Punkrock ist und bleibt eine simple Sache. Im Idealfall eine Herzensangelegenheit, von Fans für Fans. Das hört sich jetzt natürlich überzogen romantisch und ekelerregend klischeebeladen an, aber wenn man sich das neue Album von ARMSTRONG aus Kiel anhört, wird einem auffallen, wie wenig ausgefallene Ideen und musikalische Verrenkungen es braucht, um eine gute Platte einzuspielen, und wie viel wichtiger es ist, Seele und Überzeugung in seine Musik zu stecken. „When We Were Kings“ besticht vor allem dadurch, niemandem vormachen zu wollen, hier werde das Rad neu erfunden. Es genügt völlig, wenn man seine Vorstellung von Musik (so alt und angestaubt sie auch sein mag) mit der nötigen Frische präsentiert. Das haben ARMSTRONG bestens drauf, Grund genug also, der Band per Mail ein paar Fragen zu schicken, die von Sänger Ingo beantwortet wurden.
Ihr seid ja alle schon etwas älter. Was haben die einzelnen Mitglieder vor der Gründung von ARMSTRONG gemacht?
Eine Menge, und vieles davon auch zusammen. In Kiel haben die meisten Musiker schon mal irgendwie irgendwas miteinander verbrochen. Olli und ich haben in den Neunzigern lange bei EMPIRE FREAK SHOP gespielt. Wir machten rockigen Indie-Kram und haben auf unserem damaligen eigenen Label Strich Elf ein Album und einige Singles veröffentlicht. Super rarer Stoff heutzutage, haha. Marco hat früher bei GIMCRACK gespielt, zusammen mit Krille dann bei HOME. Der wiederum trommelte einst auch bei den legendären WALLCRAWLER, übrigens gemeinsam mit Philipp Wolter, der später BONEHOUSE und mittlerweile VLADIMIR HARKONNEN ins Leben rief, und mit Gerrard von SMOKE BLOW.
Ich denke nicht, dass ihr von der Musik lebt. Wie wird die Miete bezahlt?
Bis die Berge von Tantiemen angekarrt werden, leben wir weiterhin von unseren bürgerlichen Jobs. Olli arbeitet in der Behindertenpflege, Marco ist Druckermeister, Krille ist diplomierter Übersetzer und ich schreibe als freier Redakteur in Sachen News, Kultur und Sport.
Wie würdet ihr die Entwicklung hin zu eurem neuen Album „When We Were Kings“ beschreiben?
Das kann am besten wohl der Hörer beantworten, man selbst steckt doch oft zu tief drin. Wenn überhaupt, dann würde ich sagen, dass „When We Were Kings“ jetzt den Status quo abbildet, der irgendwie die Mitte ist aus der Härte des Debüts, „The Other Half“, und dem sehr poppig geratenen vorletzten Demo „1978“ darstellt. Das ist aber auch lediglich eine Momentaufnahme. Wir haben schon wieder Songs fürs nächste Album in der Mache, da wird es dann möglicherweise noch mal ein ordentliches Pfund an Druck und Tempo obendrauf geben.
Was habt ihr in letzter Zeit gehört, das Einfluss auf die Platte hatte?
Ich könnte da keine einzelne Band oder einen Stil nennen, den ich in letzter Zeit mehr gehört habe oder von dem ich wüsste, na, das hat jetzt aber die Platte beeinflusst. Bei mir ist das immer ziemlich gemischt. Ich höre an einem Tag AC4 und TRAIL OF DEAD, ein Tag später Zeugs von Isaac Hayes oder Jacques Dutronc. Einiges wird man auf dem Album wiederfinden, anderes ganz sicher nicht.
Wie schafft man es, zwei UK-Touren zu spielen, während man zu Hause größtenteils unterhalb des Radars der Öffentlichkeit musiziert?
Booker kontaktieren, Promoter anmailen, dran glauben, dass das irgendwie funktioniert. Und dann die richtige Mischung aus „nervig“ und „hartnäckig“ finden. Wir hatten immer den Traum, mal in London aufzutreten. Da, wo vieles von dem Zeug, was wir lieben, herkommt. Dort, wo legendäre Konzerte stattgefunden haben, ob nun in den Swingin’ Sixties oder Mitte der Siebziger in der Punk-Ära, deren Einfluss bei uns sicher einer der stärksten ist. Da uns keiner nach England rüberholt, bin ich das selbst angegangen. Wir hatten Glück, dass einem Londoner Promoter unser Material gefiel, daraus wurden dann 2005 drei Gigs, unter anderem in London und mit MANDO DIAO zusammen in Cardiff. Als ich nach dem Londoner Gig im Camden Barfly draußen eine rauchen gehe, hält ein Taxi an der Ampel, das Fenster ist unten und der Fahrer hört voll Karacho „In the city“ von THE JAM. Genau für solche Momente lohnt sich der ganze Scheiß. Die zweite Tour 2008 war dann sogar noch geiler. Vier Shows, davon eine im Cavern Club in Liverpool. Unvergesslich. Nächstes Jahr werden wir unsere dritte Tour dort angehen. Und was den Radar zu Hause angeht – wir sind zäh und so langsam scheint sich das durchzusetzen. Unsere Shows sind seit der Albumveröffentlichung definitiv besser besucht, die Leute haben Bock drauf und gehen viel mehr ab.
Was halten die Engländer von einer deutschen Band, die teilweise näher an den britischen Originalen dran ist, als viele heutige einheimische Bands?
Wir hatten vorher eine Menge Gruselgeschichten gehört von wegen ignorantes Publikum, bocklose Mischer, nicht gezahlte Gagen. Da haben wir das komplette Gegenteil erlebt. Gagen gibt es eh nicht. 50 Pfund und ein paar Pints, das war es. Und das ist auch okay. Die Leute selbst waren super. Von Ian, dem Tonmann in London, bis hin zu den sechs Norwegern, die uns im Cavern backstage besucht haben, war das auch vom Zwischenmenschlichen her ein super Erlebnis. Und das britische Publikum ... ich hatte das Gefühl, denen war es ziemlich egal, wo wir herkommen. Entweder es rockt oder nicht.
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