ANORAK.

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Mit Punk(t)

Drei Jahre nach ihrem Debüt „Enthusiasts And Collectors“ legen die Kölner Independent-Rocker ANORAK. mit „Sleep Well“ ihr zweites Album vor. Mit Giulio Bason (dr) und Julian Klein (gt) spreche ich bei einer Dose Bier über die Band im Allgemeinen, das neue Album im Besonderen und die beste Zeit, die man überhaupt haben kann.

Stellt euch bitte kurz vor: Wer sind ANORAK.? Wo würdet ihr euch musikalisch verorten?

Giulio:
Ich tue mich tatsächlich immer schwer, uns einzuordnen, weil in unserer Musik einfach sehr viele unterschiedliche Einflüsse vereint sind. Die Band besteht aus fünf Leuten, die alle sehr unterschiedliche Musik hören. Trotzdem finden sich Schnittmengen, die sich in unserem Sound widerspiegeln. Wir sind stark von Indie und Post-Hardcore beeinflusst, auch wenn wir auf der neuen Platte mehr Singen als Schreien, haha.

Julian: Es ist für eine Band wahrscheinlich immer schwer zu sagen, welchen Stil man denn nun pflegt. Aber vielleicht tun wir uns mit dieser Frage auch besonders schwer? Ich sage immer, wir machen Gitarrenmusik mit Geschrei. Dann wissen die meisten Leute, in welche Richtung es geht. Und natürlich haben wir uns über die Jahre auch weiterentwickelt und probieren immer mal neue Sachen aus. Ich glaube, dadurch unterscheidet sich die neue Platte auch deutlich von der ersten. Das Album ist musikalisch viel ausgereifter, weil wir uns im Entstehungsprozess mit dem, was wir tun, viel intensiver auseinandergesetzt haben.

Ihr habt die unterschiedlichen Richtungen, aus denen ihr kommt, angedeutet. Welche sind das konkret?

Julian:
Ich bin mit Indie groß geworden. Das höre ich bis heute gerne. Aber auch Post-Hardcore, Hardcore und Nu Metal haben mich beeinflusst. Folk und elektronische Musik mag ich auch. Viele bei uns in der Band hören Rap und HipHop. Nur Klassik hört, glaube ich, keiner vor uns ...

Giulio: Da bin ich aber auch echt erleichtert!

Julian: Es ist also fast einfacher zu sagen, was wir nicht hören. Philipp, unser Sänger, liebt es, wirklich puren Punkrock zu hören. Aber natürlich kombinieren wir nicht alle Stile, die wir mögen, in unserer Musik. Das gäbe ja auch ein riesiges Kuddelmuddel.

Wenn ihr eure Musik in drei Adjektiven beschreiben müsstet ...

Giulio:
Vertrackt, verspielt und kritisch.

Julian: Ausgetüftelt, mühsam und spaßig.

Fiel es euch vor diesem Hintergrund nicht schwer, einen gemeinsamen künstlerischen Nenner zu finden? Wie lief das Songwriting für euer nun fertiggestelltes zweites Album „Sleep Well“?

Julian:
Doch, es hat den Entstehungsprozess der Platte auch manchmal sehr erschwert. Aber im Endeffekt sind wir mit dem Album alle sehr zufrieden, weil keiner überwältigt wurde, sich der Gruppe zu fügen und Sachen zu machen, die er gar nicht will. Das gibt es bei uns nicht. Musikmachen heißt, Kompromisse zu finden, hinter denen alle stehen.

Giulio: Wir haben eineinhalb Jahre an dem Album geschrieben und es war oft relativ frustrierend, aus dem Proberaum mit dem Gefühl zu kommen, dass da jetzt nicht viel bei rumgekommen ist. Aber diese Erfahrungen sind trotzdem wichtig für die Art, wie wir Musik schreiben. Denn die Songfragmente, die dabei vielleicht entstanden sind, aber zunächst nicht passen wollten, die fügten sich dann in andere Songs ein, die im Entstehen begriffen waren. Es gab so Tage, an denen stellte einer von uns Ideen vor, die ihm zu Hause gekommen waren. An den Sachen haben wir dann weitergearbeitet. Aber die Mehrzahl der Songs ist durch Ausprobieren entstanden, aufgrund spontaner Einfälle im Proberaum.

Julian: Ja, die Songs entstehen im Prozess und Ideen müssen sich langsam entwickeln. Wir schreiben nicht erst ein Lied fertig, bevor wir mit dem nächsten beginnen. Wir haben uns die einzelnen Songs immer wieder vorgenommen, etwas ausprobiert und überlegt, was wir vielleicht noch ändern wollen oder ob das jetzt die finale Version ist. Wir schreiben meistens zuerst die Musik. Dann entstehen die Texte. Beim Schreiben der Texte verfahren wir allerdings etwas anders als bei der Musik. Bisher hatte zumeist einer allein die Texte geschrieben. Beim neuen Album ist das dann aber auch ein gemeinsamer Prozess gewesen. Wir haben viel über Inhalte gesprochen. An den Texten haben eigentlich alle mitgeschrieben, bis ein Song insgesamt richtig rund für uns war.

Die Texte auf „Sleep Well“ sind häufig Wut und Resignation ausdrückende, sozialkritische Kommentare oder melancholische Prosa über Menschen, die in der Anonymität der uniformen Masse nach sich selbst suchen. Was hat euch dazu inspiriert?

Giulio:
Schau dir das Albumcover an, die Szene in der Straßenbahn. Das beschreibt ganz gut die Beobachtungen, die unsere Texte prägen. In der Straßenbahn treffen alle gesellschaftlichen Milieus und Typen aufeinander. Man kommt zusammen, aber man interessiert sich nicht für den anderen und für das, was ihn vielleicht bewegt. Die Menschen resignieren vor der Anonymität in der Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit dem Widerspruch zwischen der Resignation vor der Realität und einem Optimismus, die Dinge doch noch gemeinsam ändern zu können, trägt das Album.

Julian: Deine Frage ist zugleich die Antwort. Wir schreiben viele gesellschaftspolitische Texte, die auch eigene Erfahrungen und Beobachtungen reflektieren. Wir benennen Probleme und beschreiben zugleich eine Gesellschaft, in der wir gerne leben würden.

Giulio: Wir problematisieren den Zeitgeist und den Zustand der Gesellschaft und leiten daraus denkbare utopische und dystopische Zukunftsaussichten ab.

In einem Interview habt ihr mal gesagt, dass ihr euch nicht als politische Band seht. Wie passt das zusammen?

Giulio:
Das war einmal, haha! Wir haben uns auch persönlich weiterentwickelt zu politischen Menschen. Als wir die Band 2009 gegründet hatten, waren wir alle noch ziemlich grün hinter den Ohren und auf der Suche nach uns selbst. Wir haben alle verstanden, dass es nicht möglich ist, sich nicht politisch zu positionieren.

Seid ihr auch außerhalb der Band politisch engagiert?

Giulio:
Der eine mehr, der andere weniger.

Julian: Das kommt darauf an, was darunter verstanden wird. In einem weiter gefassten Sinne sind wir durchaus gesellschaftlich engagiert. Auf die Straße gehen und demonstrieren oder beim FairTeiler mitwirken und bedürftige Menschen mit Lebensmittel versorgen zum Beispiel, das ist konkretes Engagement, das wir aber nur vereinzelt leisten können. In erster Linie betrachten wir unsere Musik als unsere politische Einmischung. Politisches Engagement geht für meine Begriffe über mögliche Parteimitgliedschaften hinaus und beginnt damit, im Freundes- und Bekanntenkreis den Mund aufzumachen und zu sagen, dass man rassistische Kackscheiße nicht hören will.

Lasst uns noch mal auf das kürzlich erschienene neue Album zurückkommen. Ist nach der Release-Party in Köln eine Tour geplant? Wo kann man euch sehen?

Giulio:
Wir werden im Herbst auf Tour sein. Die Daten könnt ihr unserer Homepage entnehmen.

Julian: In Aachen, Hamburg, München, Leipzig und dazwischen machen wir auch Station. Wir sind in allen Himmelsrichtungen unterwegs und hoffen, dass wir allen, die Bock auf uns haben, einen Konzertbesuch ermöglichen können.

Was ihr unbedingt noch loswerden wolltet ...?

Julian:
Wir haben jetzt eineinhalb Jahre keine Konzerte mehr gespielt und brennen darauf, das Album live präsentieren zu können. Wir freuen uns den Arsch ab, wenn die Shows richtig voll werden und die Leute Bock auf unsere Musik haben. Und klar freuen wir uns auch, da bin ich ehrlich, wenn sich das Album gut verkauft. Und wir freuen uns auch immer über Feedback, auf die Meinung der Leute, dem fiebern wir entgegen.

Giulio: Auf Tour zu sein, ist mit die beste Zeit, die man überhaupt haben kann. Es ist einfach großartig. Dafür machen wir Musik. Ich möchte an dieser Stelle den Menschen danken, die das möglich machen: den Veranstaltern, den anderen Bands und natürlich den Leuten, die zu unseren Konzerten kommen. Meine letzten Worte: Macht mehr Musik und besucht mehr Konzerte!