ARRIVALS

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Besser kommen als gehen

Also Chicago: Aus der Stadt im Norden, die im Sommer heiß und im Winter kalt ist, kamen über die Jahre eine Menge grandioser Bands, und wenn ich jetzt EFFIGIES, NAKED RAYGUN und ALKALINE TRIO erwähne, dann mit voller Absicht, denn eine gewisse Linearität im Sound dieser Bands ist klar erkennbar. Und dann sind da noch die ARRIVALS, die mit ihrem aktuellen Album „Exsenator Orange“ auf Thick Records sträflicherweise noch nicht die Anerkennung erhalten, die die Platte verdient hätte. Ich mailte Isaac von den ARRIVALS ein paar Fragen, und hier sind die Antworten.

Stichwort Chicago, warum kommen da so viele gute Bands her? Gibt es so was wie den „Chicago-Punkrock-Sound“?

Chicago ist eine Stadt mit ungefähr drei Millionen Einwohnern und noch mal ungefähr doppelt so vielen im Umland. Wie in vielen Großstädten gibt es in Chicago gute kulturelle Einrichtungen, wozu auch tolle Sachen im Bereich Musik zählen. Aber im Vergleich zu einigen anderen amerikanischen Kulturmetropolen wie San Francisco, New York oder Los Angeles hat Chicago eigentlich keine Medien- oder Unterhaltungsindustrie von nationaler Bedeutung. Daher können sich Bands aus Chicago in relativer Isolation entwickeln. Sie haben die Möglichkeit, in der Stadt und der Region gute Shows zu spielen, damit sind sie eigentlich zufrieden und fliegen so unterm Dicke-Kohle-Musik-Radar durch. Ich vermute, dass wir deshalb weniger Bands haben, die bloß versuchen, ein Image zu verkaufen. In Chicago wollen viele Leute Bands – zumindest die Leute, die überhaupt was taugen –, die mit beiden Beinen im Leben stehen. Ich glaube, das trägt viel dazu bei, warum Chicago so viele großartige Bands hat, hier kommst du mit Großkotzigkeit nicht weit, und es zahlt sich echt nicht aus, auf diese Art die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Klar haben wir hier in der Stadt auch NASHVILLE PUSSY- oder WHITE STRIPES-Fans – von Zeit zu Zeit würde ich mich ja sogar selber dazu rechnen –, aber ich glaube, solche Bands hätten es ziemlich schwer, in der Chicagoer Szene groß zu werden. It‘s just not the way of Chicago. Ich denke wirklich nicht, dass Chicago der einzige Ort ist, an dem so eine soziale Dynamik besteht, und ich glaube auch nicht, dass das alles ein reiner Segen ist. NAKED RAYGUN zum Beispiel waren damals in Chicago so groß wie KISS, aber irgendwo anders hat man sie kaum wahr genommen. Noch viel schlimmer, dass sie eigentlich keinen Cent damit verdient haben. Und gerade das ist verdammt schade. All die Bands, die du genannt hast, sind wirklich großartig, und ich fühle mich sehr geschmeichelt, mit ihnen in einem Atemzug genannt zu werden.

Ihr habt ein neues Album raus, wieder auf Thick Records. Ist es wichtig für euch, mit einem lokalen Label zu arbeiten, und wie seid ihr mit denen zusammen gekommen?

Wir haben es nicht wirklich darauf angelegt, mit einem lokalen Label zusammen zu arbeiten, aber Thick war die einzige Plattenfirma, die auf uns zugekommen. Ich glaube, ideologische Nähe zur Plattenfirma ist für eine Band wesentlich wichtiger als geographische Nähe. Ich kann mich an so manche Zeit erinnern, in der ich es eigentlich ganz nett gefunden hätte, wenn unser Label am anderen Ende des Landes wäre.

Wer ist "Exsenator Orange"? Und wie läuft die Platte?

"Exsenator Orange" ist der Name von einem Typen, der eine Grill-Rippchen-Bude in den südlichen Vororten von Chicago hat. Ich hab zwar nie seine Rippchen probiert, aber ich bin bestimmt schon tausendmal da gewesen. Ich habe aber keine Ahnung, wie‘s Mr. Orange geht, aber ich glaube, der Platte "Exsenator Orange" geht‘s gut.

Musikalisch habt ihr einen sehr interessanten Stilmix aus Punkrock- und Singer/Songwriter-Elementen, mischt harten, treibenden Punk mit langsamem, eher akustischem Material. Wie kommt das, und wo liegen eure musikalischen Einflüsse?

Ich mag es, Lieder zu schreiben. Das ist es, was ich daran mag, in einer Band zu sein. Ich bin mit Folk, den BEATLES und später NAKED RAYGUN, den PIXIES, CLASH, MODERN LOVERS usw. aufgewachsen. Ich würde sagen, wir spielen harte, schnelle Folk-Songs. Dave K. und Ronnie sind mit Metal groß geworden und stehen mittlerweile total auf Blues. Der härtere, rhythmischere und weniger melodiegebundene Kram geht vor allem von den beiden aus, die mögen es, wenn‘s ordentlich kracht. Dave M. ist die Brücke zwischen den beiden, der mag das alles.

Seid ihr Teil irgendeiner speziellen Szene in Chicago? Was für Kids kommen zu euren Konzerten? Eher die Crusties, die Skater, die Emos oder die Mohawks? Und wie sieht’s generell momentan in Chicago aus, gibt es da irgendwelche Bands, die du uns ans Herz legen würdest?

Wenn wir zu Hause spielen, kommen alle möglichen Arten von Leuten zu unseren Auftritten und das finde ich völlig okay. Ich habe nicht viel mit Bands am Hut, die sich strikt irgendwelchen Subkulturen zugehörig fühlen. Die verkaufen irgendwas anderes als Musik, das ist okay, aber ich kann da nix mit anfangen. Wir versuchen, die Sachen auf den Punkt zu bringen. Es interessiert uns eigentlich kaum, wie sich die Leute anziehen, die unsere Musik hören, oder was ihre politischen und sozialen Ansichten sind, so lange es sich nicht um Arschlöcher handelt. Die MUSHUGANAS haben sich gerade aufgelöst, die gehörten zu meinen absoluten Favoriten. MEXICAN CHEERLEADER und CHECK ENGINE mag ich auch, die MATICS sind gut. Und die STRIKES tun sich wieder zusammen. HAYMARKET RIOT sind auch gut und natürlich ALKALINE TRIO, aber die kennt ihr ja. Es sind einfach zu viele, um jetzt alle aus dem Stehgreif aufzuzählen.

Ich hab festgestellt, dass ihr schon einmal in Europa wart und verdammt, ich hab euch verpasst! Wann und wie war das? Und gibt es irgendwelche Planungen, dass ihr bald wieder kommt?

Wir waren im November und Dezember 2001 in Europa, und es war großartig. Deutschland war fantastisch, ich liebe die Art, wie die Clubs die Bands behandeln. Ich fand es wunderbar, wie aufgeregt die Leute wegen uns waren und das, obwohl sie niemals zuvor von uns gehört hatten. Ich fand es toll, vor und nach den Shows einfach da rumzuhängen. Ich war vorher nie in Europa, deshalb hat mir alles, was wir gemacht haben, einen Kick verpasst. Ich brauchte nur mit dem Bus fahren oder ein einheimisches Bier trinken oder einfach auf einem verrückten Klo kacken, ich dachte direkt, es wäre das Größte. Ich würde verdammt gern zurück kommen, aber es war letztes Mal ziemlich teuer für uns, und wir befürchten, dass es beim nächsten Mal nicht viel besser würde. Wir haben viel Kohle verloren, und das war hart für die Band, als wir wieder zurück nach Hause gekommen sind. Ich würde es trotzdem machen, aber bei den anderen braucht es, glaube ich, etwas mehr Überzeugungsarbeit. Na ja, wer weiß.

Was beschäftigt euch denn sonst so, wenn ihr nicht auf Tour seid. Ich geh mal davon aus, dass eure Mieten nicht von der Musik bezahlt werden?

Die letzten zwei Jahre habe ich im Sommer im Stadtpark und im Winter als Zimmermann gearbeitet. Im Herbst werde ich wieder zur Schule gehen und meinen Abschluss in Philosophie machen.

Gibt’s sonst noch was, das du loswerden möchtest?

Unsere beiden Platten werden in naher Zukunft auf Recess Records – meiner Meinung nach das beste Label der Welt – auf Vinyl veröffentlicht. Falls euch das interessiert, sollten ihr die Recess-Website im Auge behalten.