Vor kurzem haben die Mitglieder von ANOTHER NOW ein paar Statements zu ihrer aktuellen Single „Breathe“ veröffentlicht, was uns dazu bewogen hat, mal ein bei den Niederländern nachzufragen.
Stef, du bist der Sänger von ANOTHER NOW, aber du bist zudem auch in der Psychiatrie tätig. Was genau ist dein Beruf? Und wie spiegelt sich das in der Musik und den Texten von eurem neuen Album „Hex“, wider?
Stef: Ich bin Pflegekoordinator auf einer Station eines psychiatrischen Krankenhauses. Unser Debütalbum „Omni“ war ein Konzeptalbum über psychische Gesundheit und jeder Track konzentrierte sich auf eine bestimmte Störung. Aufgrund meiner Persönlichkeit und meines Berufs denke ich viel an andere und kümmere mich um sie, aber die Kehrseite davon ist, dass ich manchmal vergesse, mich um mich selbst und meine eigene psychische Gesundheit zu kümmern. In den Texten von „Omni“ ging es nie um uns oder um mich selbst. Es fühlt sich sicherer an, etwas zu schreiben, das eine gewisse Distanz zu uns hat. Während der Aufnahmen zu „Hex“ haben wir beschlossen, dass der Moment die Führung übernimmt, egal welche Emotionen oder Gedanken aufkommen. Wir hatten Sessions im Studio, in denen wir Wut und Traurigkeit, aber auch Motivation und Entschlossenheit spürten. Diese Platte zeigt die Komplexität der menschlichen Erfahrung. Das Leben ist eine verrückte Achterbahnfahrt, die in verschiedene Richtungen gehen kann.
Max, du spielst Gitarre und du sagst, dass es sehr anstrengend sein kann, eine Band auf DIY-Basis zu betreiben. Was ist deiner Meinung nach das Beste und was das Problematischste daran, als Künstler unabhängig zu sein?
Max: Das Beste daran, eine DIY-Band zu sein, ist, dass man die volle Kontrolle über seine Vision und Kreativität hat. Wenn wir Musik schreiben, haben wir die Freiheit und genug Zeit, um genau das zu tun, was wir wollen. Wir haben uns bemüht, die Kontrolle über jeden Aspekt von ANOTHER NOW zu behalten. Wir haben keine Angst davor, die Kamera in die Hand zu nehmen und ein Musikvideo zu drehen, unsere Tracks abzumischen und unser Merch zu gestalten. Natürlich hat das auch eine Kehrseite, denn der Aufwand, den wir betreiben, um alles selbst zu machen, ist enorm. Außerdem bleibt man leicht in einer Schleife stecken, in der man immer wieder an denselben Dingen herumfeilt, denn wenn man sich einen Song mehr als hundert Mal angehört hat, vernebelt sich der Verstand ein bisschen, haha. Obwohl wir uns die Arbeit gut aufgeteilt haben und jeder seinen Platz und seine Richtung in der Band hat, kann es trotzdem hart werden, tagsüber zu arbeiten, um die Band finanziell zu unterstützen, und nachts an der Zukunft der Band zu arbeiten. Es ist immer ein schmaler Grat, auf dem wir zwischen Segen und Fluch wandeln.
Guyon, du hast erzählt, dass dies deine erste Erfahrung als Metalcore-Drummer ist. Was macht deiner Meinung nach den Sound von Metalcore aus und wie sehr repräsentiert euer neues Album diesen oder worin unterscheidet es sich davon?
Guyon: Als ich in diese Band kam, war ich mit dem Genre nicht vertraut, also fing ich an, Drums zu schreiben, von denen ich dachte, die sind „Metalcore“. Ich habe mich darauf konzentriert, meine Blastbeats zu entwickeln, Breakdown-Patterns zu schreiben und solche Sachen. Bei dem neuen Album beschloss ich, dem Schlagzeug etwas mehr von meiner persönlichen Note zu geben. Anstatt nur die eine Schublade mit den „Metalcore-Tools“ zu öffnen, war ich offener dafür, einige der Stile und Ideen einzubringen, die ich im Laufe meiner Schlagzeuger-Vergangenheit entwickelt habe. Keine Sorge, es gibt immer noch jede Menge Breakdowns und Blastbeats, aber zum Beispiel hat unser Song „Drip“ jetzt einen Bossa-Nova-Beat und ein Jazz-Break. So etwas reizt mich. Mir macht es einfach mehr Spaß, ANOTHER NOW als eine Kombination aus den unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen zu sehen, die jeder von uns als Musiker gemacht hat, anstatt unserer Musik Grenzen zu setzen, damit sie in eine bestimmte Kategorie passt.
Miq, du spielst ebenfalls Gitarre, sagst aber auch, dass du dich viel mit den inhaltlichen Aspekten eurer Musik beschäftigst. Inwiefern, glaubst du, ist der Sound von „Hex“ von deinen Ideen beeinflusst?
Miquell: Seit den Anfängen von ANOTHER NOW habe ich es genossen, in den Songwriting-Aspekt einbezogen zu werden. Mit der Zeit haben wir angefangen, die Vocals zentraler aufzunehmen, mit allen in einem Raum, was Platz für mehr Zusammenarbeit und Ideen geschaffen hat. Der Blickwinkel oder der Dreh, wie auch immer man es nennen will, den ich hinzufügen wollte, ist das kreative Timing und der Vortrag des Gesangs. Das führte zu einigen Demos, die meinen Gesangsstil abbilden, wie „Doubt“, „Drip“ und „Breathe“. In Verbindung mit Stefs harschem Rap-Gesang wurde das Album dadurch viel „nu-metaliger“.
Rik, du bist Bassist, aber auch Produzent und berichtest, dass ihr versucht habt, die Dinge roh, rein und organisch zu halten – was eher selten ist in einem oft so überproduzierten Genre wie dem modernen Metalcore. Was, denkst du, hat das neue Album durch diesen Ansatz gewonnen?
Rik: Bei der Produktion dieser Platte habe ich versucht, so nah wie möglich an den Original-Demos und -Takes zu bleiben. Bei unseren früheren Projekten haben wir oft sehr lange an allen Details gearbeitet, Dinge immer wieder verändert und so viele neue Takes wie möglich aufgenommen, immer mit dem Ziel, das Ganze zu verbessern. Das war sehr durchgeplant und akribisch. Am Ende stellten wir oft fest, dass sich der endgültige Song oft schmerzhaft weit von dem ursprünglichen Demo entfernt hat, in das wir uns verliebt hatten, vor allem wenn es um das Gefühl und die Stimmung ging. Bei dieser Platte haben wir viele Songs zu fünft in einem Raum begonnen und manchmal auch fertiggestellt, indem wir einfach herumgespielt haben. Wir haben Ideen gesammelt und versucht, eine Reaktion von uns zu bekommen. Dadurch kamen wir auf Ideen und Konzepte, die wir vorher nicht hatten. Diese spielerische Arbeitsweise machte es für mich besonders interessant und wichtig, bei den ersten Gesangs- und Gitarrentakes zu bleiben. Wir haben wirklich nur Dinge ausprobiert, gefreestylet und uns auf der Stelle etwas einfallen lassen. Ich habe das Gefühl, dass darin eine gewisse Magie liegt, die bei der modernen Arbeitsweise, bei der ein Song von einer Person ganz alleine geschrieben wird, völlig unvorstellbar ist – von Anfang bis Ende.
© by Fuze - Ausgabe #106 Juni/Juli 2024 und Dennis Müller
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