ARISTILLUS

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Kontrovers auf unpolitische Art

Gitarrist und Mastermind Simon Bergseth ist äußerst umtriebig, so viel steht fest, denn neben den Fysisk-Format-Novizen ARISTILLUS, die Postcore und Blackgaze fusionieren, hat der Norweger mit LOVELOVELOVE noch eine weitere neue Combo ins Leben gerufen, die hauptsächlich den Stilen Indie und New Wave huldigt. Vom sich drehenden Besetzungskarussell über kritische Black Metal-Connections bis hin zu Zeitgeistdiskussionen bleibt ihm dabei nichts erspart, aber der aktuelle ARISTILLUS-Output „Two“ belegt, dass die junge Band aus Oslo relevant ist, sicherlich aber auch kontrovers in ihrer unpolitischen Art.

Im Metal und Postcore fokussieren sich gerade viele Bands auf Archaisches mit Tendenz ins Esoterische. Wo zieht ihr da die Grenzen, ab wann wird es bei den Texten peinlich?


Wir werden uns immer mit echten menschlichen Bedürfnissen beschäftigen, denn Texte über Aliens und die Heilkraft von Steinen sind Blödsinn. Man muss doch einen Bezug zur Realität haben. Unrealistische Themen packen wir erst gar nicht an. Andererseits sind mir Texte nicht sehr wichtig. Meine eigenen sind mir ziemlich egal, was nicht heißt, dass sie nichts taugen, aber ins Booklet müssen sie nicht unbedingt und sind deshalb auch nicht drin. Hauptsächlich dreht es sich um Hoffnungslosigkeit, die Songs auf „Two“ sind außerdem emotionaler als beim Vorgänger „Devoured Trees & Crystal Skies“, nicht so verkopft.

ARISTILLUS ist ein Krater auf dem Mond, aber auch ein Song der Prog-Rocker CAMEL. Was war der Auslöser für den Bandnamen?

Mein Vater war gerade auf dem Klo und las nebenher das Booklet zu seinem neuen CAMEL-Album und rief mich plötzlich an die Klotür. Dort sagte er mir, wir müssten unsere Band nach dem Opener des Albums „Aristillus“ benennen. Das war vor etwa acht Jahren.

Euer Bassist Simen ist inzwischen bei den recht bekannten TEAM ME aktiv, die in Norwegen auch schon den Spellemannprisen gewonnen haben. Profitiert ARISTILLUS davon, oder sind die beiden Bands zu verschieden?

Wir haben tatsächlich neue Fans dank TEAM ME, besonders aus Deutschland und der Tschechischen Republik. Allerdings brauchen wir hin und wieder einen Ersatzmann, wenn Simen mit TEAM ME auf Tour ist. Bisher klappt das ganz gut. Simen ersetzte vor zwei Jahren unseren alten Basser Alexander Lindseth und hat eben zwei Combos. Momentan pausieren wir kurz, weil Simen sehr beschäftigt ist und unser Gitarrist Håkon ARISTILLUS verlassen hat. Ich selbst arbeite gerade am Debüt meiner Noiserock-Band LOVELOVELOVE. Mal sehen, wie sich alles entwickelt.

Weshalb hat Håkon die Band verlassen und wird sich die Veränderung auf zukünftige Songs auswirken?

Håkon ist wegen künstlerischer Differenzen ausgestiegen. Er will in einem komplett anderen Genre aktiv werden, weit weg vom Hardcore. Er bastelt auch schon an etwas, aber ich kann nicht abschätzen, wie ernst ihm die Sache ist. Was das Songwriting betrifft, ist es kein großer Verlust, da er gar nicht beteiligt war. Es ist aber traurig wegen der freundschaftlichen Ebene, die wegfällt. Deshalb suchen wir ausschließlich Ersatz in unserem Freundeskreis und haben auch schon mit Leuten gejammt.

Ron Eady aus Kanada hat das Artwork für „Two“ entworfen. Warum fiel die Wahl gerade auf ihn?

Das Bild gefiel auf Anhieb. Wir schickten ihm einfach eine Mail und er erlaubte uns, das Gemälde zu verwenden. Das Bild ist massiv, düster und berührt den Betrachter irgendwie. Es sieht auch etwas nach einem Black Metal-Cover aus, und solche Sachen gefallen uns einfach.

Du bezeichnest ARISTILLUS gerne als unpolitische Band. Das ist doch schlichtweg unmöglich und auch widersprüchlich, wenn man in einem Hardcore-Kontext agiert. Welche Gemeinsamkeiten bleiben dann noch mit Hardcore-Bands? Die sind doch oft recht politisch ...

Also es bleibt die Liebe zur Musik und der Geist der Bewegung ist natürlich auch spürbar. Ich denke nicht, dass man politisch aktiv sein muss, um in einer Hardcore-Band zu spielen. Man muss doch nicht wie REFUSED sein, das wäre doof. Mir ist es gleich, ob andere Bands vegan oder kommunistisch sind, wenn sie gute Musik machen reicht mir das. Woe J. Reaper von FURZE, der ebenfalls auf Fysisk Format ist, macht Black Metal und seine Songs sind höllisch gut, warum also sollte uns das stören, dass es Black Metal ist?! Wir ziehen unser Ding durch, vielleicht kann man uns mit anderen Combos vergleichen, aber wir haben schon unseren eigenen Kopf.

Streams lösen momentan mp3 als modernes Konsumformat ab und die Hörgewohnheiten gehen wieder vermehrt zum ganzen Album, wobei die gesamte HiFi-Komponente weiterhin oft vergessen wird. Viele Bands legen Wert auf hochwertiges Equipment, warum ziehen so viele Hörer nicht mit?

Ich bin großer Vinylfan, weil der Klang einfach alle Frequenzbereiche authentisch abbildet, andererseits habe ich auch Spotify und speichere Alben im Offline-Modus. Man will ja auch jederzeit Musik hören können und da ist es ungünstig, sich nur auf Platten zu fixieren. Wir haben 2013, das ist einfach der Zeitgeist. Man kann nicht ewig oldschool bleiben. Na ja, vielleicht doch, aber was soll das Getue? Klar, wir nutzen auch Orange- und Fender-Amps, aber weshalb sollten die Leute sich die Musik nicht auf dem Smartphone oder dem Laptop anhören?

Die Songs auf „Two“ sind sehr getragen und nachdenklich, steckt ein Verlangen nach Entschleunigung dahinter? Besteht vielleicht ein grundsätzliches Bedürfnis, dem „Zeitgeist“ entgegenzuwirken?

Man kann unsere Musik nicht unbedingt komplett mit unserem Privatleben begründen. Natürlich kann das Leben auch mal hektisch, aggressiv, ruhig oder traurig sein, aber die Tracks entstehen, weil wir sie auf die Bühne bringen wollen und weil sie unseren persönlichen Geschmack treffen.

Auf „Two“ gibt es auch einige Streicherpassagen, die ja erst mal arrangiert sein wollen. Wer hat sich darum gekümmert?

Das habe ich selbst gemacht. Ich habe Musik studiert und deshalb hatte ich da keine Berührungsängste. Man kann die Songs eben am besten gestalten, wenn man nichts aus der Hand gibt. Die Streicher haben alles auch im selben Studio eingespielt, wo wir den Rest von „Two“ aufgenommen haben. Ehrlich gesagt, habe ich die Streicher sogar dirigiert, während wir sie mit Jørgen Smådal Larsen von LUKESTAR in Oslo aufgenommen haben.

Viele Bands aus Norwegen haben sich international einen beachtlichen Status erspielt. Kennt ihr euch alle untereinander und welche Rolle spielt der Wettbewerb?

Man kann sagen, dass es zwischen allen bekannteren Bands auch freundschaftliche Bande gibt. Ich kenne einige von den Jungs in KVELERTAK und auch Leute von WOLVES LIKE US. Letztere sind oft mit PURIFIED IN BLOOD in Kontakt und so zieht es eben seine Kreise. Ein klein wenig Wettbewerb besteht natürlich auch, aber die Freundschaft überwiegt.