Deutschsprachige Musik scheint in den letzten Jahren wieder gefragter zu sein. Unabhängig von der jeweiligen Stilrichtung - im Land der Dichter und Denker tut sich was. Dass dabei nicht nur Qualität entsteht, versteht sich von selbst. Gerade im Bereich von allem, was nur im entferntesten Sinn eine Gitarre um den Hals hängen hat, ist die Luft inzwischen sehr dünn geworden. Zum Glück scheint es ein Naturgesetz zu sein, dass auf einer Welle der Durchschnittlichkeit auch immer ein paar Könner surfen, die das Gegenteil beweisen. An diesem Punkt kommen wir zu ASTAIRRE. Irgendwann letztes Jahr wurde mir deren Demo "Wir gehen unter - Kommst du mit?" in die Hand gedrückt, und siehe da, die Sache wusste zu begeistern. Es sprach also nichts dagegen, den Jungs per E-Mail ein paar Fragen zukommen zu lassen ...
Ihr seid eine junge Band aus Bottrop. Bitte seid so gut und beschreibt euren bisherigen Werdegang.
Okay, in Kurzform: Bandgründung im Sommer 2004 in London, von da an: musikalisches Austoben, Songwriting und Stilfindung - bis heute und vielleicht nie wirklich abgeschlossen. Februar 2006: Beginn der Aufnahmen zur Debüt-EP "Wir gehen unter - Kommst du mit?", die am 19.02.2007 via Art Nouveau erschienen ist; erstes Konzert im September 2006 in der Heimat vor gut 400 Leuten, weitere vereinzelte Konzerte in Bottrop und Umgebung, am Jahresende im ausverkauften Magnet in Berlin als Support von TURBOSTAAT gespielt; Fertigstellung der übrigens komplett in Eigenregie produzierten EP. Planung 2007: Veröffentlichung der ersten EP, viele Konzerte spielen, Tour in der zweiten Jahreshälfte, Vorproduktion für das erste Album. Voilà!
In welchem Moment habt ihr gewusst, dass ihr selbst kreativ werden wollt, und angefangen zu musizieren?
Wir kannten uns bereits lange aus vorherigen Band-Formationen, und sind einfach ohne große vorherige Absprache in den Proberaum gegangen und haben drauf los gespielt. Uns war wichtig, dass es keine künstlerischen Grenzen geben sollte; wir wollten einfach nur Musik machen - und das so gut wie möglich. Anfangs dachten wir auch noch, das würde auf was ganz Krankes und Abgefahrenes hinauslaufen, aber mit der Zeit haben wir uns immer mehr klassischen Pop-Arrangements angenähert, einfach weil es so aus dem Bauch kam. Das Bauchgefühl ist eh das entscheidende Moment bei uns. Das Gefühl muss bei allen stimmen, das ist wirklich wichtig. Vielleicht klingen wir ja in einem Jahr ganz anders, nobody knows.
Wo liegen eure Einflüsse?
Wir selbst tun uns mit der Beschreibung dessen, was wir machen, definitiv am schwersten. Sagen wir mal so, für die Schubladendenker: vielleicht irgendwo zwischen Punk, Indie und Pop
Wie würde ein Werbetext für eure Musik lauten?
"Laut, ausgefallen und von Herzen."
Es fällt auf, dass eure Musik auf einem sehr hohen Niveau stattfindet. Wie sieht der Entstehungsprozess eines ASTAIRRE-Songs aus?
Meistens kommt einer von uns mit einer Idee daher, entweder textlich, oft aber auch eine (Gesangs-) Melodie oder auch ein cooler Riff, mit dem wir anfangen zu arbeiten. Wir jammen viel und spielen mit den Formen. Manchmal spielen wir 20 bis 30 Minuten am Stück, um herauszukriegen, was in dem Thema oder der Idee an Möglichkeiten steckt und verwenden am Ende dann nur einen winzigen Part. Wir sind extrem selbstkritisch. Wir wurden häufiger auch schon als "verspielte" Band bezeichnet, weil wir uns in der Musik ausleben.
Beim Hören eures Demos ist bei mir vor allem die Zeile "Ein Hunger, der mich frisst" hängen geblieben. Wie würdet ihr dieses Gefühl genauer beschreiben?
Ein Gefangensein in der eigenen Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit, und die ohnmächtige Wut darüber, so hilflos und armselig zu sein. Der Song hat sich praktisch von selbst geschrieben.
Wie schafft man es, die Gratwanderung zwischen Persönlichem und Politischem hinzukriegen, und die Sache dabei glaubwürdig zu halten?
Nun, prinzipiell sind unsere Inhalte - bis jetzt - sehr stark von Erlebtem und Persönlichem geprägt, was nicht bedeutet, dass wir politisch nicht klar Position beziehen können oder wollen. Das war uns auch bei der Bandgründung sehr wichtig, neben dem Musikalischen, auch in persönlicher und politischer Ausrichtung an einem Strang zu ziehen. Unsere Texte sind in ihren Formulierungen teilweise offen genug gehalten, um verschiedene interpretatorische Ansätze zuzulassen, denn es muss nicht immer alles sofort mundgerecht in verständlichen Häppchen serviert werden. Die eigene Geschichte in den Songs zu erkennen und lesen, finde ich wichtig und spannend. Ich habe schon interessante Interpretationen von "Abschied vom Freund" gehört.
War es eine bewusste Entscheidung deutsche Texte zu verwenden?
Ja, definitiv. Wir haben was zu sagen und zu teilen. Und das logischerweise in der Sprache, die wir am besten beherrschen und mit der wir aufgewachsen sind. Außerdem sehen wir uns nur auf diese Weise in der Lage, diese intensiven Momente geschehen zu lassen, die wir für so essentiell halten.
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