbeln sie durch zehn Tracks, die mit frischen, fröhlichen Akkorden gespickt sind. Die meisten Bandmitglieder, wenn nicht sogar alle, machen schon seit Ewigkeiten Musik und haben im Laufe der Jahrzehnte eine Menge erlebt. Alle „großen“ Bands aufzuzählen, in denen die Jungs mitgewirkt haben, würde hier den Rahmen sprengen. Das Album ist der Knaller für eine Poolparty und wäre vielleicht sogar ein brauchbarer Filmsoundtrack.
Was hat es mit eurem deutschen Namen AUTOGRAMM auf sich?
CC Voltage: Jiffy und ich haben die Band in Berlin gegründet, deshalb dachten wir, es wäre passend, einen deutschen Bandnamen zu haben. Ich habe ein paar Vorschläge gemacht und AUTOGRAMM war derjenige, der hängenblieb.
Jiffy Marx: Natürlich lieben wir die NDW! Und wir dachten, wenn wir einen deutschen Namen haben, könnte uns das helfen, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Das hat auch geklappt: Wir haben es in die TV Spielfilm geschafft und sind in Stuttgart und Bayreuth eine große Nummer!
Ich habe gelesen, dass Corona euch als Band und auch für einige von euch privat auf eine harte Probe gestellt hat. Ihr lebt recht weit voneinander entfernt, man konnte nicht proben oder irgendwo spielen und schon gar nicht touren.
CC Voltage: Corona hat uns schon ausgebremst. Wir wollten gerade für sieben Konzerte nach Mexiko fliegen, als die Pandemie ausbrach. Wie viele andere haben wir ein Album veröffentlicht, das irgendwie im Nirgendwo hängenblieb. Ich habe die Zeit genutzt, um eine Ausbildung zu machen, und dann meine eigene PR-Firma gegründet, und außerdem habe ich eine hübsche Tochter bekommen.
Jiffy Marx: Nachdem Josh nach Chicago gezogen war, habe ich eine neue Band namens NIGHT COURT gegründet, mit der ich sehr beschäftigt war.
The Silo: Es war schade, dass wir unsere Mexikotour absagen mussten. Aber ansonsten lief es gut – ich fand es ziemlich erfrischend, ein Jahr zu haben, in dem nicht wirklich etwas passiert ist. Als würde man vorübergehend in einer anderen Welt leben.
Ihr mögt zweifelsohne THE FIXX ...
CC Voltage: Ich erinnere mich, dass ich in einer Bar saß, als THE FIXX auftraten, und The Silo direkt eine Nachricht schickte, dass wir versuchen sollten, auch so einen Drumsound hinzubekommen. Das war einer der vielen Einflüsse, die das neue Album geprägt haben.
Seid ihr darauf aus, Hits zu schreiben? Oder seid ihr sozusagen Botschafter eines bestimmten Stils, von dem ihr einfach das Gefühl habt, dass er in die Welt hinaus muss?
CC Voltage: Ich würde sagen, wir sind von den Hits der 1980er Jahre beeinflusst, mit denen wir aufgewachsen sind, aber wir erwarten nicht, dass wir damit selbst mal die Massen erreichen werden.
Jiffy Marx: Wir schreiben einfach Songs, aus denen dann Alben werden, in manchen Fällen auch Singles, ohne wirkliche Ambitionen, außer dass vielleicht einige Leute sie hören und hoffentlich mögen. Vielleicht funktionieren so ja auch die richtigen Hitmaschinen, aber ich habe meine Zweifel. Ich fände es cool, wenn jemand mal einen Film drehen würde, der in den 1980er Jahren spielt, und einen unserer Songs als fiktiven „aktuellen Hit“ verwenden würde. Ich bin mir sicher, dass das billiger wäre als die Lizenzierung eines THE CARS- oder GO GO’S-Songs.
Es ist fast so, als gäbe es in eurem Auftreten überhaupt keine Makel. Würdet ihr euch auch mal Fehler erlauben?
The Silo: Ja, das würde ich, und ich habe schon viele durchgehen lassen!
CC Voltage: Auf unserer Europatour haben wir festgestellt, dass Albumproduktion und Live-Spielen zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Aber das gefällt mir. Das ist so ähnlich wie bei vielen Bands der New-Wave-Ära. Ihre Platten klingen super glatt, doch wenn man sie live gesehen hat, waren es im Grunde nur Punkbands.
Wie wichtig sind die Songtexte? Wer schreibt sie?
CC Voltage: Meine Texte basieren meist auf einem wahren Kern, einer realen Situation oder Person, und dann wird das weiter ausgeschmückt.
Jiffy Marx: Sie sind nicht immer wichtig, aber manchmal ganz sicher. Ich habe Lieder über meine Erfahrungen mit Depressionen und Angstzuständen geschrieben, in der Hoffnung, damit Leute zu erreichen, die ähnliche Probleme haben.
The Silo: Jeder von uns schreibt mal was. Texte sind als Ergänzung zur Musik wichtig, aber es ist gut, den Zuhörern etwas Raum für eigene Interpretationen zu lassen. Ich habe jetzt zwei Songs über das Tanzen geschrieben ...
Wie komponiert ihr?
Jiffy Marx: Das ist bei jedem Mal anders und das macht jedes Album so einzigartig, denke ich.
CC Voltage: Die Musik für dieses Album habe ich zusammen mit Rich Jones geschrieben, dem Michael Monroe- und BLACK HALOS-Gitarristen.
Inwiefern spielt Politik eine Rolle in eurer Musik? Denkt ihr, dass Politik dazugehört? Was denkt ihr über Justin Trudeau, den kanadischen Premierminister?
Lars: Ich mag Musik, die politische Themen aufgreift, aber genauso gut kann ich Eskapismus und pure Unterhaltung genießen. Am liebsten mag ich es, wenn Künstler beides auf originelle Weise miteinander verbinden können.
CC Voltage: Ich will lieber nicht wissen, welche politische Einstellung eine Band hat, die ich mag. Manchmal verdirbt es einfach den Spaß. Natürlich sollte jeder zu seinen Überzeugungen stehen, aber ich verbringe genug Zeit damit, über Politik nachzudenken, und mir ist lieber, wenn mich die Musik von all dem ablenkt. Trudeau ist ein Snowboard fahrender Highschool-Lehrer wie du und ich. Er ist mir im Grunde egal, aber es gibt schlimmere Kandidaten für diesen Posten.
Jiffy Marx: Ich glaube, Corona hat es schwieriger gemacht, über Politik zu reden, denn es hat die Menschen gespalten. Was ich an Europa mag, ist die Antifa-Sache. In Nordamerika scheint „Antifa“ zu einem Kampfbegriff der extremen Rechten geworden zu sein, den sie für jeden verwenden, der nicht dasselbe glaubt wie sie. Aber ehrlich gesagt, wenn du gegen Faschos bist, finde ich das gut, ich mag auch keine Faschos!
Eine Frage, die ich immer gerne stelle: Was sollen die Leute bei euren Konzerten erleben? Ihr erinnert euch vielleicht an Bands oder oder Shows, bei denen es um verschiedensten Dinge ging und nicht nur um ... sagen wir mal, um Tanzen und Spaß haben.
Lars: Tanzen und Spaß haben sind feste und wichtige Bestandteile einer jeden Bewegung.
The Silo: Im Idealfall bringt es sie dazu, sich zu bewegen, sich fallen zu lassen, für einen Moment zu vergessen, wie schrecklich die Welt ist, und mit einem guten Gefühl nach Hause zu gehen. Durch Musik fühle ich mich lebendig, und ich hoffe, dass wir den Leuten das Gefühl geben können, dass das Leben für einen Moment in Ordnung ist.
Was macht ihr sonst noch? Irgendwelche Hobbys und Interessen?
Lars: Wenn ich nicht Gitarre spiele, sammle ich Schallplatten, fahre Fahrrad, höre Podcasts, gehe ins Kino, koche für andere und lese.
CC Voltage: Ich spiele Squash, mache einen Podcast, gehe gerne im Meer schwimmen und betreibe eine PR-Agentur. Ich bringe meine PR-Kenntnisse definitiv bei AUTOGRAMM ein, so wie die anderen Jungs ihre Fähigkeiten für die Band einsetzen. Das macht alles viel einfacher.
The Silo: Ich nehme die Musik anderer Leute auf und liebe es zu kochen, durch Wälder zu streifen, in Seen zu schwimmen und Filme aus der Noir-Ära zu sehen.
Jiffy Marx: Tja, insgeheim bin ich wohl noch Grafiker und vielleicht auch Videofilmer. Und wie schon gesagt, wenn ich nicht gerade mit AUTOGRAMM Musik mache, mache ich trotzdem Musik. Oder ich fahre Skateboard.
Chad, du hast eine Weile in Berlin gelebt und warst seitdem noch ein paar Mal dort. Wie hat sich die Stadt verändert?
CC Voltage: Alles ist teurer geworden, das ist sicher. Vor allem in Berlin, wo man früher mit ein paar Mark über die Runden kam. Als ich in Berlin lebte, habe ich die Anfänge der Gentrifizierung mitbekommen, aber jetzt ist sie in vollem Gange. Vor allem Berlin Mitte hat kaum noch typisch deutsche Züge. Das ist irgendwie schade. Die alten Ossi-Kneipen sind alle weg und auch die Berliner Schnauze ist ein bisschen verloren gegangen, im Guten wie im Schlechten.
Jiffy Marx: Ich bin wieder viel gereist in letzter Zeit und die Preise sind definitiv gestiegen. Positiv ist, dass viele Leute, ich eingeschlossen, Live-Musik nicht mehr als so selbstverständlich betrachten und wieder ihre Liebe dazu entdeckt haben.
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