ANIMALS AS LEADERS

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Als sie im Jahr 2010 ihr Musikvideo zu „CAFO“ veröffentlichten, rechnete Gitarrist Javier Reyes kaum damit, einmal an der Spitze eines Genres zu stehen. 2022 blickt das Trio um Mastermind Tosin Abasi auf eine Szene, die um die Band entstanden ist, und genießt auch sechs Jahre nach der Veröffentlichung des letzten Albums immer noch eine gewisse Relevanz. Dabei spielt die Band aus Washington, D.C. einen Sound, der zwar unkonventionell ist und sich trotzdem eines breiten und stets wachsenden Publikums erfreut, wie Javier sagt.

Vielfach als unfassbar talentiert bezeichnet, sind ANIMALS AS LEADERS vor allem für ihre technischen Fähigkeiten bekannt. Doch wie viel Talent und wie viel Arbeit steckt hinter all dem Lob? „Talent ist für mich etwas, das bestehen muss, damit sich die Arbeit auszahlt“, so Javier. „Jeder kann lernen, wie man Gitarre spielt und wie Skalen funktionieren. Am Ende benutzen wir alle dieselben Skalen, der Unterschied liegt aber darin, wie wir sie schreiben.“ Javier kennt Bandgründer Tosin Abasi bereits seit über zwanzig Jahren und schreibt dennoch ganz anders als er. „Klar gibt es Überschneidungen, aber die Art, wie man selbst Musik schreibt, ist kaum jemandem zu vermitteln. Das ist der Aspekt mit dem Talent für mich, während die Arbeit nur die mechanische Komponente der Dinge darstellt.“

Das Publikum, das ANIMALS AS LEADERS ansprechen, ist so vielseitig wie ihre Musik selbst. Eine wirkliche Zielgruppe gibt es fernab von Musikliebhaber:innen kaum, doch das war nicht immer so. „Als wir angefangen haben, gab es keinen Platz für uns. Kein Festival wollte uns buchen, weil wir keinen Sänger hatten. Deshalb wurden wir auch von Merch-Shops ausgeschlossen“, erinnert sich der Gitarrist. „Es war nicht abzusehen, dass wir mal erfolgreich sein werden. Ich finde es begeisternd, wie sich in den Jahren, in denen die Band gewachsen ist, eine Szene entwickelt hat, die auch durch Acts wie PLINI, POLYPHIA und CHON immer größer wurde.“

Insbesondere den letzten beiden Bands schreibt Javier eine besondere Bedeutung für den modernen Instrumental Progressive Metal zu. „Diese Bands haben neue Farben in die Musik gebracht und ein neues Publikum entschlossen. Ein Publikum, das Gitarren, Metal und HipHop mag.“ Entgegen dieser Entwicklung zu einer von HipHop und Pop beeinflussten Instrumentalmusik zeigt sich ihr aktuelles Album „Parrhesia“ allerdings in noch härterem, schnellerem und verrückterem Gewand. „Es gibt so viele Parts auf dem Album, die extremer sind und die wir enorm abfeiern.“ Damit hat hat sich die Band selbst herausgefordert, denn im Songwriting zu „Parrhesia“ ging es ihnen darum, Parts zu schreiben, in denen sie sich selbst abfeiert. „Wir wollten den ‚Ja, Mann, das ist es!‘-Effekt erreichen“, so Reyes. Das Resultat ist ein Album, das die bereits angesprochene Vielseitigkeit besonders repräsentiert.

Zwischen Musiknerds, Akademiker:innen und Hipstern gibt es die individuellsten Gründe, warum man sich für die Musik des Trios interessiert. Javier erinnert sich besonders an eine Begegnung. „Einmal kam ein Priester zu mir, der sich bei mir für unsere Musik bedankte. Er erzählte mir, dass er Metal liebt, aufgrund der Texte und des Gesangs aber nicht auf Konzerte gehen könne. Da wir instrumentalen Metal machen, konnte er uns bedenkenlos abfeiern.“

Bei aller musikalischen Raffinesse und der technischen Fingerfertigkeit offenbaren die Titel der ANIMALS AS LEADERS-Tracks einen eher simplen Ansatz. „Viele tragen noch ihre Arbeitstitel, die wiedergeben, wonach sich die Songs anhört.“ So folgte der auf „The Madness Of Many“ erschienene Track „Backpfeifengesicht“ aufgrund eines Slap-Parts einem semantischen Ansatz und der puren Faszination, dass es ein solches Wort in der deutschen Sprache gibt.