ARMORED SAINT sind einer der bekannten Namen im Heavy Metal. Dabei werden die Amerikaner zwar von vielen Großen als Inspiration angegeben, einen riesigen kommerziellen Erfolg hatten die Herren um Joey Vera trotz stets guter Alben nie. Dieser Tage erscheint das achte Album, „Punching The Sky“. Wir sprechen mit dem Bassisten über die Entstehungsgeschichte und das Songwriting.
Kannst du dich an einen genauen Termin erinnern, an dem ihr angefangen habt, am neuen Album zu arbeiten?
Für das Songwriting muss ich in einem bestimmten Modus sein. In diesem verbleibe ich dann auch die gesamte Zeit. Daher schreibe ich zwischen zwei Alben eigentlich nicht sonderlich viel. Zwischen 2015 und dem Beginn des Songwritings für dieses Album sind höchstens zwei Nummern entstanden. Im November oder Dezember 2018 haben wir so richtig angefangen, für dieses Album zu schreiben. Wir haben keinen wirklichen Zeitplan, der uns vom Label vorgegeben wird. Sie lassen uns in unserem Tempo arbeiten. Wir schreiben also meistens zwischen dem Zeitpunkt, an dem wir die Kinder in die Schule gebracht haben, und dem Fußballtraining. Wir arbeiten um unser tägliches Leben herum, deshalb brauchen wir auch immer einen Moment länger. Im September 2019 waren wir dann fertig und haben schließlich Dezember des Jahres angefangen.
Ich habe in der Vergangenheit oft gelesen, dass ihr gerne Demos der Lieder aufnehmt und mit diesen dann auch im Studio weiterarbeitet. Kannst du mir etwas mehr darüber erzählen?
Wenn ich einen Song schreibe, fertige ich ein Demo an, das ich dann an John Bush schicke, damit dieser seinen Gesang aufnehmen kann. Wenn diese Demos fertig sind, sind sie schon ziemlich ausgegoren. Es gibt einen Schlagzeug-Computer, mehrere Spuren, manchmal sogar fünfzig Tracks. Es hört sich fast schon wie ein fertiges Album an. So arbeiten wir, damit wir wissen, wie es am Ende klingen soll. Auf dem Weg zum Album ziehen wir dann sehr häufig diese Aufnahmen heran. Wenn wir endlich im Studio sind, versuchen wir, diese noch einmal aufzunehmen. Wir ersetzen das Schlagzeug, die Gitarren und manchmal bleiben auch ein paar Spuren erhalten. Das Gleiche gilt auch für den Gesang. Wenn John Texte schreibt, sind die Aufnahmen manchmal so gut, dass diese nicht neu eingesungen werden müssen. Die Demoaufnahmen sind also sehr wichtig für uns.
Ihr seid nun auch nicht erst seit gestern dabei. „Punching The Sky“ ist euer achtes Studioalbum. Wird es mit der Zeit einfacher, Lieder zu schreiben?
Die vorhandene Technik macht vieles einfacher. 1981, als wir mit 19 angefangen haben, hatten wir nichts. Wir hatten einen Viertrack-Kassettenrecorder. Im Proberaum bauten wir also alle unser Equipment auf, spielten zusammen und schrieben so unsere Lieder. Diese nahmen wir dann als grobe Demos mit der Vierspur-Maschine auf, um ungefähr zu wissen, wie sich der Song anhören sollte. Heutzutage leben wir alle ein bisschen weiter voneinander entfernt. Wir haben das Internet und E-Mail. Es ist uns also möglich, von zu Hause aus zu arbeiten. Jeder kann bei sich daheim aufnehmen. So können wir unsere Ideen teilen. Das ist unser aktueller Prozess. Wir kommen bis kurz vor dem Studio nicht zusammen. Erst da sehen wir die anderen wieder. Für mich ist das Ganze also wesentlich schneller und effizienter geworden. Früher hat es deutlich länger gedauert, bis wir herausgefunden hatten, was wir mit einem Riff anfangen, das jemand mit in den Proberaum gebracht hatte. So was dauerte ewig.
Hat das Ganze noch die gleiche Magie wie in den Anfangstagen? Oder ist diese Magie nur eine romantische Verklärung?
Es ist anders. Wir hatten auch nie jemanden, der der Anführer war. Es waren immer einfach ein paar Jungs in einem Raum. Jeder wollte gleichzeitig der Anführer sein, dann gab es Zeiten, in der keiner der Anführer sein wollte. Das schafft diese Statik, es passiert nicht. Jetzt, wenn jemand eine Vision von einem Song hat, fühlt er sich verantwortlich. Dann bewegt sich auch etwas. So schaffst du es, die Magie zu bewahren, auch wenn du dich nicht an einem Ort befindest. Wenn jemand eine Vision hat, jeder sich an dieser beteiligt und fokussiert arbeitet. So kann man sich viel besser auf die kleinen Details konzentrieren, kann darauf achten, dass die Lieder ordentlich aufgebaut sind und sich zwischenzeitlich verändern.
Wenn wir gerade schon über die Details sprechen: Viele der Lieder auf dem neuen Album sind etwas kürzer als die auf den letzten Platten. Wie schafft man es, hier etwas Masse zu verlieren?
Das stimmt. Das wollte ich dieses Mal so. Wenn wir ein neues Album veröffentlichen, sehe ich das immer als eine Art Experiment. Ich versuche, mich als Songwriter herausfordern und etwas anders machen als zuvor. Ich möchte Dinge besser machen. So spiele ich mit diesen verschiedenen Elementen, mit den verschiedenen Musikern und ihren Stimmen. Es soll am Ende etwas Cooles herauskommen, das aber gleichzeitig wie ARMORED SAINT klingt. Für „Win Hands Down“ habe ich extra ein paar längere Lieder geschrieben und damit experimentiert, verschiedene Parts öfter zu wiederholen und sie länger zu machen. Dieses Mal bin ich absichtlich in die andere Richtung gegangen und habe versucht, gute Songs mit weniger zu schreiben. Nicht alle Lieder sind dadurch kürzer geworden, „Standing on the shoulders of giants“ ist ja zum Beispiel fast sieben Minuten lang, aber bei den meisten habe ich versucht, kürzer und bündiger zu agieren. Ich habe mich immer gefragt, ob es dieses oder jenes Teilstück wirklich braucht. Das ist eine wirkliche Herausforderung für mich, da ich mich selbst sehr ungerne editiere und Dinge streiche. Ich weiß vorher nie, ob das von Erfolg gekrönt sein wird, aber so mache ich das eben.
© by Fuze - Ausgabe #84 Oktober/November 2020 und Manuel Stein
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