Mit seinem Ein-Mann-Projekt AUTHOR & PUNISHER hat sich der in San Diego ansässige Tristan Shone bereit seit 2005 einem brachialen Post-Industrial-Doom-Metal verschrieben, den er mit Hilfe einer grotesk anmutenden, speziell angefertigten Werkbank umsetzt. Denn Shone ist nicht nur Musiker, sondern auch Maschinenbauer, der inzwischen seine eigene kleine Firma namens Drone Machines an den Start gebracht hat, die darauf spezialisiert ist, mit hochwertigen Materialien spezielle Benutzeroberflächen für die elektronische Klangerzeugung zu produzieren. Shones neues Album „Krüller“ erscheint wie schon der Vorgänger „Beastland“ von 2018 auf Relapse.
Tristan, wenn ich mir Videos von deinen Auftritten und Clips wie „Nihil strength“ anschaue, muss ich etwa an KRAFTWERK denken, die während ihrer Karriere die Verbindung zwischen Mensch und Technik erforschten, beeinflusst vom Stummfilmklassiker „Metropolis“ und dem Motiv einer von der Technik dominierten Welt. Sind das Ideen, die auch für deine Musik eine Rolle gespielt haben?
Für mich gab es zwei parallele Kräfte: Technik und Musik. Von klein auf wusste ich, dass ich Dinge bauen wollte, und ich liebte es, kleine mechanische Probleme zu lösen, was mich zum Studium des Maschinenbaus führte. Ich vermute, dass dies unbewusst durch das Ansehen von SciFi-Filmen ausgelöst wurde, aber auch durch meinen Großvater, der Wissenschaftler war, meine Mutter, die Mathematik- und Computerlehrerin war, und meinen Vater, der eine Fabrik für Robotikkomponenten leitete. Die musikalische Seite kam von Bands wie GODFLESH, NEUROSIS, MELVINS oder MINISTRY. Das Zusammentreffen dieser Dinge ergab AUTHOR & PUNISHER.
Du arbeitest als Ingenieur für das National Center for Microscopy and Imaging Research an der University of California, San Diego. Wie beeinflusst dieser Job deine Arbeit als Künstler?
Dieser Beruf hat einen großen Einfluss auf mich als Künstler. Ich komme jeden Tag mit allen möglichen elektromechanischen Geräten in Berührung und habe auch mit Maschinenwerkstätten zu tun, die spezielle Geräte herstellen, so dass ich gewisse Zusammenhänge erkennen kann, was bei meinem Equipment möglicherweise funktionieren könnte und was nicht. Außerdem kann ich durch diesen Job meine technischen Fähigkeiten weiter verfeinern.
Du bist sowohl Maschinenbauer als auch ein Künstler, der seine Instrumente selbst baut. Inwieweit macht dich das als Künstler freier, und an welchem Punkt ordnest du dich den Vorgaben der Technik unter?
Eine gute Frage. Das Tolle an dem Prozess, die Sachen zu bauen, mit denen ich meine Musik mache, ist, dass es ein nie endender Prozess ist. Ich habe das Gefühl, dass ich damit für den Rest meines Lebens zufrieden weitermachen kann. Ich baue ein individuelles Instrument, das es mir erlaubt, frei und ohne andere Leute zu spielen. Ich bin der Meister in diesem Moment. Ich habe diese Geräte entwickelt, um von Menschen kontrollierte elektronische Musik zu ermöglichen. Natürlich stoße ich mit der Zeit an physikalische Grenzen: Die Kugellager müssen besser sein und die Sensoren empfindlicher, die Abmessungen müssen geändert werden ... Diese Dinge hindern mich daran, so zu spielen, wie ich es möchte, sei es in Bezug auf Geschwindigkeit oder Kraft oder auf meine Position im Verhältnis zur Maschine. Im Großen und Ganzen habe ich aber festgestellt, dass sich der Körper an die Ausrüstung anpasst und ich nach der Herstellung viel weniger ändere, als man annehmen würde. Ich liebe es wirklich immer noch, meine ersten Instrumente zu spielen, so krude sie auch sein mögen.
Gibt es auch einen fetischistischen Aspekt bei dieser Verbindung zwischen Mensch und Maschine, der in deiner Musik vorhanden ist?
Normalerweise würde ich diese Frage verneinen, denn im Hinblick auf die Ästhetisierung der Technologie war es immer eines meiner Ziele, dass alle Komponenten eine Funktion haben. Ich ziehe den Begriff utilitaristisch dem Begriff fetischistisch vor. In letzter Zeit habe ich jedoch erkannt, dass die Verbindung, die ich zu den Materialien und den allgemeinen Mechanismen habe, mit denen ich interagiere, eine sehr intime Beziehung ist. Ich verwende absichtlich Komponenten, mit denen ich in anderen technischen Bereichen in Berührung gekommen bin und die sich gut anfühlen. Ich mag den Widerstand, die taktile Beschaffenheit und die Kraftrückkopplung. Das sind die Interaktionen, die mir Freude bereiten. Wenn man das als Fetisch bezeichnen will, dann ist das eben so.
Kannst du dir überhaupt noch vorstellen, deine Musik mit einer klassischen Band umzusetzen? Bei „Krüller“ hast du ja mit einigen Gastmusikern zusammengearbeitet.
Ja, sicher, das wäre möglich. Tatsächlich werde ich auf den kommenden Tourneen mit einem Gitarristen unterwegs sein, da die Gitarre bei diesem Album eine so entscheidende Rolle gespielt hat. Insgesamt aber ist die Verbindung von Synthesizer, Bass und Schlagzeug entscheidend für meinen Arbeitsprozess. Wenn ich mehr Geld für Tourneen zur Verfügung hätte, würde ich wahrscheinlich jemanden für die Synthies und Elektronik engagieren, der einige zusätzliche Parts spielt.
Bei Wikipedia werden AUTHOR & PUNISHER als „One-man industrial doom metal band“ rubriziert. Inwieweit ist deine Musik mit radikaler früher Industrial-Musik wie bei THROBBING GRISTLE verbunden? Puristischere Fans würden dich eher mit songorientierten Bands wie NIN oder MINISTRY vergleichen.
Am Anfang habe ich meinen Sound aufgesplittet zwischen experimentellem Drone-Industrial mit wenigen Songstrukturen und normaleren Rock-Stücken. Ich glaube, ich wollte etwas Ähnliches wie THROBBING GRISTLE erreichen, aber eher als eine Mischung aus dem, was SUNN O))) gemacht haben, und der Rave- und Dub-Kultur. Ich wollte eine Wall of Sound mit meiner eigenen Handschrift und meinen eigenen Maschinen, damit es ein einzigartiges Erlebnis wird. Ich war frustriert, weil die elektronische Musikkultur von Sample-Sammlungen und Plastikknopf-Geräten überschwemmt wurde. Ich war der Meinung, dass man hochwertige Materialien und robuste Geräte braucht, um harte Musik zu machen. Meine einzige Verbindung zur Industrial-Musik waren MINISTRY und GODFLESH, also was Genre-Schubladen angeht.
Kann eigentlich außer dir noch jemand deine beeindruckende Instrumentenwerkbank bedienen?
Ich denke, dass jemand mit etwas Übung darauf spielen könnte, aber sie ist speziell für mich eingerichtet. Die größere Installation ist sehr schwer aufzubauen, aber ich benutze sie nicht oft, es sei denn, es handelt sich um eine wirklich große Tour wie die mit TOOL. Am häufigsten benutze ich die kleinere Ausrüstung, die für Touren gedacht ist. Vier Kisten unter 22 Kilo pro Stück fürs Flugzeug, und vor Ort brauche ich spezielle Tische dafür. Alles ist mit den Tischen verschraubt, die aus Aluminium und Stahl gefertigt sind.
In Bezug auf die Themen des neuen Album heißt es, dass es Hymnen über den Verfall und die Selbstverliebtheit von heute beinhaltet. Spiegelt dies deine Gefühle angesichts des wiederauflebenden Rechtsradikalismus und anderen menschlichen Irrsinns wider?
Meine Musik hat immer die Gemütslage der Menschen im Angesicht von Faschismus reflektiert. Ich versuche dabei, niemals zynisch zu sein, sondern eher realistisch. Ich versuche, unsere Gefühle zu betrachten und diejenigen hervorzuheben, die Gutes tun und im Angesicht der Unterdrückung für ihre Meinung kämpfen. Es sind Muster, die sich wiederholen. Die letzten Alben wurden von Science Fiction und dystopischen Romanen beeinflusst, die genau diese Situationen beschreiben: Octavia Butlers „Die Parabel vom Sämann“, NK Jemisins „Die große Stille“-Trilogie oder Ursula K. Le Guins „Die linke Hand der Dunkelheit“.
Die folgende Frage hörst du im Moment sicher am häufigsten. Was bedeutet der Plattentitel „Krüller“? Ich bin etwas ratlos ...
Das Wort habe ich mir ausgedacht, aber es basiert auf einer kleinen Überlieferung aus Neuengland, deren Geheimnis ich aber nicht lüften will, das gilt es selbst zu entdecken. Als ich die Themen für das Album entwickelte, wollte ich mich auf die taktischen Überlebensfahrzeuge konzentrieren, die die rechten, waffenverrückten Leute in den USA besitzen: Toyota Tacoma Pickups mit Benzinkanistern oder Mercedes Sprinter mit jeder Art von teurem Überlebenszubehör. Für mich kann das Überleben in einer postapokalyptischen Welt aggressiv oder schön sein. Die Welt von „Krüller“ hat mehr mit Schönheit und Gemeinschaft zu tun und verleiht einer zukünftigen Dystopie etwas mehr Stil.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #160 Februar/März 2022 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #140 Oktober/November 2018 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #160 Februar/März 2022 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #121 August/September 2015 und Jens Kirsch